: Integration: Entsetzen über Merz-Aussagen

von Pierre Winkler
12.01.2023 | 05:51 Uhr
Arbeitsminister Hubertus Heil kritisiert CDU-Chef Friedrich Merz für dessen Aussagen in der Integrations-Debatte. Politologe Carlo Masala findet besonders deutliche Worte.

Zur Rentenpolitik, dem Fachkräftemangel, der Arbeitsmarktzuwanderung und dem Bürgergeld sowie zur Entwicklung des Ukraine-Krieges u. der Lieferung von Marder-Panzern an die Ukraine

11.01.2023 | 73:52 min
Friedrich Merz' harte Kritik an Menschen mit Migrationshintergrund will Hubertus Heil (SPD) so nicht stehen lassen. "Was nicht geht, ist: alles in einen Topf, einmal herumrühren, eine populäre Rede halten und auf Applaus setzen, aber das Problem nicht lösen", sagte der Bundesminister für Arbeit und Soziales am Mittwochabend bei Markus Lanz.
Was Herr Merz gemacht hat, ist kein Beitrag zur Aufklärung.
Hubertus Heil, Bundesarbeitsminister
Am Tag zuvor hatte sich Merz als Reaktion auf die Ausschreitungen der Silvesternacht bei Markus Lanz über "Jugendliche aus dem arabischen Raum" ausgelassen und von "kleinen Paschas" gesprochen, die in der Schule Lehrerinnen und Lehrer terrorisierten.

CDU-Chef Friedrich Merz fordert nach den Silvester-Krawallen ein verschärftes Vorgehen gegen die Täter. "Wir wehren uns zu spät", sagt er und spricht von "Paschas" in Grundschulen.

11.01.2023 | 01:43 min
An Silvester waren in mehreren Städten Rettungskräfte und Polizisten angegriffen worden. Das Urteil des CDU-Vorsitzenden über die Tatverdächtigen mit Migrationshintergrund: "Wir sprechen hier über Leute, die eigentlich in Deutschland nichts zu suchen haben."

Heil: Polizisten heißen auch Cem

Für Heils Geschmack sind das zu einfache Parolen. "Die Polizisten und die Einsatzkräfte, die angegriffen wurden, die heißen übrigens auch Cem, und die heißen Ismael oder Franco", sagte er. Die Themen seien hierbei Respektlosigkeit gegenüber der Polizei und eine zunehmende Hemmungslosigkeit. In diesem Zusammenhang müsse es auch eine Debatte über Integrationspolitik geben.
Aber pauschal einen ganzen Stadtteil, der im Wesentlichen von Menschen geprägt ist, die eine Einwanderungsgeschichte haben, wie Neukölln, zu bashen, das ist das, was bei den Leuten ankommt.
Hubertus Heil, Bundesarbeitsminister
Das bedeute aber nicht, dass er nicht darüber reden wolle, was schiefgelaufen sei: "Der Fehler der 60er-Jahre war: Wir wollten Arbeitskräfte, aber es kamen Menschen. Man hat Integration weder angeboten noch übrigens verlangt. Und das hat jahrelang in diesem Deutschland dazu geführt, dass wir unbearbeitete Integrationsprobleme haben."

Politikwissenschaftler erzürnt über Politik

Auch Carlo Masala schaltete sich bei Lanz in die Debatte ein. Der Politikwissenschaftler und Militärexperte ist der Sohn eines Italieners.
Das, was seit der Silvesternacht stattfindet hier in der Bundesrepublik Deutschland, von einigen politischen und gesellschaftlichen Kräften, ist etwas, das mich über die Maßen erzürnt.
Carlo Masala, Politikwissenschaftler
In Berlin-Neukölln etwa sei nur ein verschwindend geringer Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund an den Ausschreitungen beteiligt gewesen.
"Und was haben wir als Reaktion? 'Kulturelle Überfremdung' von einer FDP-Abgeordneten. Wir haben, dass wir über den 'westasiatischen Phänotypen' reden müssen. Wir haben eine Namensabfrage der CDU Berlin."

Masala: Man spuckt Menschen ins Gesicht

Gemeint waren ein Tweet der FDP-Bundestagsabgeordneten Katja Adler über "verfehlte Migrationspolitik" und eine daraus resultierende "kulturelle Überfremdung", ein Tweet des CDU-Abgeordneten Christoph de Vries, der die Tatverdächtigen mit den Worten "westasiatisch, dunklerer Hauttyp" beschrieb, und eine Anfrage der Berliner CDU, die die Vornamen der Tatverdächtigen mit deutschem Pass wissen wollte.
Masala reagierte mit drastischen Worten:
Man spuckt all denjenigen ins Gesicht, die hier seit zwei, drei Generationen leben, mit deutschem Pass und Migrationshintergrund oder ohne deutschen Pass und Migrationshintergrund. Die unauffällig sind, die hier in dieser Gesellschaft normal leben und normal arbeiten. Man spuckt denen ganz einfach ins Gesicht.
Carlos Masala, Politikwissenschaftler

Heil: Brauchen mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland

In den kommenden Jahren wird Deutschland aber noch viel mehr Menschen brauchen, die aus dem Ausland kommen. Daran erinnerte Heil: "Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur sagt: 'Wenn ihr nicht das Richtige tut, dann fehlen uns bis 2035 sieben Millionen Arbeits- und Fachkräfte.'"
Selbst wenn die Bundesregierung alle "inländischen Potenziale" bei Aus- und Weiterbildung oder der Frauen-Erwerbsbeteiligung ausschöpfe, werde das nicht reichen. Die Antwort könne nur sein: "Wir brauchen qualifizierte Zuwanderung."

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