: Buschmann weitgehend allein zu Haus

von Lars Bohnsack
19.06.2024 | 16:41 Uhr
Justizminister Marco Buschmann lehnt eine Hochwasser-Pflichtversicherung ab. Damit hat er die Versicherungswirtschaft auf seiner Seite. Die Ministerpräsidenten aber laufen Sturm.

Vollgelaufene Keller und verschlammte Wohnungen: Starke Hochwasser sorgten zuletzt vermehrt für Schäden an Gebäuden. Sollte eine Versicherung für Elementarschäden Pflicht werden?

03.06.2024 | 02:45 min
Deutlich zuverlässiger prognostizieren als das Wetter lässt sich das Verhalten von Spitzenpolitikern nach Hochwasserlagen. Da wird fleißig gearbeitet am Bild des Kümmerers - in Stiefeln und Regenjacken. Und immer wieder wird den Opfern des Hochwassers schnelle Hilfe versprochen.
Doch der Klimawandel und die damit verbundene Häufung von Extremwetterlagen rufen nach langfristigen und nachhaltigen Strategien, statt immer wieder die Steuerzahler für die Schäden aufkommen zu lassen.

"Die Häufung solcher Wetterextremereignisse ist sehr wohl mit dem Klimawandel in Verbindung zu bringen", sagt ZDF-Meteorologin Katja Horneffer zur Hochwasserlage in Süddeutschland.

03.06.2024 | 03:34 min

Zusatzversicherungen häufig sehr teuer

Von den Ministerpräsidenten - egal welcher politischer Couleur - kommt die Forderung, eine allgemeine Versicherungspflicht einzuführen, und zwar noch in dieser Legislaturperiode.
Zwar hätten in Deutschland fast alle Hausbesitzer eine Gebäudeversicherung, aber nur etwas mehr als die Hälfte deckt auch Elementarschäden ab, also zum Beispiel Überflutungen. In vielen Fällen ist so eine Zusatzversicherung günstig zu haben. In Hochrisikogebieten kann das allerdings sehr teuer werden.

Was sind Elementarschäden?

Das sind Schäden, die durch das Wirken der Natur hervorgerufen werden, also etwa Hagel, Sturm ab Windstärke acht, Überschwemmung, Erdbeben, Erdsenkung oder Schneedruck.

In Deutschland sind laut Gesamtverband der Versicherer (GDV) etwas mehr als 50 Prozent aller Privathäuser gegen Elementarschäden wie Hochwasser und Überschwemmung versichert - eine zu geringe Quote, denn: "Starkregen kann überall auftreten und Schäden verursachen", warnt der GDV. Die Quoten sind je nach Bundesland sehr unterschiedlich - in Baden-Württemberg sind 94 Prozent versichert, in Bremen nur 31 Prozent.

Welche Versicherung ist möglich?

Sturm- und Hagelschäden und Schäden nach Blitzeinschlag sind über die Gebäudeversicherung und die Hausratversicherung abgesichert. Für andere Schäden ist die Elementarschadenversicherung erforderlich, die in Kombination mit der Gebäude- oder Hausratversicherung abgeschlossen werden kann oder als Erweiterung.

Bestimmte Schäden werden damit aber nicht abgedeckt, warnt der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) - etwa Schäden durch Grundwasser, das nicht an die Oberfläche gelangt. Das Auto können Besitzer mit einer Teilkaskoversicherung gegen Elementarschäden absichern, wie das Verbraucherportal Finanztip rät. 

Was zahlt eine Versicherung?

Hauseigentümern mit Elementarschadenversicherung in der Gebäudeversicherung zahlt die Versicherung Reparaturen im und am Haus und Kosten für Trockenlegung oder Sanierung. Ist ein Haus nicht mehr bewohnbar, übernimmt die Versicherung auch Abriss und Neubau, erklärt der GDV. 

Wie rechnen die Versicherer?

Ein Versicherungsunternehmen entscheidet nach dem Schadensverlauf der vergangenen Jahre oder Jahrzehnte, ob er einer Hauseigentümerin oder einem -eigentümer eine Police verkauft. Viele Versicherer richten sich nach dem "Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen" (Zürs) mit vier Klassen. In Klasse eins ist ein Hochwasser statistisch gesehen seltener als alle 200 Jahre - in Klasse vier dagegen kommt es statistisch einmal in zehn Jahren oder öfter vor.

