: Gipfel der Autokraten-Elite

von Felix Klauser
03.07.2024 | 10:01 Uhr
Beim Meeting der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit schwingt der Wunsch nach einer neuen, multipolaren Welt mit. Für Präsident Putin ist der Termin besonders wichtig.

In Kasachstan kommen zum Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit unter anderem Putin und Xi zusammen. Was steckt hinter dem Treffen? Die Analyse bei ZDFheute live.

03.07.2024 | 25:43 min
Die Liste derer, für die ab diesem Mittwoch im kasachischen Astana der rote Teppich ausgerollt wird, liest sich wie ein ausgewähltes Who is Who der Autokraten dieser Welt. Denn beim jährlichen Treffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit wird Russlands Wladimir Putin ebenso answesend sein, wie Chinas Xi Jinping.
Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko gibt sich die Ehre, Recep Tayyip Erdogan aus der Türkei ebenfalls. Dazu der iranische Präsident und nicht zuletzt Präsident Qassym-Schomart Tokajew aus dem Gastgeberland Kasachstan.

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Reichlich autoritäre Herrscher also, die zwei Tage lang gemeinsam Fragen der Wirtschaft und der regionalen Sicherheit erörtern wollen. Allein: Das Treffen in Astana dürfte weit mehr sein, als eine Veranstaltung mit regionalem Fokus.

Gegengewicht zur Nato

Denn die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) besteht inzwischen aus neun Staaten, die zusammen mehr als 3,3 Milliarden Einwohner umfassen. Sie stehen für rund 40 Prozent der Weltbevölkerung und mehrere Atommächte.
Vor allem aber stehen sie für den Willen, eine neue, multipolare Weltordnung aufzubauen, ein Gegengewicht zur Nato zu bilden.

Präsident Putin trifft Vertreter russlandfreundlicher Staaten in Kasachstan. Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit versteht sich als Gegengewicht zum Westen.

03.07.2024 | 01:41 min

Was ist die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit?

Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (englisch: Shanghai Cooperation Organisation, kurz SCO) hat ihren Sitz in Peking und wurde 2001 gegründet.

Mittlerweile umfasst die SCO neun Mitgliedsländer: Russland, China, Indien und der Iran sind dabei. Außerdem Kasachstan, das den diesjährigen Gipfel ausrichtet, Usbekistan, Tadschikistan, Kirgisistan und Pakistan.

Vorgängerorganisation war das 1996 gegründete, sogenannte "Shanghai Five"-Format. Ziel der SCO ist die Zusammenarbeit ihrer Mitgliedsstaaten auf wirtschafts- und sicherheitspolitischer Ebene. Beobachter sehen darin auch den Versuch, den Einfluss der NATO einzudämmen.

In diesem Jahr soll die SCO um Belarus erweitert werden – auf dann zehn Mitgliedsstaaten. Als Staaten mit "Beobachterstatus" gelten aktuell außerdem die Mongolei und Afghanistan.

Prestige für Präsident Putin

Das dürfte ganz im Interesse von Präsident Putin sein, für den der Gipfel besonders wichtig ist. Denn Auftritte auf internationaler Bühne sind für den Mann aus dem Kreml seltener geworden, seit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine und dem daraus resultierenden Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen ihn.
Doch in Astana kann sich Putin zeigen: Mehrere bilaterale Gespräche stehen an, unter anderem mit Xi Jinping und Recep Tayyip Erdogan. "Für Putin ist dieses Treffen so wichtig wie noch nie", meint Stefan Meister, Russland- und Zentralasien-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Für ihn ist es die Möglichkeit zu zeigen: Er ist nicht isoliert, er trifft sich mit wichtigen Führern dieser Welt. Und das ist für ihn eine ganz wichtige Message international, aber natürlich auch in Russland selbst.
Stefan Meister, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik

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Treffen der "Sanktionsumgeher"

Allerdings geht es für Putin nicht nur ums Prestige: Er ist wirtschaftlich und militärisch auf die anwesenden Staaten angewiesen. Es sind die Länder, die massiv an der Umgehung der Sanktionen gegen Russland beteiligt sind.
Angesichts des Drucks, den die USA und die EU auf diejenigen ausüben, die Sanktionen umgehen, ist es für Putin umso wichtiger, die SCO beim Treffen als Bollwerk gegen den Westen zu präsentieren. 

Sanktionsverletzungen und Drohungen aus dem Westen

Da ist zum einen China, das insbesondere in der Kritik steht, sogenannte Dual-Use-Güter nach Russland zu liefern. Jene Güter also, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Indien und China sind zudem wichtige Abnehmer für russisches Öl und Kohle, die Türkei und Kasachstan stehen im Verruf, massiv an der Umgehung von Sanktionen mitzuwirken.

Diejenigen, die Sanktionen verhängen - sprich: vor allem die USA und die EU - haben ihre Haltung zur Sanktionsumgehung mehrfach deutlich gemacht. Erst im Juni erneuerten die USA ihre Drohungen gegen ausländische Banken, die mit Russland zusammenarbeiten, und kündigten an, künftig auch diese zu sanktionieren. Die Warnung dürfte insbesondere in Richtung China und Indien gehen.

Indiens Premier Modi fehlt und sorgt für Verstimmung

Dass dieses Bollwerk Risse bekommt, ist dennoch nicht zu übersehen. Im Vorfeld des Gipfels sorgte Indien für Unruhe, dessen Premierminister Narendra Modi seine Teilnahme am Treffen kurzerhand absagte. Indien geht derzeit auf Distanz zu China – die globalen Ansprüche beider Länder bringen diese zunehmend auf Konfrontationskurs.
Xi Jinping (rechts) ist als erster in Kasachstan bei Gastgeber Tokayev.Quelle: ap
Bezeichnend auch, dass China’s Xi Jinping schon vor Putin anreiste, um im Vorfeld des Gipfels große Infrastrukturprojekte in der Region abzuschließen, für die China im Gegenzug Rohstoffe erhält. China zeigt Russland so, wer der mächtigere Partner in Zentralasien ist. Für Stefan Meister sind solche Machtkämpfe bezeichnend.
Es gibt kein Vertrauen zwischen diesen Ländern. Keines dieser Länder traut beispielsweise Putin über den Weg. Selbst wenn man eng kooperiert, hat das doch auch Grenzen und ist in dieser Hinsicht sehr viel Symbolpolitik.
Stefan Meister, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)

UN-Generalsekretär Guterres hat eine "Epidemie der Straflosigkeit" in Kriegen beklagt. In der Ukraine oder bei der Gewalt im Gazastreifen ignorierten Kriegsparteien Völkerrecht.

17.01.2024 | 00:22 min

UN-Generalsekretär Guterres erwartet

Hochrangiger Besuch aus dem Westen wird dem Treffen weitgehend fernbleiben. Angekündigt hat sich allerdings UN-Generalsekretär Antonio Guterres, der am Donnerstag auf dem Gipfel sprechen soll.
Im Vorfeld verkündete Guterres‘ Delegation, dass er für die Einhaltung des Völkerrechts und das Bekenntnis zur UN-Charta werben werde. Dass das bei den Mitgliedern der SCO auf großes Interesse stößt, ist wohl mehr Hoffnung als Realität.
Felix Klauser berichtet als Korrespondent über Russland, den Kaukasus und Zentralasien.

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