Analyse

: So kann die US-Hilfe den Krieg beeinflussen

von Christian Mölling und András Rácz
25.04.2024 | 15:19 Uhr
Mit der US-Hilfe wird Russlands Bodenoffensive wohl zum Erliegen kommen, Kiews Flugabwehr könnte sich verbessern. Moskau dürfte nun jedoch kurzfristig seine Angriffe verstärken.

Nach der Freigabe neuer Ukraine-Hilfen durch den Kongress wollen die USA schnell weitere Waffen liefern, so Präsident Biden. Insgesamt umfasst das Paket rund 61 Milliarden Dollar.

25.04.2024 | 00:27 min
US-Präsident Joe Biden hat die Freigabe des milliardenschweren Hilfspakets für die Ukraine mit seiner Unterschrift offiziell gemacht. Die USA haben aber bereits vor einigen Monaten große Mengen an Munition und militärischem Gerät für die Ukraine bereitgestellt. Diese Bestände befinden sich unter anderem in Polen, Deutschland und anderen verbündeten Ländern.
Die unmittelbare Priorität über die jetzt beschlossene Militärhilfe liegt auf der Lieferung von Artilleriemunition, Panzerabwehrraketen sowie Luftverteidigungswaffen, insbesondere Raketen für die Patriot-Raketenwerfer.

Lieferung für Ukraine hat bereits erste Effekte

Wenn man die Logistik berücksichtigt, könnten die ukrainischen Truppen die ersten Lieferungen neuer Munition in weniger als einer Woche erhalten. Allerdings feuern sie bereits jetzt viel mehr als vor der Zustimmung des Kongresses: Da sie sich danach der Fortsetzung der US-Hilfe ziemlich sicher sein konnten, konnten sie es sich leisten, ihre knappen Reserven viel selbstbewusster einzusetzen als zuvor.

Auch wenn aus den USA jetzt neue Ukraine-Hilfen kommen, sei "die langfristige Frage der Unterstützung nur vertagt worden", so die Militärexpertin Claudia Major.

21.04.2024 | 05:02 min
Die Intensivierung des ukrainischen Artilleriebeschusses wurde auch von russischen Quellen ab dem 20. April festgestellt.

Dr. Christian Mölling ...

Quelle: DGAP
... ist Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin und leitet dort das Programm Sicherheit, Verteidigung und Rüstung. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.

Dr. András Rácz ...

Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.

Munitionslieferung aus USA kann russischen Vormarsch stoppen

Die Lieferung größerer Mengen an Artilleriemunition in Verbindung mit Ersatzteilen für Geschütze sowie neuen Sensoren zur Batterieabwehr und anderer Ausrüstung wird die ukrainische Artillerie in die Lage versetzen, der russischen Artillerie wieder wirksam zu begegnen.

Die Ukraine braucht weitere Waffen und Munition, um den russischen Angriffen Stand zu halten. Besonders umkämpft ist die Region um Charkiw.

20.04.2024 | 01:28 min
In Verbindung mit ausreichender Munition, um die Angriffe der russischen Infanteriewellen zu stoppen, wird dies wahrscheinlich dazu führen, dass die Frontlinie stabilisiert und der russische Vormarsch in höchstens ein paar Wochen, möglicherweise sogar noch früher, gestoppt wird.

Dauerhafte Veränderung an der Frontlinie braucht Zeit

Es wäre jedoch ein Fehler, eine sofortige, signifikante positive Veränderung an der Frontlinie zu erwarten. Diese Auswirkungen brauchen Zeit, bis sie sich einstellen.
Dies gilt insbesondere für die Flugabwehrsysteme. Während die Auffüllung der erschöpften ukrainischen Bestände an Patriot- und anderen Raketen je nach den tatsächlichen Lieferungen buchstäblich in ein paar Wochen erfolgen kann, erfordert die Inbetriebnahme neuer Systeme mehr Zeit: Neue ukrainische Bediener müssen geschult werden, logistische Fragen müssen geklärt werden und die neu eingetroffenen Systeme müssen in das ukrainische Luftverteidigungsnetz integriert werden.

Bei einem Krisentreffen in Luxemburg vor einigen Tagen sicherten die EU-Minister der Ukraine ihre Unterstützung zu. Deutschlands Zusage weitere Verteidigungssysteme zu liefern, folgt kein Staat.

22.04.2024 | 02:47 min

Raketen langer Reichweite werden russische Logistik beeinträchtigen

Dennoch haben sich die Chancen der Ukraine, ihre Front zu stabilisieren und den russischen Vormarsch zu stoppen, mit der nun von den USA genehmigten Hilfe deutlich verbessert. Außerdem werden die ATACMS-Raketen mit größerer Reichweite die Ukraine in die Lage versetzen, russische Ziele in der gesamten Tiefe des besetzten ukrainischen Territoriums, einschließlich der gesamten Krim, anzugreifen.

Mittelfristig ist daher mit einer erheblichen Beeinträchtigung der russischen Logistik zu rechnen.
Das neu genehmigte US-Paket wird wahrscheinlich auch eine erhebliche politische Sogwirkung auf andere Länder haben. Sobald nämlich andere Staaten sehen, dass die USA ihr Engagement für die Ukraine erneuert haben, könnten sie selbst stärker motiviert werden, dies zu tun. Die kombinierte Hilfe der USA und vieler anderer Länder wird die Dynamik auf dem Schlachtfeld voraussichtlich ab dem Sommer erheblich beeinflussen.

Schon vor einer Weile beschloss die USA ein kleineres Hilfspaket. Es umfasst umgerechnet rund 57 Milliarden Euro. 13 Milliarden Euro sollen in die ukrainische Armee fließen, 9 Milliarden sind Wirtschaftshilfen.

21.04.2024 | 01:29 min

Der Ukraine fehlen trotzdem noch Soldaten

Allerdings muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Ukraine im russischen Angriffskrieg nun zwar viel besser mit militärischem Gerät ausgestattet sein wird, dass es dem Land aber immer noch an gut ausgebildeten Arbeitskräften mangelt. Es ist unwahrscheinlich, dass das neue Mobilisierungsgesetz noch vor Mitte oder Ende des Sommers zu einer nennenswerten Zahl neuer Soldaten führen wird.
Infolgedessen wird die Ukraine im größten Teil dieses Jahres sicherlich nicht in der Lage sein, nennenswerte Offensivaktionen durchzuführen. Kleinere Angriffe, Überfälle und Spezialoperationen werden natürlich weitergehen - aber eine größere Offensive ist realistischerweise erst im Jahr 2025 zu erwarten.

Ein neues Mobilisierungsgesetz der Ukraine verpflichtet Wehrfähige dazu, sich für die Rekrutierung registrieren zu lassen. In der Bevölkerung wird die Kritik lauter.

24.04.2024 | 02:39 min

Russland wird Angriffe wohl schnell intensivieren

Inzwischen ist sich Russland auch der zeitlichen Zwänge bewusst, das heißt, dass es noch einige Wochen dauern wird, bis die Auswirkungen des neuen US-Hilfspakets voll zum Tragen kommen. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass Moskau seine Infanterie-, Artillerie- und Luftangriffe intensivieren wird, um dieses Zeitfenster der nächsten Wochen zu nutzen.
Dies gilt umso mehr, als der 9. Mai naht und der Tag des Sieges in Russland einen hohen Symbolwert hat - daher möchte der Kreml wahrscheinlich noch vor diesem Tag einen symbolischen, gut darstellbaren Erfolg auf dem Schlachtfeld erzielen.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

Themen

Mehr über die Hilfe für die Ukraine

Aktuelle Nachrichten zur Ukraine