Interview

: Warum Putin und Lawrow nicht eingeladen sind

16.02.2023 | 22:47 Uhr
Die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) startet und Hauptthema ist natürlich der Ukraine-Krieg. Hier müsse man, so MSC-Chef Heusgen, "die Reihen weiter fest schließen" gegen Putin.
Christoph Heusgen, Chef der Sicherheitskonferenz, hofft auf viele Gespräche.Quelle: dpa
ZDFheute: Herr Heusgen, Sie eröffnen in diesem Jahr zum ersten Mal als Vorsitzender die Münchner Sicherheitskonferenz - was erhoffen Sie sich vom diesjährigen Treffen? 
Christoph Heusgen: Ich erhoffe mir einige Signale. Vor einem Jahr hatten wir als internationale Gemeinschaft gehofft, dass Russlands Präsident Wladimir Putin doch noch ablassen würde von seinem Angriff auf die Ukraine. Das hat er nicht getan. 
Wir sind nun ein Jahr später, wir müssen Bilanz ziehen und wir müssen die Reihen weiter fest schließen, dass wir gegen diesen Zivilisationsbruch von Putin weiter zusammenstehen.
Das ist ein Punkt, der für mich ganz wichtig ist. Und dann gibt es einen zweiten: Wir sehen, dass wir in einem gewissen System-Wettbewerb sind. Und es ist sehr wichtig, dass das, was für uns Europäer eigentlich ganz selbstverständlich ist, dass hier die UNO-Charta, dass hier das internationale Recht auf dem Spiel steht, dass das auch vom sogenannten globalen Süden geteilt wird. Und deswegen werden wir am Haupttag, am Samstag, auf die erste Bühne Vertreter aus Lateinamerika, Afrika und Asien setzen, weil wir sagen: “Hier steht die internationale Gemeinschaft zusammen”. Das wollen wir versuchen zu erreichen. 

Christoph Heusgen ...

... ist Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz. Der promovierte Ökonom war 1980 ins Auswärtige Amt eingetreten und arbeitete dann unter anderem in Chicago, Paris und Bonn. Zwischen 1999 und 2005 war er Leiter des Politischen Stabs von Javier Solana im Generalsekretariat des EU-Rates in Brüssel. Mit Angela Merkels Amtsübernahme 2005 wechselte das CDU-Mitglied Heusgen ins Kanzleramt und war unter anderem Merkels Experte für die Nato, den Nahost-Konflikt, den Balkan und Afrika. Danach vertrat er als UN-Botschafter die Positionen der Bundesregierung bei den Vereinten Nationen.
ZDFheute: Sie haben Moskau bewusst nicht eingeladen - mindert das nicht den Wert dieser Konferenz?  
Heusgen: Ich muss anfangen mit dem letzten Jahr. Wir haben im letzten Jahr versucht, die Russen zu bekommen, damit wir mit ihnen reden können. Gibt es Auswege, kann man verhindern, dass Russland die Ukraine überfällt? 
Ein Jahr Krieg in der Ukraine - eine Rückschau:

