Exklusiv

: LNG-Terminals "nur unzureichend" geschützt

von Michael Haselrieder und Beate Frenkel
14.02.2023 | 10:00 Uhr
Die neuen Flüssiggas-Terminals sind sensible Angriffsziele. Ausgerechnet sie sind bisher nicht als Kritische Infrastruktur eingestuft und damit schlechter geschützt.

Klärwerke, Strom, Gas-Pipelines, Krankenhäuser, Bahntrassen - die Kritische Infrastruktur in Deutschland ist permanent im Visier von Hackern.

08.03.2023 | 13:20 min
Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Mitte Januar das Flüssiggas-Terminal in Lubmin an der Ostsee eröffnete, war er sichtlich stolz:
Mit einem ganz neuen Deutschland-Tempo ist hier schnell alles fertig geworden.
Olaf Scholz, Bundeskanzler
In Lubmin entstand nach dem Terminal in Wilhelmshaven die zweite Anlage zum Import von Flüssiggas (LNG). Die Terminals gelten als entscheidend für die Energieversorgung in Deutschland. Doch Scholz‘ neue "Deutschland-Geschwindigkeit" gehe auf Kosten der Sicherheit, sagen Experten.
"Allein aufgrund der Geschwindigkeit, mit der die LNG-Terminals gebaut wurden, muss man davon ausgehen, dass IT-Sicherheit nicht auf dem erforderlichen Level eingebaut wurde," sagt der Cyber-Sicherheitsexperte Sandro Gaycken, Direktor des "Digital Society Institute" an der European School of Management and Technology (ESMT) Berlin.

Geringere Schutzstandards für LNG-Terminals

Recherchen des ZDF-Magazins frontal haben außerdem ergeben, dass die beiden LNG-Terminals bisher noch nicht einmal als sogenannte Kritische Infrastruktur eingestuft sind. Das bedeutet: Es gelten geringere Schutzstandards - vor allem, was die Cybersicherheit angeht. Ausgerechnet dort, wo Deutschland besonders verwundbar ist.
Zur Kritischen Infrastruktur zählen Einrichtungen, die für das Leben in Deutschland wichtig sind, zum Beispiel Kraftwerke, Energienetze und Krankenhäuser. Werden sie durch Cyber-Angriffe lahmgelegt, kann das erhebliche Auswirkungen haben.
"Die Bedrohungslage hat sich mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine drastisch verschärft", sagt Cyber-Sicherheitsexperte Gaycken. "Im Großen und Ganzen ist die Kritische Infrastruktur in Deutschland leider immer noch sehr verwundbar. Die Standards werden nur auf Minimalforderungen erfüllt."
Wenn Russland Kritische Infrastrukturen angreifen wollen würde, dann stehen denen Tür und Tor offen.
Sandro Gaycken, Cyber-Sicherheitsexperte
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte nach ZDF-Informationen bereits im Oktober im Innenausschuss des Bundestages betont, dass sie sich Sorgen um die Sicherheit der LNG-Terminals macht. Der Staat müsse die Betreiber Kritischer Infrastrukturen unterstützen und "alarmiert" halten, weil das "einfach ein empfindlicher Bereich ist, gerade in einer Demokratie", sagte Faeser den Abgeordneten.

LNG-Terminals als Sabotage-Ziel?

Es müsse dringend nachgebessert werden, räumen selbst Politiker der Regierungskoalition gegenüber frontal ein. "Man muss genau diese LNG-Terminals jetzt schützen. Das sind sie bisher nur unzureichend. Sie sind logischerweise auch ein Sabotage-Ziel", sagt der Abgeordnete Konstantin von Notz (Bündnis90/Die Grünen), der im Bundestag das Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste leitet.
Wie verwundbar die Kritische Infrastruktur auch durch Sabotage-Akte ist, zeigte sich im Herbst 2022: Bei einem Anschlag auf die Deutsche Bahn durchtrennten die Täter zwei Datenkabel, legten den Bahnverkehr in Norddeutschland über Stunden lahm. Im September verursachten mehrere Explosionen Lecks in den Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee. Große Mengen Gas traten aus. Wer für die Anschläge verantwortlich ist, wird noch immer ermittelt.
Trotz der Gefahrenlage hat die Bundesregierung die LNG-Terminals bisher nicht unter besonderen Schutz gestellt. Bundesinnenministerin Faeser verweist auf ZDF-Anfrage auf ein geplantes Gesetz zur Kritischen Infrastruktur (KRITIS): "Wir arbeiten mit Hochdruck an einem KRITIS-Dachgesetz, wo wir nicht nur die Standards definieren, sondern auch, wer zur Kritischen Infrastruktur gehört. Und das werden wir sicher mit definieren."

Kritik aus der CDU

Doch für die LNG-Terminals komme das viel zu spät, kritisiert die Opposition und spricht von "Staatsversagen": "Es ist ein Fehler, dass die LNG-Terminals bisher nicht geschützt werden. Offensichtlich ist die Bundesregierung selbst überrumpelt worden von der Geschwindigkeit des Aufbaus", sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter. "Es ist eigentlich ein Skandal - und deswegen muss das so rasch wie möglich verbessert werden."
Beim Schutz der Kritischen Infrastruktur ist Deutschland noch immer Entwicklungsland - und das ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskrieges.
Beate Frenkel und Michael Haselrieder arbeiten in der Redaktion des ZDF-Magazins frontal in Berlin.

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