Interview

: Israel fürchtet Raketenangriffe aus Iran

06.04.2024 | 21:53 Uhr
Seit Wochen spitzt sich die Lage im Nahen Osten zu. Wie groß ist die Bedrohung für Israel durch Iran? Und wie groß der innenpolitische Druck auf die Regierung?

Nahost-Experte Gil Yaron im Interview mit ZDFheute live.

05.04.2024 | 09:33 min
Nach dem israelischen Angriff auf die iranische Botschaft in Syrien ist die Spannung zwischen den beiden Staaten auf einem neuen Hoch. Revolutionsgarden-Kommandeur Hossein Salami erklärte in Richtung Israel, keine Drohung werde unbeantwortet bleiben.
Im Interview mit ZDFheute ordnet Nahost-Experte Gil Yaron die aktuelle Lage im Konflikt im Nahen Osten ein und erklärt die innenpolitische Situation von Regierungschef Benjamin Netanjahu.
Sehen Sie das ganze Interview oben im Video oder lesen Sie hier Auszüge.

Gil Yaron ...

Quelle: ZDF
... ist Leiter des Büros des Landes NRW für Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Jugend und Kultur in Tel Aviv. Yaron kam 1973 als Sohn deutschstämmiger Israelis in Haifa zur Welt und wuchs in Düsseldorf auf. Nach einem Studienaufenthalt in den USA kehrte Gil Yaron nach Israel zurück, um in Jerusalem an der Hebrew University Medizin zu studieren. Bis zu seiner Promotion 2006 forschte und veröffentliche er zudem im Feld der Molekularbiologie.

 

Yaron studierte Arabisch und Politik in Givat Haviva und an der Hebräischen Universität und schrieb für eine Vielzahl hebräischer, deutsch- und englischsprachiger Medien, zuletzt als Israel-Korrespondent.

(Quelle: NRW Infopunkt Israel)

Das sagt Gil Yaron zu ...

… der aktuellen Gefahr für Israel

Yaron erklärt, in Israel schätze man die Gefahr aktuell als sehr groß ein. Man habe beispielsweise den Fronturlaub für alle Soldaten annulliert, Reservisten für die Flugabwehr eingezogen und alle Streitkräfte in höchste Alarmbereitschaft versetzt.  
Man hat Angst vor einem Vergeltungsschlag der Iraner.
Nahost-Experte Gil Yaron
Auch im Ausland werden Yaron zufolge gegenwärtig israelische und jüdische Einrichtungen verstärkt vor potenziellen Angriffen geschützt.   

… der Einmischung Irans in den Nahostkonflikt

Der Iran rüste nicht nur die Milizen in der Region aus, sondern gäbe auch direkte Anweisungen an sie heraus. Von der Hisbollah im Libanon, über pro-iranische Milizen in Syrien und Irak bis zu den Huthi-Rebellen im Jemen. 
 
Aus israelischer Sicht ist der Iran sehr aktiv involviert in den Konflikt.
Nahost-Experte Gil Yaron
Alle diese Gruppierungen beschießen Israel mit Raketen, Drohnen und Marschflugkörpern. So gesehen sei der Iran sehr aktiv in diesen Konflikt involviert, er bringe sich nur nicht selbst ein, aus Angst vor israelischen Vergeltungsschlägen. 

Die USA und Israel sind wegen Vergeltungsdrohungen des Irans in Alarmbereitschaft. Auslöser ist ein mutmaßlich israelischer Luftangriff auf die iranische Botschaft in Damaskus.

06.04.2024 | 00:27 min

… der Möglichkeit eines ausgeweiteten Krieges Israels mit der Hisbollah

Die Hisbollah sei aktuell schon sehr aktiv in diesen Krieg involviert, sagt Yaron. Israels Nordgrenze werde seit dem 8. Oktober täglich beschossen, inzwischen seien es gar dutzende Raketen pro Tag, die im Norden einschlagen. Es komme täglich zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hisbollah. "Das alles ist noch ein begrenzter Krieg (…) die Frage ist: Wird die Hisbollah jetzt noch aktiver?"  
Ein ausgedehnter Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon sei definitiv eine Möglichkeit, auf die sich Israel aktuell vorbereite, so Yaron. 

… den GPS-Störungen in Israel

GPS-Störungen sind, wie Yaron beschreibt, im Norden des Landes für viele Israelis seit Monaten gelebter Alltag. Für Autofahrer sei es daher schwierig zu navigieren. Gibt man beispielsweise eine Adresse in Tel Aviv ein, sähe es so aus, als befände man sich in Beirut. Hintergrund ist, dass die Hisbollah bei ihren Angriffen auch auf GPS-gesteuerte Drohnen und Marschflugkörper setzt. 
Diese Signale möchte man stören, damit es der Hisbollah nicht gelingt Präzisionsschläge durchzuführen.
Nahost-Experte Gil Yaron
Das Gebiet dieser Störungen wurde nun vom Norden bis nach Tel Aviv ausgeweitet. Dies sei auch aus Angst vor Raketenangriffen direkt aus Iran geschehen, bei denen mit deutlich fataleren Folgen zu rechnen wäre.   

Die vollständige Zerstörung der Hamas sei "eine Illusion", sagt der israelische Historiker Moshe Zimmermann. Deswegen sei das Verlangen nach einem Ausweg "sehr berechtigt".

05.04.2024 | 06:31 min

… der innenpolitischen Lage Netanjahus

Wie Yaron erklärt, müsse man aktuell unterscheiden zwischen der Bewertung Netanjahus und seiner Politik. Demnach seien zwar seine Beliebtheitswerte auf einem absoluten Tiefstwert angekommen, "seine Positionen aber vertritt immer noch eine Mehrheit der Bevölkerung."
In Israel sei man sich einig, dass alles getan werden müsse, um die verbliebenen Geiseln zu befreien und die Hamas zu zerschlagen. Auch im Hinblick auf die Hisbollah sei man sich sicher, dass ein militärischer Konflikt nahezu unausweichlich sei. 
Das Interview mit Dr. Gil Yaron führte ZDFheute live-Moderatorin Victoria Reichelt. Zusammengefasst hat es Carsten Heckes.

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