15.02.2023
Die Russen sind nicht gekommen - und wir haben gesehen, was passiert ist. In diesem Jahr haben wir uns genau angeguckt, was sagen ein Wladimir Putin, ein Sergej Lawrow - und sie gehen kein Jota ab von ihren Maximal-Positionen. Sie wollen die Ukraine zerstören.
Und wir wollen einem Sergej Lawrow nicht die Bühne bieten für seine unsägliche Propaganda. 
ZDFheute: Haben sie Hoffnung auf ein baldiges Ende dieses Krieges? 
Heusgen: Wir haben natürlich immer Hoffnung. Wir müssen alles tun, um zu versuchen, dass das Leid der Menschen ein Ende hat. Wir beobachten natürlich kleine Anläufe, die außerhalb unserer Nachrichtendienste oder in Sachen humanitärer Hilfe passieren. Vielleicht kann man darauf aufbauen, aber derzeit sehe ich, was die politische Zielsetzung anbelangt, dass zwischen dem, was Wladimir Putin möchte, nämlich die Zerstörung des Staates Ukraine und dem, was die Ukrainer möchten, nämlich eine Wiederherstellung ihrer staatlichen Souveränität, ihrer territorialen Integrität, dass diese beiden Ziele nichts Gemeinsames haben. 
"Russland will und wird deutlich eskalieren", so die Einschätzung von ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf:
ZDFheute: Welche zusätzlichen Entscheidungen des Westens braucht es da? 
Heusgen: Wir brauchen jetzt erstens eine Bestätigung der Unterstützung im Hinblick auf wirtschaftliche Hilfe, Finanzhilfe, Aufnahme von Flüchtlingen und militärische Hilfe. Wir müssen innerhalb der Europäischen Union mit unseren transatlantischen Partnern zusammenstehen, aber auch ausgreifend auf den globalen Süden - und müssen sehen, dass wir auch die in unseren Verbund aufnehmen. Das ist ganz wichtig. 
ZDFheute: Sie haben wiederholt auch gesagt, der Westen müsse Kampfpanzer liefern, vielleicht aber auch Flugzeuge...
Heusgen: Wir müssen das im Gesamtzusammenhang sehen. In erster Linie ist Effizienz ganz wichtig, dass das, was wir geliefert haben, dass wir dazu die Munition liefern. Dass die Panzer, die versprochen sind, tatsächlich kommen. Wenn Sie mit Militärs sprechen, sagen die, um einen Angriff abzuwehren, um zu versuchen, militärisch auch wieder Territorium zu gewinnen, brauchen sie den Einsatz von Waffen im Verbund. Da gehört Artillerie dazu, da gehören Panzer dazu, da gehören auch Flugzeuge dazu, die eben sowas unterstützen können - aber das ist nicht oberste Priorität. 
EU-Politiker Graf Lambsdoff verteidigt die Absage an Putin:
ZDFheute: Es heißt, dass diese Konferenz auch so gefragt ist, wegen der Möglichkeit von ungestörten Absprachen in Fluren oder Nebenzimmern - ist das wieder so?
Heusgen: Das war immer das große Plus der Münchner Sicherheitskonferenz. Das sehen wir jetzt schon, dass diese Konferenz genutzt wird, um Gespräche, die sonst nicht möglich sind, stattfinden zu lassen. Wir hören, dass Wang Yi (der höchste außenpolitische Berater von Chinas Machthaber Xi Jinping, Anm. d.Red.) und der amerikanische Außenminister (Anthony Blinken, Anm.d.Red.) sich treffen.
China ist die aufstrebende Großmacht des 21. Jahrhunderts - was heißt das für den Rest der Welt:

12.11.2020
Wir haben hier Vertreter aus dem Balkan, aus Serbien und dem Kosovo, die sich womöglich treffen. Armenien, Aserbaidschan. Die Münchner Sicherheitskonferenz ist immer ein Forum für öffentliche Reden und Diskussionen, aber auch für Versuche, hier in den langen Korridoren des Bayerischen Hofes bei einigen Problemen Fortschritte zu machen. Und wir freuen uns, dass wir dafür das Forum bieten können.
ZDFheute: Was steht darüber hinaus für Sie noch auf der Tagesordnung? Auf welche Gäste freuen Sie sich noch? 
Heusgen: Ich freue mich zum Beispiel auf die Vizepräsidentin aus Kolumbien, ein Mitglied der indigenen Bevölkerung. Ich freue mich auf den Außenminister aus der Mongolei. Ich freue mich auf den Außenminister aus der Dominikanischen Republik. Wir wollen den Blick weiten auf den globalen Süden - wir wollen sehen, was beschäftigt die so, dass die uns verstehen, was beschäftigt uns so? Dass wir als internationale Gemeinschaft zusammenstehen, darauf freue ich mich. 
ZDFheute: Welches Signal soll die Sicherheitskonferenz senden? 
Heusgen: Ein Jahr nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine möchten wir, dass aus München ein Signal der Geschlossenheit der internationalen Gemeinschaft herauskommt. Dass wir sagen: Die Stärke des Rechts ist stärker als das Recht des Stärkeren. 
Das Interview führte Christoph Wiesel. Er ist Reporter im ZDF-Landesstudio München in Bayern.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

Themen

Aktuelle Nachrichten zur Ukraine