FAQ

: Lohn-Preis-Spirale: Was es damit auf sich hat

von Anne Sophie Feil
30.06.2024 | 15:03 Uhr
Bei Fragen um Inflationserwartungen oder Tarifverhandlungen geht es oft um eine Lohn-Preis-Spirale. Was es damit auf sich hat - und warum es sie zu verhindern gilt.
Die IG Metall erreichte im Sommer 2023 angesichts der hohen Inflation eine Lohnerhöhung für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie. (Symbolbild)Quelle: dpa
Wenn es um Inflationserwartungen oder Tarifverhandlungen geht, ist oft die Rede von einer Lohn-Preis-Spirale. Diese gilt es zu vermeiden, um die Inflation stabil zu halten.
Die Lohn-Preis-Spirale ist ein Phänomen, bei dem sich Preise und Löhne gegenseitig beeinflussen und verstärken. Steigende Preise können zu Lohnerhöhungen führen, diese wiederum heizen die Inflation an.

Die Reallöhne in Deutschland sind, so das Statistische Bundesamt, deutlich gestiegen. Der Zuwachs von 3,8 Prozent ist das höchste Plus seit Beginn der Erhebung vor 16 Jahren.

29.05.2024 | 00:24 min

Welchen Einfluss haben Produktionskosten auf Verbraucherpreise?

Meist geht es los mit einem Anstieg der Produktionskosten. Um die gestiegenen Ausgaben in der Herstellung, etwa für teurere Rohstoffe oder Energie, zu decken, erhöhen die Unternehmen die Preise ihrer Güter. Damit geben sie ihre höheren Kosten an die Verbraucher weiter - die Verbraucherpreise steigen.

Einfluss der Produktionskosten auf Verbraucherpreise

Ein Anstieg der Verbraucherpreise durch höhere Produktionskosten fand beispielsweise statt, als die Gaspreise 2022 nach Ausbruch des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine stiegen. Industrielle Düngemittel werden häufig aus Gas hergestellt. Aufgrund der höheren Herstellungskosten wurde es zu einem höheren Preis an die Landwirtschaft verkauft. Die Landwirte mussten also mehr Geld ausgeben, um ihre Felder zu düngen. Um dieses Geld wieder hereinzuholen, boten sie die darauf angebauten Lebensmittel teurer an.

In Zahlen: Die Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte lagen im Jahresdurchschnitt 2022 um rund ein Drittel höher als im Vorjahr. Die Verbraucherpreise für Nahrungsmittel stiegen im gleichen Zeitraum um gut 13 Prozent.

Quelle: ZDF

Um die Verbraucherpreise zu ermitteln, wird ein Warenkorb zusammengestellt, der alle Güter und Dienstleistungen enthält, die ein typischer Durchschnittshaushalt kauft. Dazu gehören Güter des täglichen Bedarfs, wie Mieten, Essen und Kleidung, langlebige Gebrauchsgüter wie Autos oder Möbel, und Dienstleistungen wie Friseurbesuche oder Versicherungen. Der Inhalt dieses Warenkorbs wird alle fünf Jahre aktualisiert, weil neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt kommen und sich das Einkaufverhalten ändert.
In Deutschland berechnet das Statistische Bundesamt die Preisveränderungen der Güter und Dienstleistungen dieses Warenkorbs und veröffentlicht eine monatliche und jährliche Inflationsrate. Sie drückt aus, wie sich die Preise des Warenkorbs im Vergleich zu einem früheren Zeitpunkt - meist dem Vorjahresmonat - verändert haben.
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Wie hängen Inflation und Lohnverhandlungen zusammen?

Wenn die Preise steigen, können sich die Haushalte bei gleichem Einkommen weniger leisten. Man spricht dann von einem Kaufkraftverlust. Um das zu verhindern und ihren Lebensstandard halten zu können, fordern Arbeitnehmer Lohnerhöhungen. Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen setzen sich in Tarifverhandlungen dafür ein, dass die Löhne entsprechend steigen.

