: Atommacht Iran: Bedrohung oder Entschärfung?

von Jenifer Girke
05.05.2024 | 20:32 Uhr
Nach der jüngsten Eskalation zwischen Israel und Iran bangt die Welt einmal mehr um Stabilität in der Region. Ein Blick auf die Hauptplayer in Nahost und der atomaren Bedrohung.
Mitte April hielt die Welt den Atem an. Der Iran tat etwas, was er zuvor noch nie gewagt hatte - ein direkter Angriff auf Israel. Israel hat reagiert. Auch wenn ein Flächenbrand verhindert werden konnte, haben diese Ereignisse weitreichende Folgen auf die Region, Europa, die ganze Welt. "Iran: Wohin steuert das Mullah-Regime?", dieser Frage gehen die Jounalistinnen Golineh Atai, Katrin Eigendorf und Jagoda Marinić nach.

Israel-Iran: Ein Schattenkrieg wird offenbart

Es hat einen jahrelangen, wenn nicht jahrzehntelangen Krieg zwischen diesen beiden Ländern gegeben - einen Schattenkrieg.
Golineh Atai, Leiterin des ZDF-Studios für die arabische Welt in Kairo.
Atai ist in Iran geboren und eine Kennerin der Region. Mit dem Angriff Irans auf Israel am 13. April mit über 300 Drohnen und Raketen wurde die Konfrontation zum ersten Mal offen ausgetragen: "Das ist für viele ein sehr einschneidender Moment gewesen", so Atai.
"Wir haben hier eine Eskalation erlebt, die die Welt einen Moment innehalten gelassen hat, mit großem Schreck. Denn es gab die durchaus realistische Befürchtung, dass es zu einem offenen Krieg im Nahen Osten kommt. Das ist abgewendet worden", sagt ZDF-Sonderkorrespondentin Katrin Eigendorf, die immer wieder in Kriegs- und Krisengebiete reist.

Der Rapper Toomaj Salehi hatte die landesweiten Proteste 2022 unterstützt und systemkritische Songs veröffentlicht. Das iranische Regime hat den Musiker nun zum Tode verurteilt.

26.04.2024 | 02:33 min

Hilfe von sunnitisch-arabischen Staaten für Israel

Israel konnte nach eigenen Angaben fast alle Drohnen und Raketen abfangen - weil die Streitkräfte vorbereitet waren und gewarnt wurden. Und das nicht nur von engen Partnern, wie den USA:
Was Iran sicherlich erstaunt haben mag, ist die Tatsache, dass ja auch einige arabische Staaten sich auf die Seite Israels gestellt haben.
Katrin Eigendorf, ZDF-Sonderkorrespondentin
Saudi-Arabien und die Emirate haben geheimdienstliche Informationen an die USA und an Israel weitergegeben. Es habe also eine Kooperation gegeben zwischen den sunnitisch-arabischen Staaten, so Golineh Atai.

Nach den gegenseitigen Angriffen Israels und des Iran bleibt die Lage in Nahost angespannt. Die von Israel angekündigte Bodenoffensive in Rafah rückt offenbar näher.

24.04.2024 | 05:50 min
All das geschah unter amerikanischer Führung - Beobachter sehen darin einen wichtigen Test für die Unterzeichner der Abraham-Abkommen. Die sollten eine Kooperationsgrundlage schaffen, wie ein Bündnis zwischen Israel, USA und sunnitisch-arabischen Staaten in der Region aussehen könne, so Atai. Allerdings: Jordanien war der einzige arabische Staat, der offen zugab, iranische Drohnen abgefangen zu haben.
"Natürlich ist es so, dass die Saudis und die Emiratis das nicht offen zugegeben haben", sagt Atai - vor allem nicht gegenüber der eigenen Bevölkerung. Doch die Sorge vor einer Eskalation und vor noch mehr Chaos in der Region überwiegte.

Was sind die Abraham-Abkommen?

Die Abraham Accords Declaration ist ein diplomatisches Dokument, das eine Reihe von Staaten im Zuge ihrer Nahostpolitik am 15. September 2020 unterschrieben haben. Es soll den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den Staaten bestärken und in der Vergangenheit bestehende feindliche Einstellungen beenden.

Die Deklaration wurde im Zuge einer diplomatischen Annäherung Israels mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain unter Mitwirken der Vereinigten Staaten von Amerika formuliert.

Eigendorf: Europa hat atomare Bedrohung von Iran unterschätzt

Das würde sehr schnell geschehen, wenn Iran sein atomares Bedrohungspotenzial weiter ausbaut.
Ich glaube, wir müssen uns heute auch selbstkritisch fragen.
Katrin Eigendorf, ZDF-Sonderkorrespondentin
Das iranische Regime wolle seine eigene Macht erhalten. Europa und der Westen habe das nicht genug gesehen.

Atai: Iran kann "Dirty Bomb" bereits bauen

Die Beschwichtigungspolitik wurde nicht nur seitens Israelis kritisiert, sondern auch von vielen Iranern und Iranerinnen, sagt Atai. Und antwortet auf die Frage, wie bereit der Iran ist, eine Atombombe herzustellen: "Äußerungen der iranischen Führung lassen darauf schließen, dass jetzt schon eine nukleare Kapazität besteht oder sehr, sehr bald bestehen könnte."
Ich gehe davon aus, dass es jetzt schon genug Material gibt, um so eine Art Dirty Bomb zu haben.
Golineh Atai, ZDF-Korrespondentin

Neben Raketen und Drohnen des Iran ist die größte Bedrohung für die Existenz Israels vor allem das Atomprogramm der Mullahs. Wie groß ist die Gefahr einer nuklearen Eskalation?

21.04.2024 | 03:18 min
Die Angst vor Iran als Kriegstreiber scheint Staaten zu einen - USA, Israel, Teile der arabischen Welt. Und darin liegt auch eine Chance, sich noch stärker um Stabilität in der Region zu bemühen. Aber: Ohne eine Lösung der Palästina-Frage wird dieses Ziel nicht zu erreichen sein. Bleibt für Deutschland, für Europa, die wichtige Frage, die Eigendorf selbst in der Folge stellt: Wie sollten wir uns als Europäer positionieren, um diesen Prozess voranzubringen?
Die Antwort darauf und weitere Aspekte können Sie in der aktuellen Folge hören - auf Spotify, Apple Podcasts, Deezer, Google Podcast - überall, wo es Podcasts gibt.
Jenifer Girke ist Redakteurin und Reporterin beim ZDF auslandsjournal.

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