: KfW-Studienkredit: Schuldenfalle für Studis?

von Karen Grass
31.10.2023 | 07:52 Uhr
Viele Studierende steuern gerade auf ein Schuldenproblem zu. Der Grund: erdrückend hohe Zinsen beim KfW-Studienkredit. Wo Gefahren lauern und was Betroffene tun können.

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Von null auf rund neun Prozent: Diesen Monstersprung hat der variable Zinssatz des KfW-Studienkredits innerhalb von nur gut einem Jahr gemacht. "Und das kam auch noch genau dann, als alles durch die Inflation eh schon so teuer geworden ist", sagt Vanessa. Sie studiert Tiermedizin und hat den KfW-Kredit während der Corona-Pandemie zum Null-Zins abgeschlossen.
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Damals hatte der Staat die Zinsen nämlich vorübergehend übernommen. Doch diese Regelung lief im Oktober 2022 aus - und Vanessa wurde wie so viele Studierende vom steigenden Zins überrascht.

Zinsentwicklung beim KfW-Studienkredit

  • Der Zinssatz des KfW-Studienkredits ist variabel und wird alle sechs Monate angepasst.
  • Momentan liegt er mit 8,66 Prozent Sollzins (effektiv 9,01 Prozent inkl. Verwaltungsgebühren) auf Rekordniveau, bis Herbst 2022 lag er dagegen noch bei 0 Prozent, da der Staat den Zins während der Pandemie übernommen hatte.

Die KfW begründet die Anhebung mit dem stark gestiegenen Referenzzinssatz Euribor. Das ist der Zinssatz, zu dem sich Banken in der EU untereinander kurzfristig Geld leihen. An ihm orientiert sich die KfW. Gleichzeitig müsse sie das hohe Kreditausfallrisiko, das einige Studierende mitbringen, am Finanzmarkt refinanzieren, so die KfW: Auch das treibe den Zins nach oben.

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Steigende Zinsen belasten Studierende sofort

Das Deutsche Studierendenwerk warnt sogar, der Kredit könne zur Schuldenfalle werden. Davor hat auch Jenni Angst. Sie studiert mit KfW-Kredit Soziale Arbeit - oder besser: Sie studierte: "Ich gehe momentan nicht mehr zu den Veranstaltungen und bewerbe mich stattdessen auf Jobs", sagt sie.
Einer von mehreren Gründen: die finanzielle Situation, auch durch die gestiegenen Kreditkosten. Die neun Prozent Zinsen treffen sie nämlich schon jetzt und nicht erst in der Rückzahlungsphase. Schließlich wird der Zins direkt von den monatlichen Auszahlungen der KfW abgezogen.

So funktioniert der Zins beim KfW-Studienkredit

  • Der Studienkredit wird in monatlichen Tranchen von 100 bis 650 Euro ausgezahlt.
  • Der Zinssatz wird dabei in der Regel direkt von der Auszahlung abgezogen. Dieser Betrag wird also gar nicht erst an die studierende Person ausgezahlt. Er wird aber am Ende dennoch auf die Kreditsumme addiert, die sie zurückzahlen muss.
  • Der Abzug bemisst sich an der bisher gewährten Kreditsumme.

Beispiel: Beträgt der Studienkredit 6.000 Euro und der Zins wie aktuell 9,01 Prozent, so gehen von der monatlichen Auszahlungsrate allein 45 Euro für die Zinsen ab. Bei 10.000 Euro Kreditsumme sind es schon 75 Euro an Zinsen. Je höher die Kreditschuld also bereits ist, desto höher der Zinsabzug.

Rückzahlung des KfW-Studienkredits

Während der Tilgungsphase fallen weiter Zinsen an, bis die Kreditsumme zurückgezahlt ist. Das Studierendenwerk Gießen mahnt deshalb: "Die Rückzahlung so früh und so hoch wie möglich angehen, Sondertilgungen sind dabei zum Glück kostenfrei. Eventuell kann man auch über eine Ablösung mit einem günstigeren Kredit nachdenken."

Ob so eine Umschuldung auf einen anderen Kredit Sinn ergibt, kommt aber auf den Einzelfall an. Vorteile des KfW-Kredits sind nämlich wiederum, dass kein Schufa-Eintrag anfällt und er flexibel rückzahlbar ist.

Für die Rückzahlungsphase des KfW-Kredits kann ein Festzins vereinbart werden. Bei den aktuell hohen Zinsen sollte man sich das aber gut überlegen, denn die Option ergibt nur Sinn, wenn man an weiter steigende Zinsen glaubt.

