: Merz zu Migration: "Müssen endlich etwas tun"

von Daniel Pontzen, Berlin
03.07.2024 | 20:02 Uhr
Der tödliche Messerangriff von Bad Oeynhausen ist im Bundestag angekommen. CDU-Chef Merz kritisiert die Migrationspolitik. Es geht hoch her - auch gegen die Innenministerin.

Aktuellen Stunde im Bundestag mit dem Titel "Gewalttäter aus Parallelgesellschaften - Ursachen und Konsequenzen der Tat von Bad Oeynhausen ehrlich benennen"

03.07.2024 | 79:50 min
Manchmal geht es in Bundestagsdebatten nicht nur darum, was gesagt wird, sondern auch: von wem - und: von wem nicht. Insofern war es durchaus als Signal zu werten, wen die CDU/CSU-Fraktion als Redner in jene "Aktuelle Stunde" schickte, die sie selbst beantragt hatte: "Gewalttätern aus Parallelgesellschaften - Ursachen und Konsequenzen der Tat von Bad Oeynhausen ehrlich benennen", so der offizielle Titel.

Bei einem Angriff auf einen jungen Mann wird dieser schwer verletzt. Wenig später verstirbt er. Nun ist der mutmaßliche Täter gefasst und wird dem Haftrichter vorgeführt.

27.06.2024 | 02:27 min
In der Stadt in Ostwestfalen war vor zehn Tagen der 20-jährige Philippos T. infolge eines brutalen Angriffs gestorben. Als Tatverdächtiger identifiziert wurde ein 18-jähriger Syrer, der zuvor bereits durch eine Vielzahl von Gewalt-, Eigentums- und Betäubungsmitteldelikte aufgefallen war, ohne jedoch vorbestraft zu sein.

Merz: Taten von Bad Oeyenhausen und Mannheim keine Einzelfälle

Nun, gut eine Woche später, ist der Fall im Parlament angekommen: Für die Union schreitet der Chef persönlich ans Pult, Friedrich Merz. Einen Monat nach dem Polizistenmord von Mannheim stehe man "erneut vor einem erschütternden Verbrechen". Diese Taten seien keine Einzelfälle, so Merz.
Die Täter sind als Jugendliche oder Heranwachsende in unser Land gekommen, wir haben sie in Deutschland in unserer Mitte aufgenommen, wir haben ihnen Zuflucht, Sicherheit und Unterstützung gewährt.
Friedrich Merz, Fraktionsvorsitzender CDU/CSU
Umso abstoßender seien die Taten, die auch bei vielen Menschen mit Migrationshintergrund gleichermaßen Empörung auslösten - und die, so Merz, nicht in Mithaftung genommen werden dürften.

Ministerpräsidenten haben mit Bundeskanzler Olaf Scholz wegen des beraten. Ein zentrales Thema ist die Migrationspolitik. Einige Länder drängen darauf, Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU zu ermöglichen.

20.06.2024 | 01:57 min

Innenministerin Faeser schüttelt den Kopf

Über allem stehe eine Frage: "Wie lange eigentlich hält unsere Gesellschaft diese, seit Jahren ungesteuerte Migration eigentlich noch aus?", so Merz. "Mein Appell richtet sich vor allem an die Bundesregierung: Hören Sie endlich auf, die Probleme in unserem Lande zu beschönigen. Hören Sie auf, von Einzelfällen zu sprechen oder wie die Bundesinnenministerin sich zitieren lässt: von 'nicht gelungener Integration'."

Der Migrationsexperte Gerald Knaus hält es für vertretbar, Asylanträge in sicheren Drittstaaten zu prüfen, mit denen die EU Abkommen geschlossen hat. "Es ist kein Aufheben der Menschenrechtsstandards, die bleiben ja bestehen", so Knaus.

20.06.2024 | 05:40 min
Die Innenministerin war ebenfalls zugegen, aber: Das Wort ergriff sie nicht. Sie schüttelte energisch den Kopf, als Merz sie ansprach, doch sie ließ die Chance verstreichen, ihre umstrittenen Äußerungen einzuordnen.
Nancy Faeser hatte nach der Tat von Bad Oeynhausen gesagt: "Heute ist leider ein sehr schlimmer Tag, wo wir über einen Mord an einem Jugendlichen diskutieren müssen, wo der Täter, ein Geflüchteter ist, der seit acht Jahren in einer Flüchtlingsunterkunft lebt. Ein Jugendlicher, der gar nichts anderes kennt. Und ich glaube, dass wir über diese Form der nicht gelungenen sozialen Integration viel mehr reden müssen“.

