: Diese Russen könnten Putin herausfordern
Es ist die wohl ungewöhnlichste Ankündigung bisher: Jekaterina Duntsowa erklärte Mitte November, sie wolle zur Präsidentschaftswahl 2024 antreten. Praktisch niemand hatte je von ihr gehört.
Jekaterina Duntsowa: Die Unbekannte
Duntsowa ist Journalistin und lebt in der Region Twer, knapp 200 Kilometer von Moskau entfernt. Nennenswerte Erfahrung in der russischen Politik hat sie nicht. Sie gehört auch keiner Partei an. Auf der Plattform VKontakte schreibt sie:
Warum habe ich diese Entscheidung getroffen? Ich liebe unser Land, ich möchte, dass Russland ein blühender, demokratischer und friedlicher Staat ist.
Sie trete ein für "demokratische Werte, Frieden und Freiheit für politische Gefangene", sagte Duntsowa der Internetzeitung "Moscow Times". Das sind mutige Worte, in Zeiten, in denen es schon reicht, einen kritischen Post zum Krieg gegen die Ukraine zu liken, oder sich in Farben der Ukraine-Flagge zu kleiden, um wegen "Diskreditierung der Armee" verklagt zu werden.
Vor der Präsidentschaftswahl im März versucht Putin, international neue Partner für militärische Kooperation zu gewinnen, sagt ZDF-Korrespondent Armin Coerper. Damit wolle er "nach innen punkten".
07.12.2023 | 09:35 minTatsächlich soll Duntsowa prompt von der Staatsanwaltschaft vorgeladen worden sein. Vor wenigen Tagen wurde ihr Bankkonto eingefroren. Experten wie der russische Politikwissenschaftler Abbas Galljamow glauben jedoch nicht, dass Duntsowa Russlands Oppositionelle hinter sich versammeln kann. Im Gegenteil. Auf Telegram schreibt Galljamow:
Das ist eine Katastrophe für das gesamte Oppositionslager. Wie soll man später argumentieren, dass die Mehrheit im Land gegen den Krieg ist, wenn die Anti-Kriegs-Kandidatin nur fünf Prozent gewann?
Bevor die 40-Jährige offiziell ins Rennen um die Präsidentschaft einsteigen kann, warten noch weitere Hürden. Etwa muss sie 300.000 Unterschriften aus mindestens 40 russischen Regionen sammeln. Das dürfte für eine Newcomerin wie sie kaum zu schaffen sein.
Grigori Jawlinski und Boris Nadeschdin: Die Liberalen
Dann gibt es die Kandidaten, die es alle Jahre wieder versuchen. Allen voran: Grigori Jawlinski. Er gründete 1993 die liberale Jabloko-Partei und trat seitdem drei Mal bei Präsidentschaftswahlen an. Auch er ist erklärter Kriegsgegner. So forderte er erst vor wenigen Tagen in der unabhängigen russischen Tageszeitung Nowaja Gazeta:
Stoppt das Töten! Wie schon vor einem Jahr versteht fast niemand - oder spricht es nicht laut aus - dass (…) die Fortsetzung der Militäraktion keine positiven Aussichten hat.
Auch er habe kaum eine Chance, zum Kandidaten des russischen Widerstands zu werden, so Galljamow. Denn es gebe noch einen weiteren Kandidaten der Opposition - den Liberalen Boris Nadeschdin. Dadurch werde die "Protestwählerschaft halbiert und die Wahlbeteiligung der Opposition gesenkt." Galljamow auf Telegram:
Sowohl Nadezhdin als auch Jawlinski haben einen Ruf als 'Kremlpuppen'. Sie tun nichtmal so, als könnten sie gewinnen und agieren als eine Art liberale 'Prügelknaben'.
Igor Girkin: Der Ultranationalist
Igor Girkin konnte sich lange auf die Gunst Wladimir Putins verlassen, selbst wenn er die russische Politik und Kriegsführung harsch kritisierte. Seine Vita liest sich wie die eines Bösewichts im Spionageroman. Bis 2013 war er Offizier beim Inlandsgeheimdienst FSB. 2014 leitete er den Aufstand prorussischer Separatisten im ukrainischen Donbass. Er soll mitverantwortlich sein für den Abschuss der Passagiermaschine MH17 - in den Niederlanden wurde er dafür verurteilt.
"Frontal" berichtete über den Abschuss von Flug MH17 im Juli 2014 über der Ostukraine. Dabei starben 298 Menschen. Ein Strafgericht in den Niederlanden hat drei ehemals hochrangige pro-russische Separatisten verurteilt.
18.11.2022 | 03:43 minIn Russland lebte Girkin lange unbehelligt. Im Sommer allerdings, kurz nach dem Aufstand der Wagner-Söldner unter Jewgeni Prigoschin, wurde Girkin wegen angeblicher Aufrufe zu Terroraktionen festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. In einem schriftlichen Interview mit dem russischen Portal Baza äußerte er die Sorge, ebenso zu enden wie Prigoschin, der den Spitznamen "Putins Koch" trug.
Meine größte Befürchtung ist, dass ich statt der üblichen strafrechtlichen Verfahren auf die gleiche Weise 'amnestiert' werde wie der 'Koch'.
Trotz seiner Inhaftierung kündigte er an, Putin bei den russischen Präsidentschaftswahlen 2024 herauszufordern. Am 7. Dezember aber verlängerte ein Moskauer Gericht seine Untersuchungshaft um sechs Monate und hinderte ihn damit effektiv an der Kandidatur.
Nina Niebergall berichtet als Korrespondentin über Russland, die Kaukasus-Region und Zentralasien.