Exklusiv

: Kuleba: "Pessimisten gewinnen keine Kriege"

von Katrin Eigendorf, Jenifer Girke
28.06.2024 | 21:02 Uhr
Er ist der wichtigste Diplomat im Team Selenskyj und ein Meister der Selbstbeherrschung: Dmytro Kuleba über Verhandlungen mit Putin und warum er keine Angst vor Trump hat.

Im Interview erklärt der ukrainische Außenminister, dass er als Diplomat immer ein Poker Face behält. Und bereit sei, mit Russland an den Verhandlungstisch zu gehen.

27.06.2024 | 24:01 min
Es sind wichtige Tage für Ukraines Top-Diplomat Dmytro Kuleba - die Ukraine nimmt offiziell Beitrittsverhandlungen mit der EU auf. Auch wenn es viele Jahre dauern wird und momentan vor allem symbolische Wirkkraft hat, rückt damit ein lang ersehnter Traum der Ukraine ein kleines Stückchen näher.
Und obwohl er als Optimist gilt - aus dem Häuschen ist der ukrainische Außenminister deswegen nicht. Denn große Emotionen versucht er zu vermeiden - zumindest im Beruflichen. Eine wichtige Fähigkeit, auch im Umgang mit Russland, verrät er in einem exklusiven ZDF-Interview.

In Luxemburg haben die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Ukraine und Moldau begonnen. Für viele ein historischer Tag, doch ein wirklicher Beitritt scheint noch in weiter Ferne.

25.06.2024 | 01:33 min

Kuleba: der Problemlöser?

Es sind Verhandlungen mit einer Europäischen Union, die besonders nach den letzten Wahlen Anfang Juni weiter nach rechts gerückt ist, in der nicht jedes Mitglied Pro-Ukraine stimmt oder noch mehr Hilfen schicken will. Dmytro Kuleba reagiert darauf diplomatisch unaufgeregt: "Pessimismus ist unverantwortlich. Pessimisten gewinnen keine Kriege. Du musst optimistisch bleiben. Wir Ukrainer sind Optimisten, nicht weil wir rosa Brillen tragen, sondern weil wir eine andere Haltung zum Leben haben."
Diese Haltung lautet: Es gibt Probleme, damit du sie löst. Eine Beschreibung, die auch gut zu seinem Joballtag passt: "So sehen wir, was in Europa passiert. Wenn es Kräfte gibt, die die Europäische Union nicht wollen, Kräfte, die nicht wollen, dass die Ukraine mehr Unterstützung bekommt, dann musst du das lösen."

Die EU-Spitzenjobs sind größtenteils verteilt und zudem hat die EU ein Sicherheitsabkommen mit der Ukraine geschlossen. Es verspricht finanzielle und militärische Hilfen.

27.06.2024 | 02:40 min
Und fügt hinzu: Trotz aller Probleme und Spannungen müssten Europäer immer noch anerkennen, dass sie im sichersten und reichsten Teil der Welt leben.

Keine Angst vor Trump

Kulebas Prinzip der Problemlösung reicht weit über europäische Grenzen hinaus - die große Furcht in Teilen der Welt, bald eine zweite Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident zu erleben, nimmt der 43-Jährige gelassen: "Ob jemand Trump nun mag oder nicht, er war der erste US-Präsident, der die Lieferung von Waffen erlaubte."
Dass das US-Hilfspaket monatelang im Senat feststeckte, habe zwar direkte Auswirkungen auf die Situation an der Front gehabt, aber letztendlich hätten die Erfahrungen mit Trump gezeigt: "Es hat einige Probleme gegeben, die unlösbar schienen und sie wurden gelöst."

Der US-Senat billigt Milliarden-Hilfen für die Ukraine. ATACMS-Raketen sind bereits im Einsatz. Stärkt das die Abwehr gegen Russland? ZDFheute live mit Militärexperte Gressel.

25.04.2024 | 36:47 min

Selbstbeherrschung - die Waffe seiner Diplomatie?

Die Ruhe bewahren, nüchtern und sachlich argumentieren - für einen Außenminister eines Landes, das sich in einem Angriffskrieg befindet, keine leichte, aber eine wichtige Aufgabe. Auch Kuleba hat ein Pokerface, verrät er im Interview, und versteht es, sich nichts anmerken zu lassen - Selbstbeherrschung, die Waffe seiner Diplomatie?
Gründe, wütend zu sein, hätte Kuleba sicher genügend, aber: "Normalerweise ist Wut und seine Wut zu zeigen, ein Zeichen von Schwäche und wird gegen dich verwendet. Das möchte ich nicht. Mein Land kann sich keinen schwachen Minister leisten."

"Wir haben ein sehr vertrauensvolles Verhältnis mit vielen Ländern aufgebaut und wenn uns ein Land bittet, die Reichweite der Waffen auf ein bestimmtes Gebiet einzugrenzen, dann tun wir das", so Dmytro Kuleba, Außenminister der Ukraine.

03.11.2023 | 07:22 min
Das Ziel vor Augen haben, wissen, wofür man kämpft - oder eben verhandelt: Das befähigt den ukrainischen Außenminister dazu, auch mit den feindlichsten Parteien, eine gemeinsame Gesprächsebene zu suchen.

Kuleba will "das Verhalten Russlands ändern"

Aber auch mit Russland? Mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow? Das kam in der Vergangenheit bereits vor, berichtet Kuleba. Seine Strategie: Alle Emotionen loslassen, bevor er den Raum betritt, um in keinem Moment die Konzentration zu verlieren: "Wenn ich über die Frage des Friedens, des Wiederaufbaus der Ukraine, über die Frage des Lebens der Ukrainer entscheiden muss, kann ich auch mit dem Teufel sprechen. Und werde innerlich nicht kochen, weil der Zweck wichtiger ist als meine Emotionen."
Im Friedensprozess muss und wird Russland ein Teil der Verhandlungen sein, davon ist Kuleba überzeugt: "Wir werden uns beim Gipfel auch mit Russland an einen Tisch setzen. Das wird zur Beendigung des Krieges führen. Unsere Strategie besteht also darin, das Verhalten Russlands zu ändern, indem wir sie davon abbringen, Ultimaten zu stellen, und sie dazu zu bringen, in guter Absicht zu verhandeln."
Es sei ein großer Unterschied zwischen verhandeln und in guter Absicht zu verhandeln - erst wenn Russland zu Letzterem bereit ist und den Krieg zu - im ukrainischen Sinne - fairen Bedingungen beenden will, wird man einen "zweiten Gipfel mit ihnen abhalten".
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