: AfD-Vertreter bekräftigen Ausweisungs-Pläne

von Oliver Klein, Nils Metzger und Jan Henrich
11.01.2024 | 18:44 Uhr
AfD-Vertreter bekräftigen ihre Forderung nach millionenfachen Ausweisungen. Die relativierende Haltung des Parteivorstands stößt an der radikalen Basis auf Unverständnis.

Das Recherchenetzwerk Correctiv hatte aufgedeckt, dass auch AfD-Funktionäre teilgenommen haben. Die Diskussion um ein Parteiverbotsverfahren nimmt neue Fahrt auf.

11.01.2024 | 01:45 min
Nach den "Correctiv"-Enthüllungen über ein Treffen von AfD-Funktionären, rechten Geldgebern und bekannten Neonazis, bei dem es um die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland ging, gerät die AfD in Erklärungsnot. Die Parteiführung in Berlin versucht zu beschwichtigen und die Bedeutung des Treffens herunterzuspielen. Die AfD werde ihre Haltung zur Einwanderungspolitik nicht abändern, hieß es am Mittwoch von einem Sprecher von Parteichefin Weidel. Alles sei "vollständig im Einklang mit dem Grundgesetz".

AfD-Politiker haben sich mit bei einem Treffen im November mit Rechtsextremen ausgetauscht. Dabei ging es darum, Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland zu vertreiben.

10.01.2024 | 01:44 min
Gleichzeitig legen zahlreiche AfD-Funktionäre aber nach und erklären, massenweise Abschiebungen von Millionen Menschen sei ohnehin schon lange der Kurs der Partei. So schrieb beispielsweise der sozialpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion René Springer bei X:
Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen.
René Springer, AfD-Bundestagsabgeordneter, bei X

AfD-Abgeordnete: Das ist unser Parteiprogramm

Ähnlich äußerte sich der Bundestagsabgeordnete und Landesvorsitzende der AfD Bayern Stephan Protschka. Die Junge Alternative Baden-Württemberg postete bei X mit ironischem Unterton: "Remigration ist eine unserer Kernforderungen. Aber Achtung, nicht weitersagen! Es handelt sich dabei um einen streng geheimen Geheimplan!"
Bernhard Zimniok, der für die AfD im Europaparlament sitzt, erklärte in einem Video: "Selbstverständlich wollen wir in großem Stil abschieben." Mit Blick auf die Journalisten von "Correctiv" sagte er:
Statt diesen aufwändig inszenierten Enthüllungsbericht zu produzieren, hätten diese Kasper auch ganz einfach unser Parteiprogramm lesen können.
Bernhard Zimniok, EU-Abgeordneter der AfD
Die beim Treffen anwesende AfD-Abgeordnete Gerrit Huy wollte sich in einer Stellungnahme am Donnerstag weder vom Rechtsextremisten Martin Sellner noch von seinen Inhalten distanzieren. Der bekannte Identitären-Aktivist Sellner hatte bei der Veranstaltung den zentralen Vortrag gehalten. Es sei "nicht verwerflich", dass Sellner dabei gewesen sei, schrieb Huy. "Wir leben glücklicherweise noch in einem freien Land, in dem man sich privat treffen und austauschen kann."

Sagt die AfD nur, was auch Scholz fordert? Nein.

Jürgen Braun, AfD-Abgeordneter im Bundestag und Sprecher für Menschenrechte, sprach bei X von einer "künstlichen Erregung gegen die AfD", nur weil "Politiker von uns privat über Abschiebung geredet haben" - Kanzler Olaf Scholz fordere solche Abschiebungen schließlich auch. Dass es bei dem nun bekannt gewordenen Treffen um deutlich weitreichendere Vorhaben ging, als die von Scholz geforderten Maßnahmen, ließ Braun aus.

Beim Geheimtreffen von AfD und Neonazis sei u. a. "die Vertreibung deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund" besprochen worden, so "Correctiv"-Reporter Marcus Bensmann.

10.01.2024 | 05:03 min
Im Oktober hatte der Bundeskanzler angekündigt: "Wir müssen endlich im großen Stil abschieben". Der "Spiegel" machte aus dem Interview eine Titelschlagzeile mit einem grimmig blickenden Scholz auf dem Cover. Der Kanzler bezog seine Aussage auf Menschen ohne Bleibeperspektive, die sich nicht auf Schutzgründe berufen könnten. In Deutschland lebten Ende 2023 etwa eine Viertel Million ausreisepflichtige Menschen, von denen rund 200.000 eine Duldung hatten, etwa wegen einer Erkrankung, weil sie keinen Pass besitzen, oder aus keinem sicheren Herkunftsland stammen.
ZDFheute fragte bei René Springer nach, wie er nun auf Abschiebungen in millionenfacher Anzahl kommt. Neben hunderttausenden Ausreisepflichtigen würden auch Menschen mit einem vorübergehenden Schutzstatus früher oder später das Land wieder verlassen müssen, erklärte er.

"Besorgt kann man sein von den Zahlen her, aber wenn wir ängstlich darauf schauen, machen wir sie größer", so Politikwissenschaftler Prof. Karl-Rudolf Korte über die AfD.

