: Was die Streiks für die Wirtschaft bedeuten

von Klaus Weber
12.03.2024 | 14:10 Uhr
Die wiederholten Arbeitsniederlegungen im Bahn- und Flugverkehr der vergangenen Wochen hinterlassen auch Spuren in der Wirtschaft. Streiken wir gar unseren Wohlstand kaputt?
Wenn die Güterzüge wiederholt mehrere Tage stillstehen - hier in Rostock - trifft der Bahnstreik immer mehr auch Wirtschaft, Handel und Industrie. (Archivbild)Quelle: dpa
Beginnen wir mit den positiven Nachrichten: Mietwagenfirmen, aber auch Taxi- und private Busunternehmen jubeln seit Wochen über eine exorbitant gestiegene Nachfrage. Kunden bezahlen teilweise Mondpreise für Mietwagen und buchen massenweise ihre Reisen um. Die Transportbranche ist damit zweifellos der größte Profiteur der Streiks bei Bahn und Lufthansa.
Doch das war es auch schon mit den positiven Auswirkungen der Arbeitsniederlegungen. Deshalb begann auch spätestens nach der Ankündigung der sogenannten "Wellenstreiks" mit kürzerer Vorlaufzeit, das große Stöhnen in der Industrie.

Der Streik trifft wegen der ausfallenden Güterzüge auch die Wirtschaft, Lieferketten sind gestört. Experten schätzen den gesamtwirtschaftlichen Schaden auf eine Milliarde Euro.

24.01.2024 | 01:32 min

Kritik wird lauter

Auch die Tonlage der Kritiker gegenüber dem Vorgehen der Gewerkschaften wird schriller. Vertreter des Mittelstands und des Außenhandels beklagten sich vehement über das Verhalten der GDL.
Mit solchen Aktionen wird der ohnehin schon angeschlagene Wirtschaftsstandort Deutschland weiter schwer belastet. Stillstand auf der Schiene können wir uns einfach nicht mehr leisten.
Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer Verband Chemische Industrie
Die Bahn ist zwar ein wichtiger Partner fast aller Industrieunternehmen, aber für die Chemieindustrie ist sie eine Art Lebensader. Die Branche befördert im Tagesdurchschnitt rund 155.000 Tonnen Chemikalien, davon allein 23.000 Tonnen per Bahn. Lieferengpässe werden nun nicht nur in der Chemieindustrie befürchtet.
Eine Streikwelle im Transportwesen hat gerade in schwachen ökonomischen Phasen das Zeug dazu, die gesamte Wirtschaft mit herunterziehen. Das glaubt auch Clemens Fuest, Leiter des Münchner ifo Instituts, im ZDF Morgenmagazin: "Die Wirtschaft schrumpft und wenn so etwas noch dazu kommt, dann fehlen ja plötzlich Teile in der Produktion, die nicht geliefert werden können, oder es können Menschen nicht zu Meetings kommen, vielleicht auch nicht zur Arbeit."

"Im Moment befinden wir uns in einer Rezession". Die aktuelle Streikwelle sei "ein zusätzlicher Dämpfer in einer sowieso schon schlechten Konjunktur", so Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts.

07.03.2024 | 04:01 min
Die Bahn und der Luftverkehr seien systemisch wichtige Bereiche. "Deshalb muss man schon überlegen, ob das alles noch verhältnismäßig ist."

100 Millionen Euro pro Tag

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) traut sich sogar eine Bezifferung des Gesamtschadens für Deutschlands Ökonomie zu. Ein eintägiger bundesweiter Bahnstreik kann nach Berechnungen des IW demnach bis zu 100 Millionen Euro am Tag an Wirtschaftsleistung kosten, sofern die Produktion und die Geschäftstätigkeit der Unternehmen branchenübergreifend gestört werden.
Dabei sieht das IW vor allem drei Leidtragende: Nämlich die Bahn selbst, die Dienstleister, die durch die Bahn profitieren - wie etwa Einzelhändler im Bahnhof - und dann noch diejenigen Unternehmen, die von den Lieferausfällen betroffen sind. Grundsätzlich dürften die Streiks dort, wo Präsenz von Kunden und Mitarbeitenden Voraussetzung ist, besonders empfindliche Spuren hinterlassen. Im verarbeitenden Gewerbe beispielsweise, wo noch viele Maschinen von Hand bedient werden müssen.

Der Lokführerstreik hat Auswirkungen auf Menschen und Unternehmen im ganzen Land. Wie teuer ist der Stillstand auf den Gleisen? Und wie groß ist der wirtschaftliche Schaden?

07.03.2024 | 02:27 min

Homeoffice dämpft Streikkosten

Deshalb würden "gerade die Folgen der Pandemie - sprich Homeoffice" dabei helfen, "die Streikkosten geringer ausfallen zu lassen", meint Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING. Eine Faustformel aus dem wesentlich streikerfahreneren Frankreich besage, dass "eine Arbeitswoche Generalstreik den Verlust von 0,1 Prozent Wirtschaftswachstum bedeuten". Brzeski glaubt: "In eine ähnliche Richtung geht das auch hierzulande".
Viel wichtiger als die Bezifferung der Kosten sei aber sowieso "die Wahrnehmung im Ausland", meint der ING-Chefvolkswirt.
Wir müssen aufpassen, dass wir unseren guten Ruf nicht langfristig verspielen.
Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING
Neben vielen anderen schlechten Standort-Faktoren, die ausländische Investoren schon lange wahrnehmen, steht nun nämlich auch noch die vielgerühmte deutsche Zuverlässigkeit auf dem Spiel. Ein Spiel mit dem Feuer, das Wohlstand kosten könnte und in dem alle Streikparteien gleichermaßen eine große Verantwortung tragen.

Themen

Deutsche Wirtschaft in Zeiten des Streiks