: 30 Prozent üblich - Trinkgeld außer Kontrolle

von Katharina Bellstedt, New York
24.09.2023 | 13:44 Uhr
Wer derzeit in die USA reist, sollte das Reisebudget erhöhen. In Restaurants, Cafés und für Taxis werden Trinkgelder von bis zu 30 Prozent gefordert. Doch die ersten Kunden murren.
Mittlerweile wird viel digital gezahlt - was ein höheres Trinkgeld nicht so schmerzhaft erscheinen lässt.Quelle: picture alliance / Sonja Marzoner/dpa
Es fing alles mit der Corona-Pandemie an: Viele Unternehmen mussten ihr Geschäft vorübergehend schließen oder konnten nur unter besonderen Bedingungen öffnen. Da die Menschen aber ihre lokalen Cafés und Restaurants unterstützen wollten, gaben sie freiwillig höhere Trinkgelder. Ohnehin erlebte das allgemeine Konsumverhalten - wie in den meisten Ländern - auch in den USA während des Lockdowns einen Rückgang. Entsprechend blieb mehr Geld für den sogenannten "Tip" (engl. für Trinkgeld) übrig.
Mit der Rückkehr in das normale Leben sank aber nicht die Forderung nach dem üppigen Trinkgeld. Im Gegenteil: In Amerika ist es inzwischen üblich, einen Aufschlag von bis zu 30 Prozent auf den Gesamtpreis zu zahlen.

In der Corona-Zeit wurde in Deutschland die Mehrwertsteuer für Restaurants gesenkt, zum Anfang des nächsten Jahres soll sie wieder erhöht werden. Die Branche warnt davor.

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Mindestlohn gilt nur, wenn man kein Trinkgeld bekommt

Viele Amerikaner leben vom Trinkgeld, es gilt als Teil ihres Einkommens. Der vom Arbeitsministerium vorgeschriebene Mindestlohn von 7,25 Dollar gilt nämlich nicht für Arbeitnehmer, die in ihren Berufen einen Tip erhalten. Sie arbeiten vor allem in der Gastronomie- oder Tourismusbranche und fallen damit in die Kategorie des "tipped wage" in Höhe von 2,13 Dollar pro Stunde.
Angesichts dieser Regelung ist es also durchaus angemessen, ein gutes Trinkgeld für ein Abendessen oder für die Taxifahrt zu geben. Dennoch scheint dies seit der Pandemie außer Kontrolle geraten zu sein, amerikanische Medien betiteln diese Entwicklung inzwischen als "Tipflation".

Tip wird auch beim Coffee to go verlangt

Rebecca lebt für ein Jahr als Aupair in Chicago, sie achtet stets darauf, ein angemessenes Trinkgeld zu geben. Dennoch mache sie die Höhe, so wie sie es aus ihrer Heimat gewohnt ist, immer von der Servicequalität abhängig.
Mich hat am Anfang gewundert, dass hier tatsächlich nach einem Tip gefragt wird, wenn ich mir nur schnell einen Coffee to go am Tresen bestelle.
Rebecca, Aupair in Chicago
"Das würde mir in Deutschland so nicht begegnen", so die Bayerin.

Jeder Fünfte in Deutschland kann sich nicht mal eine Woche Urlaub leisten. Die Preise steigen seit Monaten, egal ob Restaurants, Hotels oder Strandkörbe. Besonders Rentner und Alleinerziehende sind betroffen.

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Auch Kartenzahlung trägt zum höheren Trinkgeld bei

Hinzu käme laut Steve H. Hanke, Professor für Angewandte Wirtschaftswissenschaften an der Johns-Hopkins-Universität, die Etablierung digitaler Zahlsysteme:
Es ist weniger schmerzhaft, per Knopfdruck das Trinkgeld vom Bankkonto abbuchen zu lassen als das Bargeld aus dem Portemonnaie verschwinden zu sehen.
Steve H. Hanke, Johns-Hopkins-Universität
Die Corona-Pandemie hatte unter anderem zur Folge, dass vermehrt auf die Kartenzahlung zurückgegriffen wird, das gilt auch für kleine Beträge. So fragt das Zahlterminal häufig schon beim Kauf eines einzigen Bagels nach 22, 25 oder 30 Prozent Trinkgeld.

Trinkgeld auch in Deutschland für Dienstleistungen

Und wie sieht es in Deutschland aus? Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sagt gegenüber ZDFheute: "Es ist mittlerweile üblich, dass man bei Dienstleistungen des täglichen Lebens auch in Deutschland ein Trinkgeld zahlt, auch wenn dieses prozentual viel geringer ist als in den USA."
Dem Ökonom zufolge sei in der Gesellschaft inzwischen ein Bewusstsein für die steigende Ungleichheit der Einkommen und Lebensbedingungen angekommen. Hier lautet die Faustregel: zehn bis 15 Prozent auf den Gesamtpreis.

Ein Stück Kuchen, eine Tasse Kaffee - das dauert in manchem Restaurant länger, weil Personal fehlt. Deshalb umwerben Wirte inzwischen sogar Rentner und setzen auf Roboter.

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USA: Kunden verweigern zunehmend hohe Trinkgelder

Ob Amerika jemals auf dieses vergleichsweise niedrige Extrageld zusteuern wird, ist fraglich. Dennoch könnte die "Tipflation" laut Hanke möglicherweise in Zukunft abklingen: "Die jüngsten Anzeichen deuten darauf hin, dass sich immer mehr Kunden gegen das hohe Trinkgeld auflehnen und Einrichtungen, die hohe Trinkgelder fordern, vermeiden." Und da es in der Wirtschaft immer um das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage gehe, werde der Markt langfristig wieder für ein Gleichgewicht sorgen, so der Experte zum ZDF.

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