: Gas-Stopp: Warum Putins Plan nicht aufging

31.08.2023 | 09:08 Uhr
Vor einem Jahr drehte Putin Europa den Gashahn zu. Sein Kalkül: Druck auf Deutschland und die EU ausüben. Auch wenn weiter LNG fließt - das Ziel des Kremls ist nicht aufgegangen.
Lieferte jahrelang Gas von Russland nach Europa: die Pipeline Nord-Stream. (Archivbild)Quelle: epa
Vor einem Jahr schockierte der russische Machtapparat die Abnehmer in der EU mit einem Gaslieferstopp. Erst führte Moskau eine nach Wartungsarbeiten in Kanada fehlende Gasturbine als Grund dafür an, die Lieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 zurückzufahren. Dann wurde die Gaslieferungen wegen Wartungsarbeiten ganz eingestellt und wegen eines mutmaßlichen Öllecks in der Kompressorstation Portowaja nicht wieder aufgenommen.
Am 31. August 2022 floss zum bislang letzten Mal Erdgas durch die Ostseeleitung, allerdings in kaum noch nennenswerter Menge: 235.000 Kilowattstunden, der Jahresverbrauch von gut 21 Haushalten in Deutschland. Die EU beschuldigte Gazprom damals, die von Russland nach Deutschland verlegte Pipeline unter falschen Vorwänden stillzulegen.
Der "Gaspreis hat sich hierzulande erholt", erklärt Frank Bethmann:

Nachdem Putin vor genau einem Jahr den Gashahn zudrehte, ist Deutschland unabhängig von russischem Gas. Wie hat sich der Gaspreis seitdem entwickelt? Frank Bethmann berichtet.

31.08.2023 | 01:18 min

Moskau wollte Druck ausüben - und scheiterte

Russland wollte durch den Lieferstopp vor allem den Druck erhöhen auf Deutschland und die EU, die im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vom Westen verhängten Sanktionen zu lockern. Schon im Mai 2022 hatte Russland den Transport durch die Pipeline Jamal-Europa komplett eingestellt. Moskaus Kalkül war es, durch die fehlenden Gasmengen den Preis weiter in die Höhe zu treiben.
Der war bereits seit dem Herbst 2021 durch die wieder anziehende Weltkonjunktur und später durch den Krieg in große Höhen geschnellt. So wollte der Kreml erreichen, dass die fertige Ostseepipeline Nord Stream 2 doch noch in Betrieb genommen wird. Kremlchef Wladimir Putin warb, damit würden viele Probleme auf einmal gelöst - und vor allem die Preise für europäische Verbraucher sinken.
Laut Recherchen von ZDF frontal und "Spiegel" führen die Spuren in die Ukraine:

25.08.2023 | 36:08 min
Doch Deutschland stellte klar, sich nicht erpressen zu lassen. Noch bevor dann unter etwaigem Druck der Europäer die Ostseepipelines (wieder) hätten in Betrieb genommen werden können, sprengten Ende September in der Nähe der Ostsee-Insel Bornholm Saboteure beide Stränge von Nord Stream 1 und einen von Nord Stream 2. Die Ermittlungen zu den Tätern laufen.

Russland liefert Flüssiggas nach Europa

Der Schaden der ausbleibenden Gaslieferungen für den russischen Gasmonopolisten Gazprom ist immens. Zwar nimmt China deutlich mehr Gas ab als je zuvor - aber zu vergleichsweise niedrigen Preisen. Einen Ersatz für den EU-Markt konnte Russland bisher nicht finden, auch wenn es weiterhin Flüssigerdgas (LNG) in die EU verkaufen kann.
65 bis 75 Prozent des angestammten Marktes in der EU könnten nach Meinung russischer Analysten für Gazprom für immer verloren sein. Für die Verbraucher in Deutschland hat sich die Erdgas-Versorgungslage ein Jahr nach dem Zudrehen des Gashahns hingegen entspannt. "Die Gasflüsse nach Deutschland sind stabil und ausgeglichen", stellt die Bundesnetzagentur fest.
Vor allem aus Norwegen, Belgien und den Niederlanden fließt Gas durch Pipelines nach Deutschland. Hinzu kommen kleinere Mengen über drei neue LNG-Terminals in Nord- und Ostsee. Weitere sollen folgen.
ZDFheute Infografik
Wie voll die deutschen Gasspeicher aktuell sind:
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Die Großhandelspreise sind in der Zwischenzeit deutlich gesunken, in der Folge geben viele Versorger die niedrigeren Einkaufspreise auch an Endkunden weiter. Die Speicher in Deutschland sind mehrere Wochen vor Beginn der Heizperiode bereits zu 94 Prozent gefüllt, Tendenz steigend. Entwarnung geben mögen Experten gleichwohl nicht: Ein harter Winter könnte die Speicher schnell leeren.
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Quelle: Ulf Mauder und Helge Toben, dpa

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