Selbst Kevin Kühnert hatte Nancy Faeser kritisiert

Selbst ihr Parteikollege, SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, hatte in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" Faeser kritisiert.
Das (...) hat zu 100 Prozent zu viel die Perspektive des Täters und zu hundert Prozent zu wenig die Perspektive des Opfers und der Hinterbliebenen eingenommen.
Kevin Kühnert, Generaslsekretär SPD
Statt Nancy Faeser äußerte sich SPD-Innenpolitiker Lars Castelluci. Die Gewalt mache auch ihn fassungslos, Täter müssten die volle Härte des Rechtsstaates spüren. Doch - ähnlich wie Faeser - wollte auch er den Blick weiten. So schilderte er seinen Eindruck, "dass insgesamt etwas ins Rutschen geraten ist, dass die Stimmung insgesamt im Land aggressiv geworden ist, dass wir es nicht mehr schaffen, Konflikte wechselseitig gut auszutragen".

Migration ist das bestimmende Thema der Innenministerkonferenz. Parteiübergreifend herrscht Einigkeit: Das Feld der Asylpolitik soll nicht der AfD überlassen werden.

21.06.2024 | 02:42 min
Ähnlich klang der Tonfall bei den Grünen. Schahina Gambir, Abgeordnete aus Bad Oeyenhausens Nachbarstadt Minden, erinnerte an das Opfer und kritisierte, dass die Tat instrumentalisiert und zu Hetze missbraucht werde.
Es geht jetzt nicht darum, am schnellsten und am lautesten nach einfachen Antworten zu brüllen. Stattdessen, liebe Union, sollten wir innehalten.
Schahina Gambir, Grüne

FDP: Akzeptanz gegenüber Schutzbedürftigen sinkt

Einen anderen Fokus wählte Konstantin Kuhle vom Koalitionspartner FDP.
Es ist Teil des Problems, dass unser Staat oftmals nicht in der Lage ist, eine klare Ansage über die Aufenthaltsperspektive eines Menschen zu treffen.
Konstantin Kuhle, FDP
Nun sehe man, so Kuhle weiter, dass es infolgedessen zu schweren Gewalttaten komme, bei denen Menschen sterben.
Die Folge ist, dass Menschen sich in Deutschland generell weniger sicher fühlen.
Konstantin Kuhle, FDP
Ebenfalls sinke die Akzeptanz gegenüber Schutzbedürftigen, was inakzeptabel sei: "Ordnung und Kontrolle in der Migrationspolitik hängen unmittelbar mit der inneren Sicherheit zusammen."

Bei der Ministerpräsidentenkonferenz mit Olaf Scholz kam es gestern nur zu wenigen Ergebnissen. Im Fokus stand die Asylpolitik. So soll eine Drittstaatenlösung erarbeitet werden, um Asylverfahren in andere Länder auslagern zu können.

21.06.2024 | 01:21 min
Die AfD fokussierte sich in ihrer Kritik derweil auf die Union: Ja, das nun behandelte Thema sei wichtig, sogar die "Schicksalsfrage unser Nation". Doch, so deren Parlamentarischer Geschäftsführer Bernd Baumann, erst einmal müsse die Union sich für ihren Beitrag zur jetzigen Lage entschuldigen. Und:
Sie übernehmen jetzt unsere Forderungen, nach der Wahl werden Sie wieder nichts umsetzen.
Bernd Baumann, Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion

CSU: "Müssen jetzt endlich was tun"

Dem hielt kurz darauf CSU-Politikerin Andrea Lindholz einen Katalog möglicher Maßnahmen entgegen. Auch sie betonte - in Abgrenzung zu Faeser - dass es sich hier nicht um ein Integrationsversagen der deutschen Gesellschaft, sondern des Täters und seines Umfelds handele.
Junge Männer, die, so hatte es Friedrich Merz zuvor formuliert, "offenbar weder integrationswillig noch integrationsfähig sind. Wir müssen jetzt endlich etwas tun."
Daniel Pontzen ist Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio Berlin.

Die Bundesregierung will weiter prüfen, inwieweit Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU ausgelagert werden können. Das ist das Ergebnis der Bund-Länder-Runde mit Bundeskanzler Olaf Scholz.

21.06.2024 | 02:04 min

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