: Wirtschaft fordert Aufbruchstimmung

von Frank Bethmann
29.08.2023 | 07:02 Uhr
Die Bundesregierung arbeitet an einer neuen Wirtschaftsagenda - die Industrie macht Druck und will Reformen. Ein staatlich subventionierter Industriestrompreis bleibt umstritten.

Das Wirtschaftswachstum stockt - aber wie kann es wieder angeregt werden? Ein subventionierter Industriestrompreis soll die Rettung bringen. Was spricht dafür - und was dagegen?

29.08.2023 | 03:32 min
20 Jahre lief vieles gut. 20 Jahre hat die Globalisierung deutsche Unternehmen von einem Wachstumserfolg zum nächsten getragen. Doch das war einmal.
Sorgen bereiten dabei nicht die globalen Umstände. Sorgen bereiten vielmehr Deutschlands individuelle Schwächen: die langen Genehmigungsverfahren, der akute Fachkräftemangel und die hohen Energiekosten. Eine Liste, die sich fortführen ließe, man denke nur an den Digitalisierungsrückstand in den Verwaltungen und andernorts.

Energieintensive Unternehmen in Deutschland kämpfen um ihre Existenz. Die Ampel streitet über Ansätze, scheint aber keine Lösungen zu finden.

04.07.2023 | 03:09 min

Industrie fordert Aufbruchssignal von Bundesregierung

Und so hat es Deutschland nach über 20 Jahren, nach Jahren, in denen man sich zu sehr auf dem Erreichten ausgeruht hat, wieder auf die Titelseite des "Economist" geschafft. Der fragt, ob Deutschland wie zu Beginn der 2000er-Jahre erneut der kranke Mann Europas sei - zu sehen ein Ampelmännchen am Tropf.
Auch wenn einige Ökonomen mit Blick auf die gesunden öffentlichen Finanzen und einer Beschäftigung auf Rekordniveau dies für übertrieben halten, sind führende deutsche Wirtschaftsforscher und Verbandspräsidenten nun in die Offensive gegangen.
Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, sagte dem Handelsblatt:
Von Meseberg sollte ein deutliches Aufbruchssignal für die deutsche Wirtschaft ausgehen.
Peter Adrian, DIHK
Stephanie Barrett berichtet von der Börse über die Erwartungen der Unternehmen:

Die deutsche Wirtschaft blickt mit großem Interesse auf das Treffen der Bundesregierung.

29.08.2023 | 01:02 min

Wirtschaft mit eigener Reformagenda

Tatsächlich will die Bundesregierung auf ihrer Kabinettsklausur an einer neuen Wirtschaftsagenda arbeiten. Themen, die dabei auf den Tisch kommen sollen: "KI als Zukunftstechnologie", "Verbesserungen der Verwaltungsdigitalisierung" und nicht zuletzt "Impulse für Wirtschaft und Wachstum".
Doch Ökonomen wie der Präsident des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, hätten es gerne konkreter. Sein arbeitgebernahes Haus wartet mit einem regelrechten Reform-Feuerwerk auf. Im Mittelpunkt dabei Investitionsprämien für Unternehmen, eine Ausweitung der Abschreibungsmöglichkeiten, eine verbesserte steuerliche Forschungsförderung und die Abschaffung oder Senkung der Stromsteuern.

Es herrscht Konjunkturflaute – aber Kanzler Olaf Scholz prophezeit ein Wirtschaftswunder. ZDFheute live zur Frage, wie es um den Wirtschaftsstandort Deutschland wirklich steht.

14.08.2023 | 42:17 min

Strompreis für Investitionsentscheidungen von zentraler Bedeutung

Einen subventionierten Industriestrom, in dem Fall einer, der an den Börsenstrompreis gekoppelt sein sollte, fordert Hüther zudem. Auch Jens Südekum, Professor an der Universität Düsseldorf und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums, spricht sich für eine solche Förderung aus.
Der Strompreis sei für Investitionsentscheidungen zentral. Wenn sich die Unternehmen darauf verlassen könnten, dass er nicht über sechs Cent gehe, dann würden sie ihre Investition auch in Deutschland tätigen.
Hintergrund der Debatte: Große Teile der heimischen Industrie denken darüber nach, ihre energieintensive Produktion ins Ausland zu verlagern. Ein niedriger Strompreis soll sie davon abhalten.

Die SPD-Fraktion macht Druck und fordert einen subventionierten Industriestrompreis, der bei fünf Cent pro Kilowattstunde liegen soll. Bundeskanzler Scholz ist bisher skeptisch - droht nun ein Streit innerhalb der SPD?

24.08.2023 | 01:42 min

Staatlicher Industriestrompreis in der Wirtschaft umstritten

Allerdings ist ein staatlich subventionierter, zeitlich befristeter Industriestrompreis, wie er jetzt diskutiert wird, umstritten. Peter Adrian argumentiert: Ein für fünf Jahre festgesetzter Strompreis helfe nicht weiter. Unternehmer hätten bei Investitionen in neue Produktionsanlagen oft Abschreibungen von zehn bis 15 Jahren.
Nach den Vorstellungen des DIHK-Präsidenten würden "Partnerschaften" zwischen Energieproduzenten und Industrie- und Wirtschaftsunternehmen mehr bringen.

Bundeskanzler Scholz äußerte sich im ZDF-Sommerinterview skeptisch zur Einführung eines Industriestrompreises. In der Wirtschaft selbst ist diese Art der Subvention umstritten.

14.08.2023 | 01:38 min

DIHK-Präsident: Wichtige Stellschraube "digitale Infrastruktur"

Adrian, selbst Unternehmer, sieht weitere Stellschrauben, an denen dringend nachjustiert werden müsse. Im Deutschlandfunk berichtete er davon, dass es über zehn Monate gedauert habe, ehe es gelang, für eine marokkanische Fachkraft, die sein Betrieb einstellen wollte, ein Visum zu erhalten.
Und wenn dann die betreffende Person nach neun oder zehn Monaten Warten das Visum in den Händen hält und nach Deutschland kommt und legt in Frankfurt am Flughafen den Ausweis der Bundespolizei vor, dann haben die noch keine Information darüber, dass hier ein Visum besteht.
Peter Adrian
Der Grund: Alles wird noch händisch ausgefüllt. "Wie wollen wir jährlich 400.000 Fachkräfte gewinnen und einen Großteil aus außereuropäischen Ländern hier nach Deutschland ziehen", so Adrian weiter, "wenn wir dafür nicht die digitalen Strukturen geschaffen haben".

Der Digitalverband Bitkom zieht Bilanz zur Digitalisierung in Deutschland. Das Ergebnis: Die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft kommt nur schleppend voran.

28.08.2023 | 01:34 min

Bitkom: Ampel muss Digitalpolitik mit "viel mehr Nachdruck betreiben"

Die schleppende Digitalisierung mahnte vor der Kabinettsklausur auch der Digitalverband Bitkom an. Sein Präsident Ralf Wintergerst findet markige Worte: "Vor einem Jahr wurde in Meseberg die Digitalstrategie verabschiedet und seither ist viel zu wenig passiert."
Die Bundesregierung muss ihre Digitalpolitik mit sehr viel mehr Nachdruck betreiben, wenn sie ihre selbstgesteckten Ziele vor den nächsten Wahlen noch erreichen will.
Ralf Wintergerst, Bitkom-Präsident
Frank Bethmann ist ZDF-Wirtschaftsexperte.

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