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Rat bei Schuldnerberatungsstellen gesucht

Stattdessen verstärkt neben dem Vollzeitstudium zu jobben, schafft Jenni aufgrund einer chronischen Erkrankung nicht. Jetzt zieht sie die Reißleine: "Als ich das mit den Verdienstmöglichkeiten im Bereich Soziale Arbeit gegengerechnet habe, habe ich gemerkt, das wird so alles nichts", sagt Jenni. Sie versucht jetzt, ohne abgeschlossenes Studium einen Bürojob zu finden - nicht ihr Traumjob, aber hoffentlich eine sichere Einnahmequelle, um die Schulden zurückzuzahlen.
Jenni findet es schade, dass Studieren so stark zur Geldsache wird. Immer mehr Studierende schlagen mittlerweile auch bei Schuldnerberatungsstellen auf. "Es ist eine politische Entscheidung, ob man das Bildungssystem so gestalten will, dass es für Menschen ohne wohlhabendes Elternhaus zu einem guten Teil schuldenfinanziert ist", sagt Thomas Bode, der die Schuldnerberatungsstelle der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Göttingen leitet.
Wenn man nicht möchte, dass Menschen mit einem riesigen Schuldenberg ins Berufsleben starten, dann müsste der Staat jetzt helfen.
Thomas Bode, Schuldnerberatungsstelle der AWO in Göttingen
Schließlich erreiche das Bafög-System längst nicht alle und Rekordzins und Inflation ergäben zusammen eine schwierige Gemengelage, erläutert Bode. Bislang greift die Bundesregierung aber nicht mit Steuermitteln ein, um den Zinssatz zu senken. Zu schlecht ist wohl die Haushaltssituation.

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Auf Alternativen zum Studienkredit schauen

Was also können Studierende jetzt tun? Wer noch überlegt, eine Studienfinanzierung abzuschließen, dem rät etwa die Sozialberatung des Studierendenwerks Gießen nur als letzte Möglichkeit zu einem Kredit. Es zeige sich auch schon ein Trend weg davon: "Studierende nehmen im Vergleich zu früher vermehrt Abstand vom KfW-Kredit, wenn wir auf die Zinshöhe hinweisen."
Zuerst werde in der Beratung ohnehin geprüft, welche Möglichkeiten es durch Elternunterhalt, Jobben, Stipendien und verschiedene Formen des Bafög gebe. Auch andere Kredite können eine Option sein.

Alternativen zum KfW-Studienkredit

Vor allem in späteren Studienphasen können andere Kredite günstiger sein als der KfW-Kredit:

  • der Bildungskredit des Bundesverwaltungsamtes mit einer monatlichen Auszahlung von bis zu 300 Euro über maximal vier Semester
  • das zinslose Staatsdarlehen des Bafög als Hilfe zum Studienabschluss: möglich, wenn man die reguläre Förderungshöchstdauer überschreitet, aber nur noch zwölf Monate bis zum Abschluss braucht
  • Manche Studierendenwerke wie etwa in Gießen bieten zinsfreie Studienabschlussdarlehen gegen Bürgschaft an: So ein Darlehen kann man ebenfalls für die letzten zwölf Monate des Studiums bekommen.

Am besten Ausgaben senken

Das beste Mittel, wann immer möglich: Die eigenen Ausgaben senken und die Einnahmen steigern. "Ich bin umgezogen, in eine günstigere WG. Und ich habe meine Stunden als studentische Hilfskraft erhöht", sagt Vanessa.
Sie arbeitet jetzt neben dem Studium 60 statt 40 Stunden im Monat in einer Tierklinik - viele davon in Nachtschichten, um tagsüber in die Vorlesungen zu gehen. Das ist anstrengend, ermöglicht ihr aber, die Schulden etwas im Rahmen zu halten.

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Privatinsolvenz als Möglichkeit in Rückzahlungsphase

Für Studierende in der Rückzahlungsphase gebe es schließlich grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten wie für andere Verschuldete, so Berater Thomas Bode: "Wenn es sehr eng wird, erreiche ich vielleicht auch einen Vergleich mit der KfW, dass ich etwas weniger zurückzahlen muss", sagt er. Und wenn gar nichts mehr gehe, weil die Situation so schlecht ist: "Dann bleibt als allerletzter Weg immer noch die Privatinsolvenz und nach drei Jahren bekommt man eine Restschuldbefreiung."
Karen Grass ist Redakteurin des ZDF-Magazins WISO.
Grafiken: Luisa Billmayer

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