: AfD-Verbot: Erfolgsaussichten und Risiken

11.01.2024 | 22:53 Uhr
Ein Treffen von AfD-Vertretern mit Neonazis - im Fokus standen Vertreibungspläne - entfacht eine neue Debatte über ein AfD-Verbot. Erfolgschancen und Risiken - Experten ordnen ein.

Vertreibungspläne bei Treffen mit Extremisten: Für ein AfD-Verbotsverfahren brauche es eine umfangreiche Materialsammlung, erklärt Verfassungsrechtler Prof. Christian Waldhoff.

11.01.2024 | 10:47 min
Nach den "Correctiv"-Enthüllungen über ein Treffen von AfD-Funktionären, rechten Geldgebern und bekannten Neonazis, bei dem es um die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland ging, befeuert die Debatte über ein mögliches Verbot der AfD.
Doch das ist trotz der extremistischen Forderungen bei dem Treffen nicht so einfach, wie Jurist Christian Waldhoff bei ZDFheute live erklärt. Waldhoff zog 2013 im Auftrag des Bundesrates für ein NPD-Verbotsverfahren vor das Bundesverfassungsgericht.

So läuft ein Parteiverbotsverfahren

Ein Parteiverbotsverfahren kann von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung beantragt werden. Dazu bräuchte es vorher eine Sammlung an Beweismaterial des Verfassungsschutzes, erklärt Waldhoff.

Scharfe Kritik folgt auf die Berichte über ein Treffen von AfD-Politikern und Neonazis. Wie auch erneut Rufe nach Konsequenzen, etwa einem Verbot der Partei.

11.01.2024 | 01:55 min
Der Verfassungsschutz kann aktiv werden, wenn eine Partei als gesichert rechtsextrem oder als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wurde. Die AfD wurde im März 2022 als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft. Dann darf der Verfassungsschutz beobachten und V-Personen einschleusen, um Material zu sammeln.
Sobald der Antrag auf das Verbot eingereicht wurde, müsse der Geheimdienst aber seine Tätigkeiten einstellen, erklärt Waldhoff. "Das hätte zur Folge, dass während des Verbotsverfahrens keine validen nachrichtendienstlichen Informationen aus dem Inneren der Partei mehr bekannt werden würden."

"Correctiv"-Chefredakteur Justus von Daniels im Gespräch über die Aufdeckung des Geheimtreffens von AfD-Politikern mit Rechtsextremen.

11.01.2024 | 07:41 min

Erhöhen Enthüllungen über Geheimtreffen die Chancen für ein Verbot?

Das Parteiprogramm der AfD sei im Gegensatz zum NPD-Programm nicht rechtsextremistisch, so Waldhoff. Es enthalte auch nicht die Aussagen, die jetzt aufgedeckt wurden. Die Erfolgschancen eines Verbots könnte man nur seriös einschätzen, wenn man das Material der Verfassungsschützer über die AfD hätte, betont Waldhoff.

Deshalb wurde die NPD 2017 nicht verboten

Die NPD wurde 2017 nicht verboten, weil sie zu unbedeutend ist, erklärt Jurist Christian Waldhoff. Das Bundesverfassungsgericht habe aber klargestellt, dass die NPD eine "Nazi-Partei" sei, "die echt verfassungsfeindlich, die rechtsextremistisch ist und unsere Ordnung beseitigen will", so Waldhoff. Beim NPD-Verbotsverfahren gab es laut Waldhoff rund 3.000 Beweisstücke. Auch das Parteiprogramm hat bei der Einordnung eine wichtige Rolle gespielt.
Wenn nachgewiesen werden könnte, "dass die Partei so denkt und dass das die echten politischen Ziele wären, dann wäre das schon relevant" sagt Waldhoff. Aber:
Allein das, was jetzt das Recherchenetzwerk 'Correctiv' aufgedeckt hat, das würde nicht reichen.
Christian Waldhoff, Jurist
Es müsste der Partei erstmal direkt zugeordnet werden. Laut Waldhoff wäre eine "umfangreiche Materialsammlung" der Nachrichtendienste nötig. "Ist das der normale Zustand der AfD oder ist das ein Ausreißer? Dann könnte man eine seriöse Abschätzung machen, ob ein Verfahren vielleicht Erfolg haben würde."

Parteiverbotsverfahren würde sehr lange dauern

Jurist Waldhoff macht darauf aufmerksam, wie lange so ein Verfahren dauern kann - im Fall der NPD habe es vier Jahre gedauert.
Das heißt, ein Schnellschuss, mit dem man jetzt irgendwie politische Konkurrenten vielleicht aus den Landtagswahlen im Herbst heraushalten könnte, wäre das ganz sicher nicht.
Christian Waldhoff, Jurist

AfD-Verbotsverfahren könnte nach hinten losgehen

Der Versuch, die AfD zu verbieten, könnte eine gegenteilige Wirkung haben. Ein Verbot könnte die Radikalisierung befeuern, so Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl bei ZDFheute live: "Also, so wir haben es euch immer schon gesagt, die sind gegen uns und so weiter."
Auch Waldhoff ist skeptisch. Wenn bei dem Verbotsverfahren herauskommen würde, dass die Beweislage nicht für ein Verbot reicht, "dann wäre das ja eine Art Gütesiegel aus Karlsruhe, dass diese Partei doch nicht so schlimm ist. Und das wäre natürlich fatal."

Es gebe eine Sammlungsbewegung innerhalb der Neuen Rechten um Martin Sellner als deren rechtsextremistischer Ideologe, erklärt Politikwissenschaftlerin Strobl.

11.01.2024 | 14:25 min
Politologin Strobl plädiert dafür, ein mögliches Verbot sehr genau zu prüfen. Bei einem ist sie sich sicher: Wenn es um extreme bis faschistische Rechte gehe, sei Zögern "immer der falsche Weg." Auch Waldhoff würde auf jeden Fall darüber nachdenken. "Und die entsprechenden politischen Instanzen, die das gegebenenfalls in Gang setzen könnten, müssen sich rückversichern bei ihren Sicherheitsbehörden, wie die Lage ist."

AfD-Politiker, Neonazis und Unternehmer sollen bei einem Treffen über die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland gesprochen haben, so das Recherchenetzwerk Correctiv.

10.01.2024 | 01:46 min

So könnten die anderen Parteien gegen die AfD vorgehen

Unabhängig von einem Parteiverbot der AfD müssten sich die demokratischen Parteien klar machen, was bei der AfD gespielt wird, fordert Strobl.
Die AfD ist Teil der extremen Rechten.
Natascha Strobl, Politikwissenschaftlerin
Die AfD müsse von allen Funktionen ferngehalten werden, in denen sie über Menschen bestimmen kann. Von den etablierten Parteien forderte Strobl "konstruktive Lösungen".
Nur bürokratisches Verwalten und zu sagen, es wird ein bisschen schlechter werden, ist nicht besonders anziehend. Es fehlt dringend eine positive Zukunft.
Natascha Strobl, Politikwissenschaftlerin
"Wenn die demokratischen Parteien es nicht schaffen, eine lebenswerte Zukunft zu zeichnen" würde immer ein Anteil bei der extremen Rechten bleiben, "weil hier die negativen Emotionen gefangen werden."
Quelle: ZDF

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