: Marco mit c: Die Sache mit den Vornamen
Noch weiß man nicht ganz genau, wie groß die Dimension der Silvestergewalt gegen Polizei- und Rettungskräfte, gegen Autos bundesweit war. Das Bundeskriminalamt trägt immer noch die Daten aus den Ländern zusammen. Der "Tagesspiegel" hatte nachgefragt und schätzt sie auf mehr als 282. "Eine Momentaufnahme", sagt heute ein Sprecher des Bundesinnenministeriums.
Klar ist: Die Krawalle eignen sich offensichtlich bestens als Berliner Wahlkampfthema, wo am 12. Februar wieder gewählt werden soll. Kaum eine Rede der aktuellen Stunde am Mittwoch im Bundestag kommt ohne einen Hinweis darauf aus. Selbst wenn sich niemand dort für ein Mandat im Berliner Abgeordnetenhaus bewirbt.
Union: Berliner SPD ist schuld an Silvesterkrawallen
Unions-Fraktionschef Friedrich Merz, der eine "Pascha"-Mentalität im migrantischen Milieu für die Gewaltausbrüche verantwortlich gemacht hatte, hielt sich in der Debatte zurück. Dafür sprach seine Stellvertreterin Andrea Lindholz (CSU). Davon, dass Berlin lieber Geld für billige Nahverkehrstickets und Kulturpässe als für Polizeikräfte ausgebe. Dass die Kriminalität in Berlin pro Kopf dreimal höher sei als in Bayern. Die Silvesternacht sei das "Ergebnis von 20 Jahre sozialdemokratischer Landespolitik", sagt Lindholz.
InsidePolitix: Seit den Krawallen und Gewaltausbrüchen gegenüber Polizei und Feuerwehr in der Silvesternacht reißt die Debatte über die Hintergründe nicht ab.
18.01.2023 | 13:35 minFür Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) eine unzulässige Richtung der Diskussion: Die Einsatzkräfte der Silvesternacht wünschten sich eine Debatte zu den Ursachen, "keine Wahlkampfdebatte für die Berliner Abgeordnetenwahl". Eine "Instrumentalisierung der Debatte" sei das, so Grünen-Abgeordnete Canan Bayram. Mit "Berlin-Bashing", findet CDU-Abgeordneter Jan-Marco Luszak, habe das alles aber nichts zu tun. Schließlich gebe es die aktuelle Stunde, weil es ein Problem gibt. Nicht, weil Berlin wieder wähle.
AfD: Neukölln ist bald überall
Einig waren sich alle Abgeordneten, dass die Gewaltausbrüche nicht zu akzeptieren sind. Ihre Ursache wird unterschiedlich gesehen. Nach Ansicht der Union braucht es einen stärkeren Rechtsstaat:
Es ist völlig klar, dass es scharfe Strafe geben muss.
Der Staat müsse "Zähne zeigen", es brauche ein schärferes Recht, so Luszak.
Die AfD findet, die Bundesregierung beschönige die Vorkomnisse der Silvesternacht. Es gehe dabei auch um eine "Verschleierung von Banden-Kriminalität", so Gottfried Curio (AfD). Die Menschen seien nicht "zu wenig integriert, sondern zu wenig abgeschoben". Wenn man nicht aufpasse, ist "Neukölln bald überall und Silvester jeden Tag", so Curio.
Ministerin Paus: Ursachen "komplex"
Die Ampel-Parteien und die Linke sehen das natürlich anders. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) warnt vor einfachen Antworten und fordert eine Versachlichung der Debatte. Der Migrationshintergrund mancher Täter habe "keine Rolle" bei den Gewaltausbrüchen gespielt. Insgesamt gebe es keine höhere Jugendgewalt, dagegen aber mehr "situative Gewaltausbrüche" wie auch am 1. Mai, wie in Stuttgart zum Beispiel.
Es gehe dabei manchmal um Machtfantasien von jungen Männern, Gruppendynamiken, soziale Probleme. "Das Thema ist komplex", so Paus. Wer wie Merz mit seinen "Pascha-Vorwurf" versuche sozialpsychologische Prozesse "zu ethnisieren":
Das ist dumpf, das ist rassistisch. Damit werden Sie nur den Applaus bei den Falschen ernten.
Reem Alabali-Radovan, Abgeordnete der SPD und Migrationsbeauftragte der Bundesregierung warnt vor einem Generalverdacht. Er sei "ein Schlag ins Gesicht" für 22 Millionen Deutsche mit Einwanderungsgeschichte. Die Silvesterkrawalle hätten eine soziale Ursache: Es gehe um "Chancen, Teilhabe und Perspektive" von jungen Männern. Nach der Veröffentlichung ihrer Vornamen, wie es die Berliner CDU gefordert hatte, habe man bei Querdenker-Demos auch nicht gefragt, so Alabali-Radovan.
Ahmed und Miri lieben Neukölln. Silvester wurde immer ordentlich geböllert, aber Angriffe auf Rettungskräfte habe es früher nicht gegeben. Ein Streifzug durch die Sonnenallee mit zweien, die hier jede Ecke kennen.
14.01.2023 | 13:18 minBuschmann gegen Stammtisch-Niveau
Überhaupt die Sache mit den Vornamen. Diese hätte laut Minister Buschmann "nichts, aber auch gar nichts mit einer seriösen Aufklärung" zu tun. Er selbst heiße ja Marco, mit c. Sei er deswegen ein Kind italienischer Einwanderer? Wenn er kriminell würde, ein Mitglied der sizilianischen Mafia?
Das ist doch offensichtlicher Quatsch.
Gleiches gelte auch umgekehrt: Udo klinge deutsch, die Familie des früheren Bundesverfassungsrichters Udo di Fabio habe aber italienische Wurzeln. Die Vornamen-Debatte führe in falsche Richtung und schüre nur Vorurteile, so Buschmann. "Die Strafrechtspolitik ist viel zu wichtig, als dass wir sie auf dem Niveau von Stammtischparolen betreiben."
Ob Friedrich Merz Buschmanns Schluss noch gehört hat? Irgendwann war er weg.