: Was gegen schmerzhafte Migräne hilft

von Anja Baumann und Anja Braunwarth
12.09.2023 | 12:06 Uhr
Wer unter Migräne leidet, weiß, was das bedeutet: Kopfschmerzattacken und unangenehme Begleiterscheinungen. Doch es gibt Mittel, um Migräneanfälle zu reduzieren.

Wie das Nervengift Migräne-Attacken vorbeugt und welche Risiken es gibt.

12.09.2023 | 05:30 min
Migräne ist mehr als einfach nur Kopfschmerzen. Sie ist eine chronische Erkrankung. Allein in Deutschland sind mehr als acht Millionen Menschen davon betroffen, Frauen doppelt so häufig wie Männer, meist zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr.
Wer Migräne hat, leidet unter quälenden, einseitig pochenden Kopfschmerzen, hinzu kommen Übelkeit, Licht-, Geräusch- und Geruchsempfindlichkeit. Durch ständig wiederkehrende Migräneattacken sind Betroffene in ihrem Alltag stark eingeschränkt.

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Deutlich mehr Krankmeldungen wegen Kopfschmerzen und Migräne

Kopfschmerzen und Migräne haben auch auf das Arbeitsleben einen großen Einfluss. Analysen der AOK Rheinland/Hamburg zum Deutschen Kopfschmerztag zeigen, dass sich hier die Zahl der Krankschreibungen in den vergangenen 20 Jahren vervierfacht hat.

Spannungskopfschmerz oder Migräne?

Experten unterscheiden über 200 verschieden Kopfschmerzarten. Die meisten von ihnen sind selten. Betroffene leiden am häufigsten unter Spannungskopfschmerzen oder an Migräne. So unterscheiden sich die beiden Arten:

Spannungskopfschmerz

  • Schmerz: drückend oder ziehend, oft auch als dumpfer Druck
  • zieht von Hinterkopf zu Stirn, betrifft den ganzen Kopf
  • Dauer: variiert von halber Stunde bis zu einer Woche
  • körperliche Aktivität kann lindernd wirken

Migräne

  • Schmerz: pochend, stechend oder pulsierend, kommt anfallsartig
  • einseitiger Kopfschmerz, bei Kindern meist beide Kopfhälften betroffen
  • Dauer: wenige Stunden bis mehrere Tage
  • verschlimmert sich bei körperlichen Tätigkeiten
  • typische Begleiterscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen, Licht-, Lärm- und Geruchsempfindlichkeit
  • kann von neurologischen Ausfällen (Aura) begleitet sein
Die häufigsten Kopfschmerzarten

Was bei Migräne passiert

Bei der Entstehung der Migräne spielen viele Prozesse eine Rolle, die noch nicht bis ins Letzte verstanden sind. Außerdem gibt es eine genetische Vorbelastung. Als wichtiger Faktor im Nervensystem konnte das Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) identifiziert werden. Dieses Molekül wird während der Attacken ins Blut ausgeschüttet und bewirkt unter anderem eine starke Erweiterung der Blutgefäße, auch im Kopf, eine der Ursachen für den Migränekopfschmerz.

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Was Migräne auslösen kann

Oft kommen die Migräneattacken aus heiterem Himmel. Es gibt aber auch Faktoren, die immer wieder von Patienten als mögliche Trigger genannt werden. Dazu gehören akuter Stress, Veränderungen des Tagesrhythmus, starke Emotionen, hormonelle Umstellungen, Auslassen von Mahlzeiten, manche Lebensmittel wie zum Beispiel Rotwein und Käse, Koffein(-entzug), Überanstrengung und Erschöpfung und äußere Reize wie flackerndes Licht oder Lärm.

Wie man Migräne behandelt

Für leichtere Migräneattacken reichen oft gängige Schmerzmittel wie Acetylsalicylsäure (ASS) oder Ibuprofen aus. Gegen mittelschwere bis schwere Migräneattacken oder wenn die klassischen Schmerzmittel nicht wirken, sind Triptane die erste Wahl. Sie vermindern unter anderem die Ausschüttung von CGRP. Triptane wirken umso besser, je früher sie im Schmerzanfall eingenommen werden. Es gibt sie als Tabletten, Spritzen zur Selbstinjektion und Nasenspray.