11.01.2024 | 06:54 min
"Vor allem aus Syrien, Afghanistan, allein aus der Ukraine sind letztes Jahr 1,1 Millionen in unser Land gekommen. Wir verstehen den Schutzstatus als Schutz auf Zeit - natürlich ist es unser oberstes Interesse, dass die Konflikte vor Ort befriedet werden und Schutzsuchende danach wieder in die Heimat zurückkehren."
Abgeschoben werden müssten außerdem "illegal Eingewanderte", "kriminelle Ausländer", "ausländische Integrationsverweigerer" und "solche, die ihren Lebensunterhalt dauerhaft nicht selbst decken können", so der Bundestagsabgeordnete.
Der gut integrierte türkische Gemüsehändler ist mit diesem Tweet selbstverständlich nicht gemeint.
René Springer, AfD-Bundestagsabgeordneter

Radikale Parteijugend kritisiert Parteiführung

Beim Treffen in Potsdam ging es laut Correctiv allerdings um noch mehr: Nämlich auch um die Vertreibung von Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft und Migrationshintergrund. Insbesondere an der jungen und radikalen Parteibasis stößt die vorsichtige Distanzierung des Parteivorstands von den Inhalten des Treffens in Potsdam auf Unverständnis. Dort wünscht man sich ein offenes Bekenntnis zu völkischem Denken und den von Martin Sellner vorgestellten Plänen.
Felix Niedermeyer von der Jungen Alternative Brandenburg kommentiert etwa auf Instagram: "Wie unstabil willst du heute sein? AfD-Führung: Ja. Remigration. Jetzt!"

Welche Strategie verfolgt die AfD mit dieser Kommunikation?

Für die AfD-Spitze geht nun auch darum, die negativen Auswirkungen der Berichterstattung möglichst gering zu halten. "Die Parteispitze versucht erwartungsgemäß, das Treffen als eine private Veranstaltung abzutun und distanziert sich mit Verweis auf die offizielle Programmatik von den Inhalten", sagt Holger Marcks, Ko-Leiter der Forschungsstelle der Bundesarbeitsgemeinschaft "Gegen Hass im Netz" zu ZDFheute.
Es wird zum Teil mit Spott auf die Berichterstattung reagiert und so versucht, von brisanten Aspekten des Treffens abzulenken. Dieses Vorgehen sah man bei der Partei auch schon bei der Festnahme der Reichsbürger im Dezember 2022.
Holger Marcks, Bundesarbeitsgemeinschaft "Gegen Hass im Netz"
Doch: "Es gibt keinen einheitlichen Plan in der AfD. Dort ist man sich nicht einmal einig, wie mit den hiesigen Muslimen, dem vermeintlichen Feindbild Nummer eins, umzugehen sei", betont Marcks. "Die völkischen Hardliner propagieren seit jeher die Wiederherstellung eines ethnisch homogenen Staats."
Der Einfluss dieser Gruppe in der AfD sei zuletzt immer größer geworden. "Natürlich hielt man sich bisher mit Verlautbarungen zurück, was das in der Umsetzung konkret bedeuten würde. Dass ein solches Ziel aber drastische Maßnahmen impliziert - Höcke spricht von 'wohltemperierter Grausamkeit' -, ist selbsterklärend", sagt Marcks.

Das Treffen von AfD-Funktionären mit Rechtsextremisten hat die Debatte über ein AfD-Verbotsverfahren neu entfacht. Kanzler Scholz sieht darin einen Fall für den Verfassungsschutz.

11.01.2024 | 01:55 min

Wie will die AfD mit Doppelstaatlern umgehen?

In einem Interview mit der rechten Wochenzeitung "Junge Freiheit" hatte Parteichefin Weidel Ende vergangener Woche gefordert, etwa kriminellen Doppelstaatlern die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen. "Der Automatismus, Straftäter deshalb nicht abzuschieben, weil sie eben auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, ist aufzuheben", sagte Weidel. Es brauche eine "Senkung der Hürden zum Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft".
Ist der Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft rechtlich möglich? Der Überblick:

Wann kann man einen Pass aberkennen?

Sind die Pläne der AfD, Menschen die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen, verfassungswidrig? Nicht in jedem Fall. Der Schutz der deutschen Staatsangehörigkeit vor einem willkürlichem Entzug steht zwar als Grundrecht in unserer Verfassung. Hintergrund ist gerade, dass in der Nazi-Diktatur massenhaft Ausbürgerungen aus rassistischen, politischen oder religiösen Motiven stattgefunden hatten.

Vollständig ausgeschlossen ist es verfassungsrechtlich aber nicht, dass man eine deutsche Staatsangehörigkeit auch wieder verlieren kann - zumindest wenn man dadurch nicht staatenlos wird. Heißt: Ein Gesetz, das unter bestimmten Umständen eine Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft für Menschen vorsieht, die noch eine weitere Staatsbürgerschaft besitzen, wäre nicht per se verfassungswidrig.

Es gibt auch Fälle, in denen das zur Anwendung gekommen ist: Die Große-Koalition hatte 2019 ein Gesetz verabschiedet, wonach Deutsche, die sich beispielsweise einer Terrormiliz im Ausland anschließen, die Staatsangehörigkeit verlieren können, wenn sie noch eine zweiten Pass besitzen. 

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