Inflation: Forderungen bei Tarifverhandlungen

Im Jahresdurchschnitt 2022 lag die Inflationsrate bei 7,9 Prozent. Um die gestiegenen Lebenshaltungskosten für die knapp vier Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie auszugleichen, forderte die Gewerkschaft IG Metall bereits im Sommer 2022 von den Arbeitgebern eine Erhöhung der Entgelte um acht Prozent. Sie war damals eine der ersten großen Gewerkschaften, die auf die Inflation reagierte und mit hohen Forderungen in die Tarifrunde ging.

Nach wochenlangen Verhandlungen und Warnstreiks erreichte die weltweit größte Arbeitnehmervertretung eine Lohnerhöhung ab Juni 2023 um 5,2 Prozent und ab Mai 2024 um weitere 3,3 Prozent sowie einen Inflationsausgleich von 3.000 Euro netto.

Quelle: ZDF

Für Unternehmen, die gezwungen sind, höhere Löhne zu zahlen, wachsen die Personalkosten. Steigen die Löhne als Reaktion auf die hohe Inflation zu stark an, kann das die Preise weiter in die Höhe treiben, da die Unternehmen weitere Preiserhöhungen ihrer Waren und Dienstleistungen mit den höheren Ausgaben für ihre Mitarbeitenden rechtfertigen.

"Wir streiten vor allem für Tariflöhne", so Yasmin Fahimi, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftbundes. Die Beschäftigten brauchen "mehr Sicherheit durch den Schutz von Tarifverträgen".

30.04.2024 | 04:54 min
Erneut geben sie also ihre gestiegenen Kosten an die Verbraucher weiter. So entsteht eine Spirale: Höhere Löhne führen zu höheren Preisen, und höhere Preise führen zu weiteren Lohnerhöhungen.

Wie wirken sich Löhne und Preise auf das Wirtschaftswachstum aus?

Diese Lohn-Preis-Spirale kann das Wirtschaftswachstum beeinflussen. Kurzfristig stärken höhere Löhne die Kaufkraft. Die Arbeitnehmer können mehr konsumieren, die Unternehmen dadurch mehr umsetzen und Gewinne erzielen. Auch die Erwartung steigender Inflation fördert den Konsum. Kaufentscheidungen werden lieber zeitnah getroffen als später zu höheren Preisen. Das kann zu einem wirtschaftlichen Aufschwung führen.

Wegen der zuletzt sukzessive sinkenden Inflation im Euroraum hat die Europäische Zentralbank den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte gesenkt. Was Sparer besorgt, freut die Wirtschaft.

06.06.2024 | 01:06 min
Langfristig kann eine anhaltend hohe Inflation aber auch das Vertrauen in die Wirtschaft untergraben, Investitionen hemmen und die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes beeinträchtigen. Hier kommt den Zentralbanken eine wichtige Rolle zu. Ihre Aufgabe ist es, die Geldpolitik so anzupassen, dass die Preise stabil bleiben.

Die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank

Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) ist es, die Inflationsrate mittelfristig bei zwei Prozent zu halten. Eines ihrer geldpolitischen Instrumente ist die Festlegung der Leitzinsen, zu denen Geschäftsbanken Geld leihen oder anlegen können. Damit beeinflusst sie das Zinsniveau im gesamten Euroraum. Niedrigere Zinsen verbilligen Kredite und Investitionen, gelten als wachstumsfördernd und preistreibend. Höhere Zinsen verteuern Kredite und Investitionen, sie gelten daher als wachstumshemmend und preissenkend.

Im Jahr 2022 reagierte die EZB auf die stark gestiegene Inflation, indem sie ab Juli 2022 erstmals seit elf Jahren den Leitzins anhob. Bis Dezember 2022 erhöhte sie den Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte von anfangs null auf 2,5 Prozent. Nach mehreren weiteren Schritten erreichte sie im September 2023 ein Zinsniveau von 4,5 Prozent. Erst zwei Jahre später, Anfang Juni 2024 sah sie die Inflation so weit unter Kontrolle, dass sie den ersten Zinsschritt nach unten ankündigte.

Quelle: ZDF

Wichtig für einen gesunden Wirtschaftskreislauf ist ein Gleichgewicht zwischen stabilen Löhnen und Preisen. Nur so können die Haushalte ihren Konsum finanzieren und mit ihrer Kaufkraft das Wirtschaftswachstum fördern.

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