: Bringen Waffenverbotszonen mehr Sicherheit?

von Torben Heine und Jan Schneider
06.06.2024 | 12:05 Uhr
Bundeskanzler Olaf Scholz fordert, Kriminalität verstärkt mit Waffenverbotszonen zu bekämpfen. Mehrere Städte haben solche Zonen bereits eingerichtet. Deren Wirkung ist umstritten.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fordert nach der tödlichen Messerattacke von Mannheim, dass die Behörden zur Prävention vergleichbarer Taten verstärkt auf Messer- und Waffenverbotszonen setzen sollten.
Von der bestehenden Möglichkeit, solche Zonen auszuweisen, müsse "konsequenter Gebrauch gemacht werden", sagte Scholz in einer Regierungserklärung zur aktuellen Sicherheitslage im Bundestag. Die Bundespolizei setze das bereits an Bahnhöfen durch.
Wir brauchen das bundesweit - vor allem an Hotspots und bei Großveranstaltungen.
Olaf Scholz (SPD), Bundeskanzler
Aber: Sind dauerhafte Verbotszonen mit verstärkten Waffenkontrollen an Kriminalitätshotspots wie Innenstädten und Bahnhöfen tatsächlich eine Lösung?

Der Polizist, der bei der Attacke in Mannheim schwer verletzt wurde, ist verstorben. Der Angriff war vermutlich politisch motiviert. Was wir bisher wissen – bei ZDFheute live.

03.06.2024 | 21:38 min

Wo gibt es Waffenverbotszonen?

Das Waffengesetz und die Polizeigesetze regeln in Deutschland, dass die Länderpolizeien zeitweise oder dauerhaft Waffenverbotszonen errichten können - etwa für Großveranstaltungen oder aufgrund erhöhter Kriminalität. Auch die Bundespolizei kann ähnliche Allgemeinverfügungen erlassen. Messer mit langen Klingen, Abwehrsprays oder in anderen Bereichen erlaubte Schusswaffen werden damit verboten.
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In mehreren deutschen Städten gibt es derzeit dauerhafte Waffenverbotszonen. Die ältesten liegen an der Reeperbahn und dem Hansaplatz in Hamburg, es gibt sie bereits seit 2007. Jüngst wurden ähnliche Bereiche auch in Heilbronn und Frankfurt am Main abgesteckt. Bei Verstoß gegen die Verbote drohen teils hohe Bußgelder, in Düsseldorf und Köln etwa bis zu 10.000 Euro.

Mannheimer Innenstadt ist Waffenverbotszone

Auch auf dem Mannheimer Marktplatz, wo der laut Bundesanwaltschaft "religiös motivierte" Messerangriff vor wenigen Tagen stattfand, gilt seit einigen Monaten eine Verbotszone - allerdings beschränkt auf Abend- und Nachtstunden rund um Wochenenden. Der Angriff fand zur Mittagszeit statt.

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Kriminologin: Messerangriffe werden "undifferenziert" betrachtet

Die Kriminologin Elena Rausch forscht an der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ) von Bund und Ländern zu Messergewalt. Sie sieht die schnelle Forderung nach Waffenverbotszonen eher kritisch. Insgesamt sei der "Umgang mit dem Thema sehr undifferenziert".
Solche Zonen könnten zwar eine abschreckende Wirkung haben, dies gelte aber nur für bestimmte Gruppen:
Wenn jemand eine extremistische Tat plant, ist ihm klar, dass er das nicht darf. Da ist auch eine Waffenverbotszone egal.
Elena Rausch, Kriminologin
Zudem seien Angriffe wie in Mannheim unter allen Fällen eine Seltenheit. Viele Angriffe finden im nicht-öffentlichen Bereich statt und es gibt eine direkte Täter-Opfer-Beziehung. Partnerschaftsgewalt und Femizide seien wesentlich häufiger als Angriffe auf Fremde.
Rausch plädiert daher dafür, eher auf die Ursachen und Hintergründe solcher Angriffe zu blicken, als Tatmittel zu verbieten.

Die steigende Ausländerkriminalität löste eine Debatte über die Migrationspolitik aus. Innenministerin Faeser kündigt ein härteres Vorgehen und konsequentere Abschiebungen an.

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Wie hilfreich sind die bestehenden Waffenverbotszonen?

