: Warum befindet sich die AfD im Höhenflug?

von Nicole Diekmann
26.05.2023 | 16:04 Uhr
Die AfD liegt im aktuellen ZDF-Politbarometer bei 17 Prozent - und damit erstmals seit ihrem Bundestag-Einzug vor den Grünen. Woher kommt dieser Erfolg?
Alice Weidel und Tino ChrupallaQuelle: dpa
Es begann im Herbst vergangenen Jahres - seitdem geht es für die AfD in den Umfragen kontinuierlich bergauf. Bei der Bundestagswahl gut ein Jahr zuvor hatte die Partei mit leichten Verlusten 10,3 Prozent eingefahren. Dann überfiel Russland im Februar 2022 die Ukraine, und die AfD hatte ein neues Thema, in dem sie sich als Fundamentalopposition zu allen anderen Bundestagsparteien positionierte (für die Linke gilt dies nur in Teilen). 
Mit ihrem kollektiv russlandfreundlichen Kurs steht die AfD tatsächlich allein da. So erklärt sich denn auch AfD-Co-Chef Tino Chrupalla die glänzenden Umfragewerte seiner Partei:
Wir haben ein Alleinstellungsmerkmal. Anders als die anderen sagen wir: Die Sanktionen schaden nicht Russland, sondern unserer eigenen Bevölkerung. Sie treiben die Inflation in die Höhe.
Tino Chrupalla, AfD-Vorsitzender
Projektion: Wenn am nächsten Sonntag wirklich Bundestagswahl wäreQuelle: ZDF

Reizthema Russland: Chrupallas Besuch in der russischen Botschaft

Chrupalla sorgte mit einem Besuch am 9. Mai zum Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland 1945 in der russischen Botschaft für kurze Aufregung innerhalb der eigenen Reihen. So viel Russland-Zuneigung ging denn auch zumindest einigen AfD-lern gegen den Strich: Drei Mitglieder der AfD-Bundestagsfraktion beantragten daraufhin eine Debatte in der Fraktionssitzung am vergangenen Dienstag.
Allerdings zielte ihre Kritik nicht auf den Fakt, dass Chrupalla der Einladung des Verursachers eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges nachgekommen war. Ihre Kritik lautete, "höchste Vertreter der patriotischen Opposition sollten solchen Anlässen fernbleiben. Das unkritische Feiern der eigenen Niederlage kann kein positives Geschichtsverständnis und damit ein gesundes nationales Selbstverständnis begründen", formulierten die drei Abgeordneten in dem Antrag, der dem ZDF vorliegt, der jedoch noch in der Sitzung abgeräumt wurde.

Paukenschlag vorm Verwaltungsgericht Köln: Der Bundesverfassungsschutz darf die AfD als gesamte Partei beobachten - als rechtsextremistischen Verdachtsfall.

13.03.2022 | 09:29 min

Heizungskrach der Ampel könnte AfD helfen

Seit dem Weggang von Ex-Parteichef Jörg Meuthen vermeidet die AfD möglichst jeden öffentlichen Streit. Auch das dürfte Teil der Erklärung für die Umfragewerte sein.
Andere innenpolitische Fragen, die sich aus dem Krieg in der Ukraine ergeben, sorgten und sorgen hingegen in der Ampel-Koalition für einigen und durchaus öffentlich ausgetragenen Krach: Die Abschaltung der letzten noch laufenden Atommeiler zum Beispiel. Oder aber der aktuelle, teilweise erbittert geführte Streit um das Gebäude-Energie-Gesetz aus dem Wirtschaftsministerium von Robert Habeck.
Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte hält diesen Dauerzwist vor allem zwischen FDP und Grünen für den Hauptgrund des anhaltenden AfD-Höhenflugs:
Sie legt im Moment nicht deshalb zu, weil eine Krise da ist, sondern weil Zuversicht in das Regierungshandeln fehlt.
Karl-Rudolf Korte, Politologe
Demokratie definiere sich sehr durch Hoffnung und die AfD sei eine zukunftsängstliche Empörungsbewegung, so Korte. "Sie setzt darauf, dass nichts weitergeht und fängt damit auch Ressentiments und Protest ein. Jeder fühlt sich durch das Regierungshandeln, das er sieht, bedroht, und deswegen ist das ein gutes Auffangbecken für diesen Protest."

10 Jahre AfD - Die Gründer packen aus.

31.01.2023 | 13:31 min
Hinzu kommt das wiederaufbrandende Flüchtlingsthema. Die "Flüchtlingskrise" bescherte der beinahe in die Bedeutungslosigkeit verschwundenen AfD 2015 einen dermaßen starken Aufschwung, dass der damalige Vize-Parteichef Alexander Gauland sie in einem Interview als "Geschenk" für seine Partei bezeichnete.
Seitdem ist viel passiert. Die komplette AfD wird inzwischen vom Bundesverfassungsschutz als rechtsextremer Beobachtungsfall eingestuft. Der Landesverband Thüringen wird vom dortigen Landesverfassungsschutz gar als gesichert rechtsextremistisch geführt, ebenso wie sein Vorsitzender Bjön Höcke. Jüngst erklärte der Verfassungsschutz auch die "Junge Alternative", die Jugendorganisation, der AfD als gesichert rechtsextremistisch

Landtagswahlen im Osten und die Höcke-Frage

Das aber tut der Partei weder in den nach ZDF-Informationen seit Monaten steigenden Mitgliederzahlen, noch in den Umfragen einen Abbruch. In Thüringen, Sachsen und Brandenburg holt sie derzeit Werte von bis zu 28 Prozent und steht damit an der Spitze. In allen drei Ländern werden kommendes Jahr neue Landesparlamente gewählt.
Nach ZDF-Informationen wird in der Partei bereits laut darüber nachgedacht, was man Björn Höcke bieten könne, wenn er nach seiner Spitzenkandidatur in die zweite Reihe zurücktritt. Denn man weiß: Höcke ist zwar ein Zugpferd, doch selbst vielen AfD-Anhängern zu extrem. Aber man will mitregieren; Co-Parteichefin Alice Weidel betont dieses Ziel inzwischen regelmäßig in Interviews und bei Auftritten.
Fragt sich nur, mit wem sich die AfD dafür in einer möglichen Koalition zusammentun will - oder besser: Wer mit ihr? Denn auch, wenn auf kommunaler und auch auf Landesebene vereinzelt gemeinsam abgestimmt wird - die Brandmauer der CDU steht, das betont deren Parteivorsitzender Friedrich Merz ohne Umschweife immer wieder. Sein einst erklärtes Ziel, die Hälfte der AfD-Wähler zurückzugewinnen und die AfD zu halbieren, hat er allerdings inzwischen wieder kassiert.

Die Rolle der anderen Parteien - und was die AfD stark macht

Die Realität sieht anders aus. Politologe Korte erklärt, warum: "Die CDU steht für kooperative Opposition. Ein Drittel aller Regierungsvorhaben der Ampel hat sie unterstützt. Der klassische Protestwähler, der dieses ganze System als solches ablehnt, kann sich mit einer Partei, die sich doch eher klassisch als parlamentarische Oppositionspartei darstellt, nicht anfreunden. Das ist zu angepasst." 
17 Prozent stark sei der Kern dieser das demokratische System prinzipiell Ablehnenden aber nicht, so seine Einschätzung
Die anderen Parteien haben es in der Hand, attraktive Angebote zu machen, sich anzubieten, gut zu erklären, was man politisch erreichen will. Dann wird die AfD kleiner. Die anderen sind entscheidend, nicht die AfD.
Karl-Rudolf Korte, Politologe

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