FAQ

: Darum wird starkes Hochwasser zur Normalität

von Oliver Klein
04.06.2024 | 18:57 Uhr
Alle paar Jahre ein "Jahrhunderthochwasser" - wie kann das sein? Und warum begünstigt der Klimawandel solche Ereignisse? ZDFheute klärt die wichtigsten Fragen.
Teile der Passauer Altstadt sind vom Hochwasser der Donau überflutet - wird das zur Normalität?Quelle: dpa
Die Flut in Bayern und Baden-Württemberg ist bereits das dritte heftige Hochwasser in Deutschland in diesem Jahr. Zum Jahreswechsel traf es Norddeutschland und erst an Pfingsten gingen Teile des Saarlands unter.
Auch die Flut von 2002 an der Elbe, das Rekord-Hochwasser von 2013 in weiten Teilen Deutschlands und die Katastrophe vom Ahrtal 2021 mit 135 Toten sind noch nicht vergessen - warum ist dennoch immer wieder die Rede von "Jahrhunderthochwasser", obwohl zwischen den Ereignissen nur wenige Jahre liegen? Was hat der Klimawandel mit den Flutkatastrophen zu tun und werden solche Ereignisse in Deutschland jetzt zur Normalität? ZDFheute klärt die wichtigsten Fragen.

Wegen der starken Niederfälle ist die Donau angeschwollen. Besonders betroffen sind die Städte Regensburg und Passau. Mindestens fünf Menschen starben.

04.06.2024 | 01:46 min

Was ist ein "Jahrhunderthochwasser"?

Ein "Jahrhunderthochwasser", auch "HQ100" genannt, ist ein hydrologischer Fachbegriff, der ein Hochwasserereignis beschreibt, das statistisch gesehen nur einmal in hundert Jahren auftritt. Das H steht für Hochwasser, das Q für die Menge an Wasser, die an einer Pegelstelle durchfließt (lateinisch Quantitas). Es ist eine wichtige Größe im Hochwasserschutz und der Planung von Bauwerken und Infrastruktur.

Warum kommen "Jahrhunderthochwasser" nun häufiger vor?

Das Problem: Der statistische Mittelwert kann nur aus Daten von Hochwasserereignissen der Vergangenheit berechnet werden und unterliegt einer hohen Unsicherheit - weil solche Ereignisse eben nur selten vorkommen. Und verschiedene Faktoren wie eine veränderte Landnutzung oder Flussregulierung - aber allen voran der Klimawandel - können dazu beitragen, dass die Häufigkeit von "Jahrhunderthochwassern" steigt.
ZDFheute Infografik
Mehr
Mehr
Mehr
Dass solche Jahrhundertereignisse nun häufiger vorkommen, betrifft nicht nur Deutschland: Weltweit gab es in den vergangenen Jahren immer wieder massive Überflutungen, wie sie zuvor nur äußerst selten oder noch nie beobachtet wurden.

Was hat der Klimawandel damit zu tun?

Der Klimawandel erhöht die Wahrscheinlichkeit für solche Hochwasser-Ereignisse. Das hat mehrere Gründe:
Warme Weltmeere: Durch den Klimawandel erwärmen sich die Meere. Seit April 2023 ist die Temperatur an der Wasseroberfläche der Weltmeere höher als je zuvor. So wird viel mehr Wasser in die Atmosphäre verdunstet. Insbesondere das Mittelmeer ist seit Monaten deutlich zu warm - die Wassermassen, die in Bayern und Baden-Württemberg abregneten, stammen von dort.
Seit über einem Jahr liegen die Temperaturen der Wasseroberfläche der Meere auf Rekordniveau.Quelle: ZDF/iStock
Warme Luft kann mehr Wasser aufnehmen: 2023 war das wärmste Jahr seit Beginn der Industrialisierung, im Schnitt war es fast 1,5 Grad wärmer. Mit jedem Grad, das sich die Luft erwärmt, kann sieben Prozent mehr Feuchtigkeit in der Atmosphäre gespeichert werden. Das ganze Wasser wird natürlich irgendwo auch wieder abregnen.
Veränderte Großwetterlagen: Der Klimawandel hat auch Einfluss auf Großwetterlagen und begünstigt Situationen, in denen sich Hoch- und Tiefdruckgebiete länger an einem Ort halten. So kann es eher zu wochenlangen, sonnigen, heißen Phasen kommen - oder langanhaltendem Regen über einer Region, wie gerade jetzt in Bayern und Baden-Württemberg.

"Die Häufung solcher Wetterextremereignisse ist sehr wohl mit dem Klimawandel in Verbindung zu bringen", sagt ZDF-Meteorologin Katja Horneffer zur Hochwasserlage in Süddeutschland.

03.06.2024 | 03:34 min
Die Ursache sind wohl Veränderungen bei den Strömungen in der Atmosphäre, erklärt ZDF-Wetterexperte Özden Terli. "Die sind schon seit Jahren zu beobachten. Der Jetstream, das Starkwindband in etwa neun Kilometern Höhe, mäandert stärker." Die Folge: Die Tiefdruckgebiete ziehen nur sehr langsam, es kommt zu tagelangem Dauerregen.
Somit müssen wir uns darauf einstellen, dass es in Zukunft noch häufiger als heute zu Hochwasserlagen kommt. Denn die Aufheizung der Atmosphäre geht weiter.

Wie können wir uns vor Hochwasser schützen?

Deutschland hat in den vergangenen Jahren zwar in Hochwasserschutz investiert - Rückhaltebecken und Deiche gebaut, Polder angelegt, Schutzwände installiert. Doch weil extreme Wetterereignisse durch den Klimawandel häufiger werden, ist das vielerorts noch zu wenig: "Für solche Situationen sind unsere Hochwasserschutzmaßnahmen nicht ausgelegt", erklärt der Hydrologe Bruno Merz bei ntv.  
Auch die Versiegelung der Böden schreitet immer weiter voran, mahnt Fred Hattermann vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung am Montag im ZDF. Dennoch: Selbst mit einer Entsiegelung wäre das dramatische Hochwasser der letzten Tage "kaum zu vermeiden" gewesen.
Alle Schäden lassen sich - auch mit noch besserem Hochwasserschutz - kaum verhindern, sagen die Experten. Es gehe jetzt darum, im Notfall die kritische Infrastruktur zu schützen. Im Ereignisfall müssten die Hilfsdienste erstärkt werden und das Warnsystem besser funktionieren, so Hattermann - um eine Katastrophe mit so vielen Toten wie im Ahrtal zu verhindern.

Thema

Mehr zum Hochwasser