: China-Krach: Warum Precht falsch liegt

von Thomas Reichart
06.05.2023 | 09:13 Uhr
Richard David Precht hat für eine Menge Aufregung gesorgt. Fünf Gründe, warum er bei Baerbock und China gefährlich falsch liegt. Und nicht nur er.

Warum Richard David Precht bei Baerbock und China gefährlich daneben liegt.

06.05.2023 | 13:39 min
Richard David Precht behauptet, dass Deutschland in Sachen China den Ball mal ganz flach halten solle. Deutschland sei viel zu abhängig von China, als dass Außenministerin Annalena Baerbock in Peking so forsch auftreten könne, wie sie das getan hat. Der Autor und Philosoph findet, "Baerbock hätte unter normalen Bedingungen im Auswärtigen Amt nicht mal ein Praktikum gekriegt". Dafür hat er viel Kritik einstecken müssen. Und er hat sich danach gerechtfertigt. Er sei ganz sicher nicht frauenfeindlich.

1. Wie man mit China reden sollte

Ein anderer Punkt kam aber dabei viel zu kurz. Die Behauptung: So dürfe man nicht mit China sprechen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich klang so ähnlich, als er noch vor Baerbocks China-Reise behauptete, sie habe "sich ja sehr, aus Sicht Chinas, undifferenziert auf diese Situation eingelassen".
Aber die Vorstellung, man dürfe nur im Kammerton sprechen, weil Pekings Mächtige das Gesicht wahren müssten, ist China-Kitsch und falsch. Chinesen können selbst sehr direkt sein. Umgekehrt - und das ist wichtig - akzeptieren sie das auch.
Klartext zu reden, diene vielmehr Deutschlands Interessen, sagt auch der langjährige China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, Kai Strittmatter. Es gehe darum, gegenüber einem neuen, aggressiveren China rote Linien aufzuzeigen. "Jetzt schützen wir uns selbst."

2. Warum es früher nicht besser war

Precht wünscht sich trotzdem eine andere Art von Außenminister. Einen der leiser spricht. Und nicht nur er, sondern mindestens auch Teile der SPD. Aber: Selbst Steinmeier - also der heutige Bundespräsident - sieht den damaligen Außenminister Steinmeier kritischer als Precht. Jedenfalls räumt er in Bezug auf die Russland-Politik erhebliche Fehler ein.
Steinmeier und natürlich auch Angela Merkel sind wesentlich verantwortlich dafür, dass Deutschland sich so unglaublich abhängig gemacht hat von Russlands Gas und Öl. Und dass wir dafür jetzt so einen hohen Preis bezahlen.

3. Aus Fehlern lernen

Hat Deutschland aus diesen Fehlern nichts gelernt? Was machen wir mit unserer Abhängigkeit von China, die noch viel weiter geht und noch viel gefährlicher ist? Precht glaubt, wenn "wir irgendwann die Brücken gar zu China abbauen würden, dann würde unsere Wirtschaft mehr oder weniger den Bach runter gehen".
Allerdings: Es gibt weit und breit niemanden, nicht mal bei den Grünen, der oder die den Handel mit China abbrechen möchte. Das Problem ist genau umgekehrt. Deutschlands Abhängigkeit von China ist in den letzten zwei Jahren noch mal enorm gestiegen. Audi, Volkswagen, BMW, Bosch, BASF investieren Milliarden in China. Als hätten sie aus dem Russland-Desaster nichts gelernt.
Auch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft in Köln kritisiert das und befürchtet, dass die Firmen, wenn es schiefgeht, ihre Verluste sozialisieren, nachdem Gewinne zuvor privatisiert wurden. Hieße: Wie bei Banken in der Finanzkrise müssten dann die Steuerzahler Volkswagen & Co. retten.

4. Ist China überhaupt kommunistisch?

Precht behauptet, China sei kein kommunistisches Land, sondern ein kapitalistisches, sogar ein turbokapitalistisches. Das kann ernsthaft nur behaupten, wer von China offenbar nicht viel mehr kennt als die Wolkenkratzer-Panoramen der chinesischen Megastädte.
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping habe seit seinem Antritt 2013 in allen Bereichen die totale Kontrolle der Kommunistischen Partei (KP) zurückgebracht, sagt SZ-Korrespondent Strittmatter. Niemand steht in China über der KP, die Partei überragt alles und jeden Bereich. Das haben auch Chinas Kapitalismus-Stars wie Jack Ma schmerzhaft lernen müssen.

Chinas Führung will die Kontrolle über das eigene Volk um jeden Preis. Xi Jinping soll jetzt zum Führer auf Lebenszeit ernannt werden.

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5. Säbelrasseln um Taiwan

Precht bedrückt, dass der Westen Säbelrasseln würde gegenüber Taiwan. Man müsse extrem vorsichtig in dieser Situation sein, dürfe wegen Taiwan keinen Dritten Weltkrieg riskieren.
Genau das Umgekehrte aber ist richtig. Nicht der Westen rasselt mit dem Säbel, sondern China. Xi Jinping sei der erste Führer Chinas seit Mao, so Strittmatter, der in China die Erwartung geweckt habe, Taiwan anzugliedern, notfalls mit militärischer Gewalt.
Diesen Drohungen Pekings entgegenzutreten, wie Baerbock das in Peking gemacht hat, ist eine Form der Abschreckungs-Politik. China klarzumachen, dass die Kosten für einen Angriff viel zu hoch wären - das ist etwas, was auch im Interesse Deutschlands liegt. Still zu bleiben, könnte China andersherum eher ermutigen zu einem Angriff.
Precht und andere in Teilen der Kanzlerpartei SPD oder der Industrie treibt eine merkwürdige China-Furcht um, die gefährlich ist für uns alle. Denn sie gefährdet, was sie eigentlich schützen will: Unsere Jobs, unseren Wohlstand, unsere Sicherheit.
Thomas Reichart ist ZDF-Hauptstadtkorrespondent und war davor Leiter des ZDF-Studios Peking
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