Auch ein Bach im näheren Umkreis beeinflusst die Einstufung. Eigentümer eines Hauses in Gefährdungsklasse vier haben laut vzbv nur eine Chance auf Elementarschutz, wenn sie "extrem hohe Versicherungsbeiträge" zahlen. Laut Finanztip betrug der Aufschlag für eine Elementarabsicherung Ende 2022 zwischen acht und 580 Prozent. Eine Versicherung kann den Versicherungsschutz auch verweigern. 

Was wären die Vorteile einer Pflichtversicherung?

Hochwasser, Überschwemmungen und Überflutungen werden wegen des Klimawandels in Zukunft immer häufiger sein - seit der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 fordern deshalb schon Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eine Pflichtversicherung für alle privaten Wohnungseigentümer unabhängig von der Gefährdungsklasse.

Menschen in sicheren Regionen würden so Versicherungen für Menschen in Risikoregionen günstiger machen. NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) sagte dazu kürzlich im WDR, aktuell würden die Kosten von Naturkatastrophen vom Steuerzahler getragen - "die Bürger werden sowieso indirekt zur Kasse gebeten".

Und die Nachteile?

Die FDP argumentiert, eine solche Pflicht würde die Wohnkosten für alle erhöhen, weil Eigentümer die Kosten auf Mieterinnen und Mieter abwälzen würden. Der Eigentümerverband Haus & Grund betont, eine Pflichtversicherung verhindere keinen einzigen Schadensfall. 

Was schlagen die Versicherer vor?

Der GDV legte 2021 nach der Ahrtal-Katastrophe ein "Gesamtpaket" vor. Die Versicherer schlagen eine Kombination aus weiterhin freiwilliger Versicherung, Beteiligung des Staates im Katastrophenfall und mehr staatlichen Investitionen in Schutzmaßnahmen vor.

Bereits abgeschlossene Gebäudeversicherungen würden zu einem Stichtag automatisch auch den Elementarschutz enthalten - sofern die Kunden nicht widersprechen. Dieses Paket wäre laut Verband schneller umzusetzen als eine Pflichtversicherung, mit weniger "Eingriffen in einen funktionierenden Markt für Naturgefahrenversicherungen".

Quelle: AFP

Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten argumentieren: wenn viele einzahlen, wird's billiger. Und verweisen auf Frankreich, wo so eine Elementar-Pflichtversicherung die Immobilienbesitzer mit gerade mal 28 Euro im Jahr belaste.

Buschmann für Angebotspflicht

So eine Pflichtversicherung will Justizminister Marco Buschmann (FDP) unbedingt verhindern und schlägt stattdessen eine Angebotspflicht vor. Danach sollen Versicherungen bei bestehenden Verträgen die Möglichkeit bieten, zur Absicherung von Elementarschäden aufzustocken. Neuverträge müssten diese Absicherung von vorneherein anbieten, die aber von den Versicherten abgewählt werden kann.
Buschmann argumentiert, dass so verhindert würde, dass Eigentümer die Kosten auf Mieterinnen und Mieter abwälzen würden, für die sich dann die Wohnkosten erhöhen würden. Außerdem könne eine Versicherungspflicht sogar schaden. Denn sie könnte das Risiko bergen, dass sich der eine oder andere in falscher Sicherheit wiege und wichtige Präventionsmaßnahmen durch Hauseigentümer oder auch Staat und Kommunen unterblieben.

In vielen Landkreisen galt Anfang Juni der Katastrophenalarm. Tausende Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden. Mindestens ein Feuerwehrmann kam im Einsatz ums Leben.

02.06.2024 | 02:18 min

Haus- und Grundstückseigentümer gegen Pflicht

Mit dem Vorschlag weiß der FDP-Minister den Verband der Haus- und Grundstückseigentümer und die Versicherungswirtschaft auf seiner Seite. Die Länderchefs und die Koalitionspartner von SPD und Grünen aber lehnen ab.
Zur Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag hat auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) sein Kommen zugesagt. Die Elementar-Pflichtversicherung steht ganz weit oben auf der Themenliste. Denn die jüngsten Unwetter in Süddeutschland haben Schäden in Höhe von zwei bis drei Milliarden Euro verursacht. Solche Summen erhöhen gerade in Zeiten knapper Haushaltslagen den Handlungsdruck. Wenn es läuft wie abzusehen, ist Buschmann auch nach der Ministerpräsidentenkonferenz allein zu Haus.
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