: Alles für die Wiederwahl

von Alexander Poel
06.05.2023 | 06:59 Uhr
Mit viel Präsenz und Populismus hat Markus Söder die CSU über die 40-Prozent-Marke gehievt. Mit Blick auf die Landtagswahl folgt ihm die Partei nahezu bedingungslos. Vorerst.
CSU-Chef Markus Söder will auf dem Parteitag zum Spitzenkandidaten in Bayern gekürt werden.Quelle: dpa
Es gibt tatsächlich Momente, in denen Markus Söder offen über sich selbst reflektiert. "Da bin ich jetzt wieder in der Werbeblock-Phase", sagt der CSU-Chef auf einer Pressekonferenz anlässlich eines Kongresses der Europäischen Volkspartei in München.

Söder über Bruttoinlandsprodukt: "Ja, das ist Fakt!"

Für zwei Tage haben sich Abgeordnete aus vielen EU-Ländern in München eingefunden. Und der bayerische Ministerpräsident hatte das internationale Publikum zuvor mit einem echten Klassiker willkommen geheißen.
"Bayern hat das Bruttoinlandsprodukt von Saudi-Arabien", doziert er. Thüringen wiederum habe (nur) das Bruttoinlandsprodukt von Ghana. Stille. Dann, als die Übersetzer ihre Arbeit getan haben: Gelächter. Im Presseraum klingt es wie Hohn. Dass Söder es ähnlich verstanden hat, zeigt seine Reaktion. "Ja, das ist Fakt!" ruft er den Abgeordneten zu. "Ja, das ist Fakt!" sagt Söder immer dann, wann man seine Aussagen in Zweifel zieht.

Eine Vier muss für die CSU vorne stehen

In Bayern kommt das seltener vor als auf internationaler Bühne: Aktuelle Umfragen sehen die CSU bei 41 Prozent. Dass "eine Vier davor steht", haben führende CSU-Politiker in den vergangenen Monaten schon mal als Voraussetzung genannt. Schließlich steht am heutigen Samstag eine Art Krönung auf dem Programm. Söder soll zum CSU-Spitzenkandidaten gekürt werden. Per Handzeichen. Schwer vorstellbar, dass ihm eine nennenswerte Zahl an Händen versagt bleiben wird.
Zu Söder gibt es für die CSU - derzeit - keine erfolgversprechende Alternative. Geschafft hat er das vor allem durch eine Mischung aus ständiger Präsenz und Populismus. Wer ein Beispiel dafür sucht, wie Söder die Welt für sich und seine Partei in Gut und Böse aufteilt, dem sei die ZDF-Sendung "Markus Lanz" vom 2. Mai empfohlen. Von A wie Atomkraftwerk bis V wie Vegan ist für jeden etwas dabei.

Zur endgültigen AKW-Abschaltung, zur Debatte um die Erbschaftssteuer sowie zur Energiepreisentwicklung als Folge des Atomausstiegs u. zur Gefahr einer Deindustrialisierung Deutschlands

02.05.2023 | 73:59 min

Hauptsache, die Botschaft bleibt hängen

An der Atomkraft lässt sich der Politikstil des CSU-Chefs vortrefflich erklären. Mitte April fordert Söder, die Verantwortung für den Betrieb der Atomkraftwerke in die Hände der Bundesländer zu legen. Er - Söder - wolle dann auf dieser Grundlage den Meiler Isar II weiter am Netz lassen. Garniert werden Forderung und Ankündigung mit Warnungen vor Energieausfällen und hohen Strompreisen.
Was im ersten Moment vielleicht nicht alle wissen: Der Bund kann die Zuständigkeit für die Atomkraftwerke nicht einfach so den Ländern überlassen. Geregelt wird diese durch das Grundgesetz, Artikel 73. Und für eine Änderung des Grundgesetzes ist in Bundestag und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Entscheidend für Söder ist die Nachricht: Bayern will Atomkraftwerke in Eigenregie weiterlaufen lassen.

Söder ist in ganz Bayern präsent

Kurz darauf gibt es eine bundesweite Umfrage, in der die Menschen Söders Plan - der unter den gegebenen politischen Mehrheiten kaum umsetzbar ist - richtig gut finden. Von diesem Zeitpunkt an verweist der bayerische Ministerpräsident bei jedem Interview darauf, dass die Mehrheit in Deutschland seiner Meinung ist. Nach Söders Lesart ist das ein "Doppelwumms".
Ein weiterer Grund für die Umfragen ist Söders Präsenz in allen Teilen Bayerns. Nach Corona hat er das für die CSU zur Priorität erklärt: Raus gehen zu den Menschen. Im politischen Nahkampf ist Söder ein Vollprofi. Teilnahme an einer Meisterfeier in Niederbayern, Einweihung eines Schulgebäudes in der Oberpfalz, Festakt einer Freiwilligen Feuerwehr - Bayern ist groß, Distanzen von vielen Hundert Kilometern sind normales Tagesgeschäft.

Dauerkritik an der Ampel-Koalition

Die Botschaften, die der CSU-Chef an den jeweiligen Orten verkündet, sind nicht wirklich komplex: Die Ampel sei ein Desaster für Deutschland. Wer es besser haben wolle, müsse in Bayern CSU wählen. Parteifreunde Söders vergessen am Telefon nicht darauf hinzuweisen, dass die schlechte Performance der Bundesregierung ein Teil des CSU-Erfolgs ausmacht.
Die CSU könnte noch viel besser dastehen.
CSU-Funktionär
Das reicht von der Uneinigkeit beim Thema Atomausstieg bis zu den Vertrickungen des Staatssekretärs Patrick Graichen in Habecks Wirtschaftsministerium. Da müsse man sich fast fragen, sagt ein hoher CSU-Funktionär, warum die CSU nicht noch viel besser dastehe.

Gemischtwarenladen Grundsatzprogramm

Der Parteitag in Nürnberg wird auch über das neue Grundsatzprogramm der CSU diskutieren. "Für ein neues Miteinander" heißt es. Die CSU beschreibt sich darin als "Kraft der bürgerlichen Mitte". Das bedeutet: Für (fast) jeden ist etwas dabei.
So bekennt sich die CSU sowohl zum klassischen Familienbild als auch zur Ehe für alle. Der Klimaschutz müsse "die wirtschaftliche Frage mitdenken". In der Bildung setzt die CSU weiterhin auf das mehrgliedrige Schulsystem. Insgesamt brauche Deutschland eine "Aufbruchserzählung", so die Autoren des Programms. Inhaltliche Kontroversen zum neuen Manifest werden morgen nicht erwartet.

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