: Netanjahus Macht in Israel wankt

04.04.2024 | 14:45 Uhr
Politischer Druck von innen und außen, dazu Kämpfe in Gaza mit vielen Opfern und dann noch Geiseln, die ihrem Schicksal überlassen sind. Benjamin Netanjahu scheint angezählt.
Benjamin Netanjahu verliert immer mehr Rückhalt in der israelischen Bevölkerung.Quelle: picture alliance / photothek
"Es ist vorbei für Bibi", ist sich der Politologe Emmanuel Navon sicher. In seinen drei Jahrzehnten an der Macht wurde die politische Karriere des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu schon oft für beendet erklärt. Doch nun scheinen die Tage für "Bibi", wie er in Israel allgemein genannt wird, tatsächlich gezählt.
Täglich demonstrieren Tausende Menschen in Israel gegen Netanjahus Kriegsführung im Gazastreifen. Der derzeit in Umfragen führende Oppositionspolitiker Benny Gantz fordert mittlerweile offen vorgezogene Neuwahlen. Für die Parlamentswahl müsse "einvernehmlich" ein Datum im September festgelegt werden.
Gantz habe Netanjahu, dessen nationale Einheitsregierung der beliebte Oppositionspolitiker nach dem beispiellosen Hamas-Angriff 7. Oktober beigetreten war, über die Absichten seiner Partei informiert.

Die Bevölkerung in Israel verlangt, "dass Netanjahu das Thema Geiseln priorisiert", so Nahost-Experte Daniel Gerlach. Die beiden Ziele, "die Geiseln zu befreien und die Hamas zu vernichten", seien jedoch nicht komplementär.

02.04.2024 | 06:19 min

Kritik an der Kriegsführung im Gaza-Streifen

Auch die internationale Kritik an Netanjahus Kriegsführung wird immer lauter. Nach dem Tod von sieben Mitarbeitern einer humanitären Hilfsorganisation bei einem israelischen Luftangriff im Gazastreifen am Montag sprach UN-Generalsekretär António Guterres von einem "skrupellosen" Angriff und einer "unvermeidlichen Folge der Art und Weise, in der dieser Krieg geführt wird". 
Netanjahu hingegen ließ kein Mitgefühl erkennen. Den Tod der Helfer kommentierte er mit den Worten:
So etwas passiert im Krieg.
Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel
Der Krieg zwischen Israel und der Hamas war durch deren brutalen Überfall auf Israel am 7. Oktober ausgelöst worden, bei dem nach israelischen Angaben etwa 1.160 Menschen getötet sowie rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Israel geht seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, inzwischen rund 33.000 Menschen getötet.

Nach dem Tod von sieben Mitarbeitern einer Hilfsorganisation im Gazastreifen wächst international die Kritik an Israel. Elmar Theveßen und Michael Bewerunge berichten.

03.04.2024 | 02:32 min

Nur noch vier Prozent der Israelis vertrauen Netanjahu

"Netanjahu ist schon oft politisch zu Grabe getragen worden und hat sich wieder aufgerappelt", sagt der Politikwissenschaftler Navon, einst selbst Mitglied in Netanjahus Likud-Partei.
Aber dieses Mal ist es wegen des 7. Oktober anders. Es ist nicht mehr dasselbe Land.
Emmanuel Navon, Politologe
Nur noch vier Prozent der Israelis vertrauen ihrem Regierungschef, wie eine Umfrage Ende vergangenen Jahres ergab. Der einst kraftstrotzende Netanjahu ist nicht nur politisch, sondern auch körperlich angeschlagen. "Er ist 74 Jahre alt, treibt keinen Sport, hat einen sehr schweren Job und hat sich vor sechs Monaten einen Herzschrittmacher einsetzen lassen", bilanziert Navon.

Angehörige der Geiseln üben scharfe Kritik

Bei einer Fernsehansprache am Samstag wirkte Netanjahu gebrechlich, blass und zerstreut. Selbst seine ehemalige Ministerin und Parteifreundin Limor Livnat nannte den Auftritt "katastrophal". Der Regierungschef sehe aus "wie ein verängstigter Tyrann", schrieb die linke Tageszeitung Haaretz.

Tausende Israelis haben in Tel Aviv gegen ihren Ministerpräsidenten Netanjahu protestiert. Sie fordern Neuwahlen, da Netanjahu zu wenig für die Freilassung der Hamas-Geiseln tue.

31.03.2024 | 01:49 min
Zu den schärfsten Kritikern des Regierungschefs zählen die Familien der 134 Geiseln, die die radikale Palästinenserorganisation noch immer im Gazastreifen gefangen hält. Es war bereits die vierte Protestnacht in Folge. Dabei schlossen sich die Angehörigen der Geiseln mit regierungskritischen Demonstranten zusammen, die im vergangenen Jahr neun Monate lang auf die Straße gegangen waren, um die umstrittene Justizreform zu verhindern.

Protest gegen Netanjahu: "Sie sind der Verräter"

Trotz der wachsenden Wut über den Regierungschef hält seine Partei bisher an Netanjahu fest. Navon vergleicht Netanjahus Einfluss auf den Likud mit dem von Ex-US-Präsident Donald Trump auf die Republikaner.
Nur mit ihm sei das Land sicher, hatte Netanjahu die Israelis glauben gemacht - ein Versprechen, das sich am 7. Oktober als hohl erwies. So wirft die Geisel-Angehörige Zangauker Netanjahu bei der Demonstration am Dienstagabend vor:
Sie haben die Hamas genährt und großgemacht.
Einav Zangauker, Mutter einer Geisel
Mit den Worten erntet sie tosenden Applaus. Und weiter: "Es ist alles Ihre Schuld, Sie sind der Verräter."
Quelle: Fiachra Gibbons und Benoit Finck, AFP

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