: Umkämpfte Krim: Geschlossen hinter Putin?

von Nina Niebergall
18.03.2023 | 09:28 Uhr
Vor neun Jahren annektierte Russland die Krim. Die Halbinsel ist auch im aktuellen Ukraine-Krieg umkämpft. Trotzdem hört man wenig Kritik an Russland.
Artjom Orlowskij macht sein Boot fit für die nächste Saison. Auch wenn er nicht weiß, ob er jemals wieder Tourist*innen raus aufs Schwarze Meer fahren wird. Zu gefährlich, seit dem Krieg gegen die Ukraine. Und Urlauber gibt es auf der Krim sowieso kaum noch.
Wegen der militärischen Spezialoperation haben die Leute Angst, auf die Krim zu kommen. Solange die Kampfhandlungen in den Städten weitergehen. Viele Touristen sind besorgt wegen der Lage auf dem Festland.
Artjom Orlowskij, Touristenkapitän
Vor dem Krieg war die Halbinsel ein beliebtes Urlaubsziel, vor allem für Russinnen und Russen. Inzwischen steht die Krim vor allem wegen der russischen Militärstützpunkte im Fokus. Die Hafenstadt Sewastopol ist der Hauptstützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte und immer wieder Ziel ukrainischer Gegenangriffe. Die Halbinsel ist für Ukrainer und Russen von großer militärischer, aber auch symbolischer Bedeutung.

Völkerrechtswidrige Annexion

Denn am 18. März 2014 annektierte Russland die Krim völkerrechtswidrig. Nach einer Volksabstimmung, deren Ergebnis international angezweifelt und nicht anerkannt wird.
Die Europäische Union verhängte daraufhin Sanktionen gegen Russland. Die Russlands Präsidenten Wladimir Putin aber offenbar nicht davon abgehalten haben, im vergangenen Jahr russische Truppen in die Ukraine zu schicken und weitere Gebiete zu annektieren.
"Im Nachhinein muss man sagen, dass Sanktionen zu schwach waren, um nachhaltigen Eindruck auf Russland zu machen", sagt auch Osteuropa-Experte Sebastian Hoppe.
Allerdings war die Krim-Annexion eine so prestigeträchtige Angelegenheit, vor allem für Putin selbst, dass fraglich ist, ob stärkere Sanktionen ihn dazu angehalten hätten, das Gebiet zurückzugeben.
Sebastian Hoppe, FU Berlin Osteuropa-Institut

Jahrhundertelang verteidigen und erweitern Russlands Herrscher ihr Reich. Eine Geschichte von Konflikten und Expansionsdrang.

19.02.2023 | 45:12 min

Keine offene Kritik an Russland

Fragt man die Menschen auf den Straßen von Sewastopol, hört man keine Kritik an der Annexion durch Russland. Im Gegenteil. Seitdem habe sich vieles verbessert, die Infrastruktur, es gebe neue Parks und Spielplätze, erzählen die Einwohner*innen.
Russland subventionierte die Krim mit umgerechnet mehreren Milliarden Euro. Das gehörte zum sogenannten Integrationsprozess, der die Krim aus Moskauer Sicht zu einer Region der Russischen Föderation machte.
Den neunten Jahrestag der Krim-Annexion werde ich mit Freude und sogar Freudentränen feiern.
Jelena Makova, Einwohnerin Krim
"Ich bin komplett dagegen, dass die Ukraine die Krim zurückbekommt. Wenn ich eine Waffe bekommen kann, würde ich mit einem Gewehr Sewastopol verteidigen", sagt Krim-Einwohner Nikolaj Mikhailenko.

Zehntausende haben Krim verlassen

Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Zehntausende haben seit 2014 die Krim verlassen. Wer hiergeblieben ist, steht hinter Putin - oder behält politische Meinungen für sich.
Was auch zur sogenannten Integration beiträgt: 250.000 Menschen, die in Russland gelebt haben, leben jetzt auf der Krim, was teilweise den Bevölkerungsrückgang ausgeglichen hat.
Sebastian Hoppe, FU Berlin Osteuropa-Institut
Kurz vor dem Jahrestag läuft die Propaganda-Maschinerie auf Hochtouren. Bei mehreren patriotischen Veranstaltungen wird die russische Hymne angestimmt, Fahnen geschwenkt. Eine andere Wahl bleibt den Krim-Einwohnern ohnehin kaum.

Die Krim

Quelle: ZDF
Die Krim, mit 26.000 Quadratkilometern knapp so groß wie das Bundesland Brandenburg, hat eine wechselhafte Geschichte. Jahrhundertelang von Griechen, Türken oder Tataren beherrscht, gehörte die strategisch bedeutsame Halbinsel im Schwarzen Meer nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst zu Russland. Zuvor galt die Krim im Zuge der Oktoberrevolution noch als autonome Republik innerhalb Sowjetrusslands.

1954 erklärte der aus der Ukraine stammende damalige Kremlchef Nikita Chruschtschow die mehrheitlich von Russen bewohnte Halbinsel zu einem Teil der Ukrainischen Sowjetrepublik.

Nach dem Zerfall der UdSSR erklärte sich die Ukraine 1991 für unabhängig. Ein Jahr darauf verhinderte die Zentralregierung in Kiew ein von pro-russischen Kräften angestrebtes Referendum über die Unabhängigkeit der Krim. Als Zugeständnis wurde sie zur Autonomen Republik mit weitreichenden Rechten erklärt.

2010 schlossen Russland und die Ukraine einen Vertrag über russische Gaslieferungen - im Gegenzug wurde der Pachtvertrag mit der russischen Marine auf der Krim verlängert. Das auf der Halbinsel gelegene Sewastopol ist seit dem 19. Jahrhundert Hauptstützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte.

Im März 2014 annektierte Russland die Halbinsel.

Entzug der Staatsbürgerschaft?

Man muss die Frage stellen, ob die Staatsbürgerschaft entzogen wird, wenn jemand die Hymne nicht mitsingt! Wer die Symbole des Staates nicht respektiert - solchen Personen sollte vor Gericht die Staatsbürgerschaft entzogen werden.
Sergej Aksjonow, Präsident Republik Krim
Die Ukrainer wollen die Halbinsel zurückerobern. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte mehrmals, auf der Krim werde der Krieg enden.
Für Putin aber ist das kaum denkbar. "Die Krim hat mehr Bedeutung für Putin als für die breite russische Bevölkerung" sagt Osteuropa-Experte Hoppe. Politisch sei das Schicksal der Krim daher mit dem Schicksal Putins verbunden.
Nina Niebergall berichtet als ZDF-Korrespondentin über Russland, die Kaukasus-Region und Zentralasien.
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