Die Bilanzen fallen unterschiedlich aus. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zog im Dezember 2022, ein Jahr nach der Einführung der Waffenverbotszonen in Düsseldorf und Köln, ein positives Fazit. Bei 17.191 Kontrollen habe die Polizei 349 Waffen und Messer sichergestellt und 744 Personen in Gewahrsam genommen. Unter den sichergestellten Waffen waren Messer und Dolche, aber auch Schreckschusswaffen und Totschläger.
Sollte sich bislang noch jemand die Frage gestellt haben, ob Waffenverbotszonen einen Beitrag zur Sicherheit unserer Innenstädte leisten, dann ist dieses Arsenal die beeindruckende Antwort.
Herbert Reul (CDU), NRW-Innenminister

Rechtliche Grundlage für Waffenverbotszonen

Für den Erlass von Waffenverbotszonen sind nach dem Waffengesetz (§ 42, Abs. 5) die Landesregierungen zuständig. Die Zonen können eingerichtet werden, wenn an öffentlichen Orten wiederholt Straftaten mit Waffengebrauch festgestellt wurden und auch künftig mit solchen Taten zu rechnen ist.

Durch das dritte Waffenrechtsänderungsgesetz können auch vielbesuchte Orte zu Waffenverbotszonen erklärt werden, die nicht vorher als kriminell oder gefährlich gelten müssen. Das Polizeirecht erlaubt ebenfalls das Verbot des "Mitführens gefährlicher Gegenstände" per Verordnung.

Für berufsbedingte waffenrechtliche Erlaubnisse (bspw. Mitarbeiter von Geldtransporten) sind meist Ausnahmen vorgesehen.

Quelle: Bundesjustizministerium

Die Polizei Bremen sah in einer Bewertung der Waffenverbotszone in der Bahnhofsvorstadt sowohl positive Auswirkungen auf die Strafverfolgung als auch für die Sicherheit der Bevölkerung. Auch die niedersächsische Polizei sah Verbotszonen im vergangenen Jahr als "zielführend" an, eine ausführliche Bewertung stand da noch aus. Auch aus Sicht der Polizei in Wiesbaden hat sich die Waffenverbotszone in der dortigen Innenstadt bewährt.

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Leipziger Waffenverbotszone erzielt nicht die erhoffte Wirkung

Das sächsische Innenministerium stellte dagegen in einer Evaluation nach einem Jahr fest, dass die Waffenverbotszone in der Leipziger Eisenbahnstraße nicht die erhoffte Wirkung erzielt habe. Beim Zurückdrängen von besonders schweren Straftaten sei die Zone als erstes Mittel zwar hilfreich - nachhaltig könne die Kriminalität und deren Ursachen dadurch aber nicht beseitigt werden. Die Zahl der relevanten Straftaten seien auch mit dem Verbot auf einem "unverändert gleichbleibend hohen Niveau geblieben".
In der Studie sprachen sich die Befragten stattdessen für den Ausbau "bürgernaher Polizeiarbeit" aus, etwa durch die Wiedereinrichtung eines lokalen Polizeipostens. Die Waffenverbotszone soll perspektivisch abgeschafft werden, besteht aber auch sechs Jahre nach der Einführung noch weiter.

Die Zahl der gemeldeten Straftaten stieg bundesweit um 5,5 Prozent auf insgesamt 5,94 Millionen Delikte. Über die Ursachen sei man sich uneinig, erklärt ZDF-Reporter Hinterleitner.

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Rechtliche Grundlage umstritten

In Waffenverbotszonen darf die Polizei verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen, die Eingriffsschwelle ist niedrig. Gegen die Verbotszonen in Magdeburg und Halle (Saale) hat sich deshalb das Aktivisten-Bündnis "Waffenverbotszonen abschießen" zusammengeschlossen. Es sieht in dem vergrößerten Handlungsspielraum für die Polizei die Gefahr "staatlicher Diskriminierung, insbesondere racial profiling", also ein auf Stereotypen basierendes Handeln der Behörden.
Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt erklärte die Einrichtung der Waffenverbotszone in Halle im vergangenen September für unwirksam. Für die entsprechende Verordnung gebe es keine rechtliche Grundlage, begründete das OVG die Entscheidung. Die Polizeiinspektion Halle hat gegen das Urteil Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt. Die Waffenverbotszone ist also noch nicht rechtskräftig aufgehoben.
Ähnlich wie das Aktivisten-Bündnis argumentiert Martina Renner, innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag:
Allgemeine Waffenverbote erhöhen nicht die Sicherheit für alle. Sie sind in der Fläche kaum durchsetzbar, willkürliche Kontrollen werden die Folge sein.
Martina Renner, innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag
Stattdessen müsse über direkte Waffenverbote gegen Gewaltstraftäter gesprochen werden.
Mit Material der AFP.

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