: Schulden-Urteil: Ampel spielt auf Zeit

von Kristina Hofmann
15.11.2023 | 16:39 Uhr
Alte Schulden fürs Klima ausgeben und Schuldenbremse halten - so hatte sich die Ampel das gedacht. Nun hat Karlsruhe das verboten. Panik in der Ampel? Jedenfalls nicht öffentlich.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat die Bundesregierung eine Ausgabensperre für den Klimafonds verhängt. Ein neuer Wirtschaftsplan muss nun ausgearbeitet werden.

15.11.2023 | 01:49 min
Manchmal kann auch ein Bundeskanzler mitten in großer Aufregung einsam sein. Als Olaf Scholz am Mittag zur Regierungsbefragung in den Bundestag kommt, ist er ein paar Minuten zu früh. Und zunächst ist noch niemand auf der Bank in seiner ersten Reihe.
Scholz ist allein, geht rüber und grüßt das Präsidium, schaut im Plenarsaal umher. Dann rettet ihn sein Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt. Sie stecken die Köpfe zusammen. Zu besprechen gibt es ja an diesem Mittwoch genug.

Gesucht wird: eine neue Finanzierung

Drei Stunden ist da das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes alt. Es kann die fragile Stabilität der Ampel-Koalition ins Wanken bringen. Denn einen Pfeiler im Gefüge hat ihnen das Karlsruher Urteil weggeschlagen: Durch Umschichten von nicht abgerufenen Corona-Milliarden in den Klimatransformationsfonds (KTF) konnten die Grünen Klimaprojekte planen. Und die FDP konnte ihre Schuldenbremse einhalten.
Nun fehlen 60 Milliarden Euro. Oder wie der Kanzler lapidar sagt:
60 Milliarden Euro stehen nun ja nicht mehr zur Verfügung.
Olaf Scholz, Bundeskanzler (SPD)
Und nun? Für eine Menge muss nun eine neue Finanzierung gesucht werden. 2,6 Milliarden Euro sollten für die Senkung des Strompreises ausgegeben werden. 1,6 Milliarden Euro für Elektromobilität und die neuen Ladestationen, zehn Milliarden Euro Subvention für das neue Chip-Werk der US-Firma Intel in Magdeburg. Und so weiter.

Der CDU-Abgeordnete Mathias Middelberg hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht zum Nachtragshaushalt befragt.

15.11.2023 | 03:49 min
Und nun? Viele dieser Ausgaben sind rechtlich verbindlich. Entweder die Bundesregierung schichtet aus dem Haushalt Gelder um. Oder nimmt neue Schulden auf. Oder? Wie groß die Konsequenzen sind, da will an diesem Tag niemand so richtig ran.

FDP: Urteil "härtet" Schuldenbremse

Die Linie der Bundesregierung ist eine Mischung aus "bloß keine Panik" und Gelassenheit: Mit der "nötigen Schnelligkeit und nötigen Gründlichkeit", wiederholt Regierungssprecher Steffen Hebestreit wieder und wieder, werde das Urteil nun geprüft. Kanzler Scholz schiebt den Ball zum Bundestag: Schließlich müssen die Abgeordneten den Haushalt beschließen, die Regierung mache nur Vorschläge. Neuer Streit? Scholz sagt:  
Ich bin überzeugt davon, dass es der Regierungskoalition sehr einvernehmlich gelingen wird, ihn dann im Deutschen Bundestag zu beschließen.
Olf Scholz, Bundeskanzler (SPD)
Dabei deutet sich Streit schon längst wieder an. Nach dem Urteil musste Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) eine Ausgabensperre für den KTF verhängen, um die weitere Finanzierung des Fonds zu klären. Die geplanten 18,8 Milliarden Euro für energieffiziente Maßnahmen im Wohnungsbau sollen aber fließen, so Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne). Woher? Auch das bleibt unklar.
Stattdessen ist die Deutung der FDP eindeutig: "Das Karlsruher Urteil härtet die Schuldenbremse", sagt Fraktionschef Christian Dürr.
Doch so einfach scheint es eben doch nicht zu sein. Die Ampel-Parteien trommeln am Nachmittag ihre Fraktionen zusammen. Öffentlich möchten die Abgeordneten nicht viel dazu sagen.

"Wir müssen uns ehrlich machen, wir müssen wirklich im Haushalt umschichten", so Mathias Middelberg (CDU), stellvertretender Union-Fraktionsvorsitzender, zum Haushaltsstreit um den Pandemie-Klimafonds.

15.11.2023 | 04:39 min

Union wartet erst einmal ab

Fast schon erstaunlich verhalten ist der Triumph bei der Union. Immerhin waren sie es, die die Ampel in Karlsruhe verklagt haben. Es hat ein bisschen was vom Zuschauen in einer Arena: Abwarten, ob die Ampel sich selbst erledigt oder ob man nachhelfen muss. "Das ist das Ende aller Schattenhaushalte", sagt CDU-Fraktionschef Friedrich Merz.
Jetzt müsse die Bundesregierung einen neuen Haushalt vorlegen. Sollte er wieder fehlerhaft sein, wolle man wieder klagen. Die Bundesregierung müsse jetzt "ihre Prioritäten grundlegen neu ordnen", fordert Merz.
Und weiter? Ob die Union auf ein Zerbröseln der Ampel und Neuwahlen hofft? Merz bleibt da recht ruhig: "Wir werden die Frage beantworten, wenn sie sich stellt", sagt er.

Die große Abrechnung der Opposition bleibt aus

Vermutlich hat die Zurückhaltung auch Gründe. Denn dass das Karlsruher Urteil nicht nur Auswirkungen auf den Bund, sondern auch auf die Länder hat, betonen alle. Und da steht vielfach die Union in Regierungsverantwortung. FDP-Fraktionschef Dürr nimmt sich die Zeit, vor der Sitzung das der Union vorzuhalten: In CDU-geführten Berlin plane man ein Sondervermögen fürs Klima, im CDU-geführten Hessen sei einer gerichtlich gekippt worden und im CDU-geführten Schleswig-Holstein würden noch Kredite aus Corona-Zeiten ausgegeben.
Ob jedes Detail stimmt, ist an diesem Mittwoch so wichtig nicht. Am Ende der Regierungsbefragung sieht Scholz eher zufrieden aus. Die meisten Fragen hat er zu anderen Themen bekommen, die große Abrechnung durch die Opposition ist zumindest heute ausgeblieben. Am Ende lacht er fast schon "schlumpfig", spricht noch mal kurz mit seinem Kanzleramtsminister Schmidt - und dann nichts wie raus aus dem Bundestag.
Ruhe ist ohnehin meistens trügerisch.

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