Chronische Migräne

Nach Definition der International Headache Society (IHS) liegt eine chronische Migräne vor, wenn

  • sich in der Vorgeschichte eine episodische Migräne findet.
  • es in mindestens den letzten drei Monaten an 15 und mehr Tagen im Monat zu Kopfschmerzen kam und an mehr als sieben Tagen davon migräneartige Kopfschmerzen vorlagen (im Sinne von: mittelstarke Kopfschmerzen, Photo-/Phonophobie, Übelkeit, pulsierender Charakter, Verstärkung bei normaler körperlicher Belastung, wobei nicht alle Kriterien erfüllt sein müssen).
  • kein Medikamentenübergebrauch bestand und andere Ursachen ausgeschlossen sind (z.B. idiopathische intrakraniale Hypertension; Schlaf-Apnoe-Syndrom).

Quelle: Deutsche Migräne und Kopfschmerzgesellschaft e.V.

Wie man Migräneattacken reduzieren kann

Sind Patienten durch häufige Migräneattacken stark beeinträchtigt, sollten sie eine vorbeugende Therapie erhalten. Dafür haben sich ganz unterschiedliche Medikamentengruppen bewährt, zum Beispiel Betablocker, Antidepressiva oder einige Medikamente gegen Epilepsie. Für Betroffene mit chronischer Migräne kommt auch Botulinumtoxin als Prophylaxe in Frage, das alle drei Monate in die Muskulatur rund um den Kopf injiziert wird.
"Es hemmt die Übertragung zwischen Nerv und Muskel, aber es scheint auch Schmerzfasern zu erreichen und dann die Weiterleitung von peripheren, also äußeren, am Kopf liegenden Reizen in Richtung Gehirn auszubremsen", erklärt Charly Gaul vom Kopfschmerzzentrum Frankfurt.
Eine hohe vorbeugende Wirksamkeit weisen Antikörper gegen CGRP oder dessen Andockstelle im Körper (Rezeptor) auf. Patienten können sie sich selbst spritzen. Die Substanzen sind mit bis zu 1.400 Euro pro Quartal recht teuer. Sie dürfen erst verordnet werden, wenn mehrere andere Maßnahmen ausgeschöpft wurden. Einzige Ausnahme: der Antikörper Erenumab. Er ist seit Oktober 2022 unabhängig von Art und Anzahl der Vortherapien ab mindestens vier Migränetagen im Monat erstattungsfähig.
Wenn gesundheitsökonomische Aspekte keine Rolle spielen würden, dann würde das in die Therapie der ersten Wahl raufrutschen.
Priv.-Doz. Dr. Charly Gaul, Neurologe, Kopfschmerzzentrum Frankfurt
Im Vergleich zu den letzten Jahren habe man sich mit den Antikörpern total verbessert. Man habe jetzt was, was sehr schnell sehr gut wirke und wenig Nebenwirkungen mache, so der Kopfschmerzexperte.

Welche weiteren Maßnahmen helfen

Idealerweise sollte die medikamentöse Prophylaxe von psychologischen Verfahren wie kognitive Verhaltenstherapie, Biofeedback oder ähnlichem begleitet werden. Außerdem können einige Verhaltensmaßnahmen dazu beitragen, die Häufigkeit von Attacken zu senken. Dazu gehören zum Beispiel ausreichend Schlaf, ein fester Schlaf-Wach-Rhythmus, regelmäßige Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, Ausdauersport sowie das Meiden bekannter Trigger-Faktoren.

Frauen und Migräne

Bei Frauen mit menstruell bedingter Migräne können kombinierte hormonelle Kontrazeptiva Migräneattacken verhindern. Bei regelmäßigem Zyklus können die Frauen auch eine Kurzzeitprophylaxe mit dem Schmerzmittel Naproxen oder mit einem Triptan über fünf bis sechs Tage - beginnend zwei Tage vor der Menstruation - durchführen. In einer Schwangerschaft erleben bis zu 80 Prozent der Frauen weniger Migräneattacken. Als Therapie ist für Schwangere im Anfall Sumatriptan das Mittel der Wahl.

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