Interview

: Ideen gegen Klimawandel für Landwirte gefragt

04.05.2024 | 15:02 Uhr
Europa ist laut Europäischer Umweltagentur (EEA) der Kontinent, der sich durch den Klimawandel am schnellsten erwärmt. Es drohen Dürren und Ernteausfälle. Neue Ideen sind gefragt.

Bäume auf dem Acker, Wasserrinnen auf dem Feld – mit neuen Formen der Landnutzung reagieren Landwirtinnen und Landwirte auf den Klimawandel.

09.05.2024 | 29:45 min
Eine Lösung, um Böden an die neuen Klimabedingungen in Europa anzupassen und die Ernten wieder sicher zu machen: Agroforstwirtschaft. Agrarwissenschaftler Janos Wack erklärt, warum Agroforst so viel Zukunftspotential hat.
ZDFheute: Warum braucht es ein Umdenken in der Landwirtschaft?
Janos Wack: Weil wir vor riesigen Herausforderungen stehen, die durch den Klimawandel noch verstärkt werden. Und wir deswegen einen riesigen Handlungsbedarf haben hinsichtlich Bodenschutz, Biodiversität, aber auch Klimaschutz und Tierwohl.

Janos Wack …

… ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Kassel sowie Referent für Bildung, Netzwerk und Entwicklung im Verein für Regenerative und Soziale Landwirtschaft. Er ist Spezialist für die Integration von Gehölzen auf Äckern. Um Landwirtinnen und Landwirten auf diesem Gebiet zu beraten, hat er mit zwei Partnern die Planungsagentur "Triebwerk" gegründet.

Hunderttausende Bäume vertrocknen, gehen in Flammen auf oder fallen Borkenkäfern, Pilzen, Bakterien und Viren zum Opfer. Dabei ist gerade der intakte Wald einer der wichtigsten Gegenspieler des Klimawandels.

15.09.2019 | 28:28 min
ZDFheute: Was sind die Vorteile der Agroforstwirtschaft?
Wack: Die Agroforstwirtschaft ist eigentlich erst mal ein integrativer Ansatz, der konventionelle Landwirtschaft wie Ökolandbau mitnimmt. Wir haben eine Klimawandelanpassung auf unseren landwirtschaftlichen Flächen und gleichzeitig können wir einen gigantischen Hebel beim Klimaschutz ansetzen, weil wir riesige Mengen an Kohlenstoff binden können.
Und das ist auch mittlerweile vom Umweltbundesamt bestätigt, dass das eine der Maßnahmen in der Landwirtschaft ist, die mit riesigem Abstand das höchste Klimaschutzpotenzial hat. Im Schnitt rechnen wir mit 10,4 Tonnen Kohlenstoff oder CO2-Äquivalenten pro Hektar. Und das ist mehr als der Faktor zehn im Vergleich zu unproduktiven Flächen. Und dabei sind wir landwirtschaftlich weiterhin produktiv. Das ist eine Win-Win-Situation.

Was ist Agroforstwirtschaft

Kombination mit Sträuchern und Bäumen auf Feld

Agroforstwirtschaft kombiniert Ackerpflanzen mit Sträuchern und Bäumen auf einem Feld. Ihre ältesten Formen reichen bis 4000 vor Christus zurück. Durch die Mechanisierung der Landwirtschaft wurden Bäume zunehmend von landwirtschaftlichen Flächen entfernt. Moderne Agroforstsysteme sind an den heutigen Stand der Technik angepasst und können somit auch mit Großtechnik bewirtschaftet werden.

Vorteile

  • Schutz vor Bodenerosion durch Windbremse und Wasserdamm
  • Humusaufbau und gesunde Böden durch Laub
  • Zusätzliche Einnahmequelle durch Brennholz und Früchte
  • Förderung der Biodiversität
  • Klimaeffekte: Abkühlung der Umgebung, CO2-Speicherung

Nachteile

  • Höherer Aufwand und Kosten für die Bewirtschaftung
  • Mehr Knowhow notwendig
  • Konkurrenz zwischen Gehölzen und Ackerkulturen um Licht, Nährstoffe, Wasser und Wuchsraum
  • Langfristige Kapital- und Flächenbindung durch die vergleichsweise langsam wachsenden Gehölze

Holz gilt als Rohstoff der Zukunft. Doch die Bestände in den Wäldern sind begrenzt. Wie lässt sich ein Gleichgewicht finden zwischen wirtschaftlichem Interesse und Klimaschutz?

07.01.2024 | 28:31 min
ZDFheute: Gibt es auch Nachteile?
Wack: Es erfordert sehr, sehr viel Umdenken. Ich habe einen Kapitalbedarf, ich habe einen höheren Wissensbedarf, ich habe einen Arbeitszeitbedarf und das alles on top im laufenden landwirtschaftlichen Betrieb.

Adam Krupp ist Biobauer im saarländischen Perl. Er hat bei der Umstellung auf Bio seine Produktion halbiert und bereut es nicht. Er sagt, es brauche ein Umdenken, um ökologische Landwirtschaft großflächig zu etablieren.

30.03.2024 | 03:43 min
ZDFheute: Reicht es schon, einfach Bäume auf dem Acker zu pflanzen?
Wack: Ja, wenn es so einfach wäre, würde ich sagen, dann ginge es schneller. Ich denke, da ist planerisch einfach sehr, sehr viel Vorarbeit nötig. Ich muss den Standort kennen, ich muss den Betrieb kennen, ich muss die ganzen Gehölze kennen und mit ihren ganzen Vor- und Nachteilen kombinieren. Muss mir das wirtschaftlich überlegen, muss den Investitionsbedarf kennen, um dann auch zu schauen, was ist denn für den Betrieb im Budget drin und wo muss ich Abschläge machen. Und dann sollte ich mir das Ganze rechtlich auch noch angucken, was ist erlaubt und was nicht.

Rund ein Drittel Deutschlands ist von Wald bedeckt. Knapp die Hälfte der Waldfläche befindet sich in Privatbesitz.

14.12.2020 | 00:42 min
ZDFheute: Wie weit verbreitet ist die Agroforstwirtschaft?
Wack: Absolut eine Nische aktuell. Aber eine Nische mit einer gigantischen Entwicklung. Die Bundesregierung hat ein Ziel formuliert von 65.000 Hektar Gehölzfläche in Agroforstsystemen in Deutschland bis 2027. Momentan sind wir so schätzungsweise bei 1.000 bis 1.200 Hektar Gesamtsystemfläche. Das heißt, es ist absolut überschaubar.

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20.02.2024 | 24:45 min
ZDFheute: Kann denn überhaupt so viel gepflanzt werden in dieser kurzen Zeit?
Wack: Wir sind dran. Aber ich halte das Ziel für zu hoch gegriffen und dafür die Förderung für viel zu niedrig. Aber man könnte das Ziel ja noch etwas runterschrauben und die Förderung weiter hochschrauben. Das wäre ein großer Schritt aus der Nische heraus.
Das Gespräch führte Peter Scholl.

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