: Slowakischer Rundfunk vor dem Aus

von Christian von Rechenberg, Wien
06.05.2024 | 08:51 Uhr
Weil ihnen der unabhängige öffentlich-rechtliche Sender RTVS mutmaßlich zu unbequem ist, will ihn die Regierung von Robert Fico auflösen. Der Aufschrei ist gewaltig. Und die Angst.

In der Slowakei protestieren die Menschen gegen eine Rundfunk-Reform der Regierung, die die Medien staatlich kontrollieren will. Journalistenverbände sprechen von Zensur.

03.05.2024 | 02:32 min
Es sind wieder Tausende, die sich auf dem Freiheitsplatz im Herzen Bratislavas versammeln. "Hände weg von RTVS" steht auf einem Plakat. Man sieht slowakische Fahnen, und ernste Gesichter. Sie sind gekommen, um ihren öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den RTVS, zu verteidigen. Gegen die eigene Regierung.
Wir wollen, dass hier weiter die Meinungsfreiheit existieren kann. Damit Fakten wichtig sind, nicht nur Meinungen.
Petra, Protestierende

In der Slowakei haben erneut Zehntausende gegen die geplante Strafrechtsreform demonstriert. Auch das EU-Parlament hat das Vorhaben in einer Resolution verurteilt.

19.01.2024 | 00:21 min

Aushöhlen der Demokratie in der Slowakei

Schon lange versuche die linksnationale slowakische Regierung, unter ihrem autoritären und populistischen Regierungschef Robert Fico, die unabhängigen Medien zu schwächen, sagen Ficos Kritiker. Nun sei sie einen entscheidenden Schritt gegangen: Sie will den öffentlich-rechtlichen Sender RTVS auflösen.
Das ist sicherlich nicht prodemokratisch und nicht prowestlich und wir haben natürlich sehr große Angst.
Soňa, Protestierende
Bereits im Herbst hatte Fico die Korruptionsbekämpfung geschwächt, und die Strafen für Wirtschaftskriminalität gelockert. Womöglich, so Kritiker, um Ermittlungen gegen die eigene Partei abzuwehren. Nun habe er die Medien im Visier. Sein Ziel sei der autokratische Staat im Stile seines ungarischen Freundes Viktor Orbán.
Wir sind seit 20 Jahren in der EU und niemand hätte gedacht, das so etwas passiert. Aber es passiert. Also müssen wir was unternehmen.
Matej, Protestierender

Europa war für Ungarn, Slowenen, Tschechen und Slowaken das Versprechen von Freiheit, Wohlstand und Sicherheit. Was ist daraus geworden, was hat sich in 20 Jahren EU verändert?

25.04.2024 | 44:15 min

Vorwurf: RTVS nicht objektiv

Die Regierung verkauft die Zerschlagung von RTVS als Rettungstat: Man wolle Objektivität sicherstellen, die der Sender derzeit nicht böte. Angeblich seien die Journalisten politisch voreingenommen, obwohl Umfragen das genaue Gegenteil bestätigen. Doch für Fico ist nur ein regierungsfreundlicher Sender auch ein guter Sender.
Fernsehen und Radio können nicht objektiv sein, denn sie sind im Konflikt mit der slowakischen Regierung.
Robert Fico, Regierungschef Slowakei
Beim Angriff auf RTVS geht es Fico vor allem um den Mann an der Spitze, Generaldirektor Ľuboš Machaj. Eigentlich ist der vom Parlament bis 2027 gewählt - durch die Zerschlagung des Senders kann ihn Fico früher loswerden.
Es gibt keinen Grund, den Sender zu zerschlagen. Es sei denn, man will die Führung loswerden.
Ľuboš Machaj, RTVS-Direktor

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban bekommt Gegenwind. Peter Magyar positioniert sich zunehmend als Gegner. Bei den Unzufriedenen im Land kommt er gut an.

24.04.2024 | 06:35 min

Mehr Einfluss auf den Rundfunk

Durch das geplante Gesetz, das Fico am 25.4.2024 vorgestellt hatte, würde der bisherige Sender RTVS aufhören zu existieren. Er würde durch einen neuen ersetzt, der dann STVR heißen soll. Ein neu gegründeter Verwaltungsrat wählte dann die neue Hausspitze.
Wer im künftigen Verwaltungsrat säße, kann die Regierung faktisch selbst bestimmen. Außerdem soll künftig ein sogenannter Ethikrat über die Objektivität des Senders wachen. Zwei neue Institutionen - zwei Hintertüren. Der Einfluss der Regierung werde "insgesamt sehr stark sein", sagt Adam Solga, Medienwissenschaftler der Universität Bratislava.
Das ergibt sich unmittelbar aus dem neuen Gesetz. Dann gibt es weitere Gefahren: zum Beispiel wie sich der Ethikrat zusammensetzen wird und inwieweit er in die Arbeit der Journalisten eingreifen wird.
Adam Solga, Medienwissenschaftler Universität Bratislava

Er täuscht seine Gegner, verbreitet Angst und Schrecken und gibt sich als neuer Zar. Wladimir Putin herrscht mit eisernen Mitteln. Ist Russlands Präsident wirklich unberechenbar?

15.03.2024 | 21:10 min

Parlament entscheidet im Sommer

Ob das neue Gesetz kommt oder nicht, entscheidet das Parlament. Hier hat Ficos Regierungskoalition die Mehrheit. Die entscheidende Abstimmung wäre im Sommer. Dann muss Fico auch nicht das Veto des neuen Präsidenten fürchten. Der im April gewählte Peter Pellegrini wäre dann im Amt - ein enger Verbündeter Ficos.
Das öffentlich-rechtliche Fernsehen soll weiter existieren - zumindest pro forma öffentlich-rechtlich. Aber es soll so ein staatliches Medium werden. Es geht um einen wirklich starken Eingriff.
Adam Solga, Medienwissenschaftler Universität Bratislava
Auf dem Friedensplatz werden sie weiter demonstrieren. Immerhin haben ihre Proteste seit März erreicht, dass die offensichtlichsten Versuche der Einflussnahme aus dem Gesetzestext herausgenommen wurden. Vielleicht, so hoffen sie hier, kann man noch mehr erreichen, wenn der Protest weiter anhielte.
Christian von Rechenberg ist Korrespondent im Studio Wien.

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