: Nachhaltige Entspannung auf dem Gasmarkt?

von Ralph Goldmann
19.07.2023 | 20:59 Uhr
Nach Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine schnellten die Gas-Großhandelspreise in die Höhe. Jetzt sind sie wieder auf Talfahrt. Das könnte eine Chance für Verbraucher sein.
Der Preis für Gas ist aktuell ungewohnt niedrig.Quelle: dpa
Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, da war die Angst vor hohen Energiepreisen allgegenwärtig. "200 Milliarden gegen die Winter-Angst" titelte die BILD-Zeitung im September 2022, als die Bundesregierung die Gas- und Strompreisbremse auf den Weg brachte.
Mit ihr sollten bis zum Frühjahr 2024 die Energiekosten gedeckelt und die Verbraucher entlastet werden. Bundeskanzler Olaf Scholz nannte es den "Doppel-Wumms". Und jetzt?

Niedriger Gaspreis wegen extrem niedrigem Verbrauch

Von hohen Gaspreisen redet derzeit kaum jemand mehr. Die Preise im Großhandel sind inzwischen so niedrig wie lange nicht. Die Gründe dafür sind vielfältig, erklärt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, gegenüber dem ZDF:
Die kurzfristig niedrigen Großhandelspreise sind eine Momentaufnahme und hängen mit den gut gefüllten Speichern und der geringeren chinesischen Nachfrage zusammen.
Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur
"Der Verbrauch ist selbst für die Sommermonate sehr niedrig, das hilft bei der Vorbereitung für den Winter", so Müller weiter.
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Nach aktuellen Berechnungen des Analyse- und Marktforschungsinstituts ICIS ist die Nachfrage in Europa aufgrund "ungewöhnlich warmer Wetterbedingungen" im ersten Halbjahr 2023 um 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen, in Deutschland sogar um 16 Prozent.

Eine Ursache: die stagnierende asiatische Wirtschaft

Dabei spiele auch der Weltmarkt eine Rolle, sagt ICIS-Energieexperte Andreas Schroeder: Wegen der stagnierenden Wirtschaft in Asien sei auch dort die Nachfrage zurückgegangen. Das drücke die Preise nach unten.
Dazu kommt, dass über die neuen Terminals immer mehr Flüssiggas (LNG) geliefert wird. So werden die Gasspeicher in Deutschland immer voller.
Ich gehe davon aus, dass die Gasspeicher in den kommenden Tagen bereits zu 85 Prozent gefüllt sein werden.
Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur
Gesetzlich vorgegeben ist diese Marke erst für den 1. Oktober. Im vergangenen Jahr waren die Speicher Anfang September zu 85 Prozent gefüllt.

Bereits im Mai begannen die Energiepreise für Strom und Gas zu sinken.

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Kalter Winter könnte Preise wieder steigen lassen

Andreas Schroeder rechnet auch "bis ins dritte Quartal 2023" mit weiter fallenden Großhandelspreisen - jedenfalls bis zum Beginn der Heizperiode, solange das Wetter mitspielt:
Ein wichtiger Risikofaktor ist ein möglicher kalter Winterbeginn in Europa, der die Nachfrage ankurbeln würde.
Andreas Schroeder, Energieexperte ICIS
Das ICIS erwartet, "dass der unterdurchschnittliche Gasverbrauch auch im zweiten Halbjahr anhält, wobei die Preise immer noch über dem langfristigen Durchschnitt liegen".

Verbraucherpreise derzeit unter Gaspreisbremsenniveau

Was heißt das für die Gaskunden? Wer jetzt oder in den nächsten Monaten einen neuen Vertrag abschließt, braucht gar keine Gaspreisbremse mehr. Die Kilowattstunde ist inzwischen bereits für 8 bis 9 Cent zu haben und damit deutlich billiger als die 12 Cent, ab denen die Bremse greift. Amelie Vogler von der Verbraucherzentrale NRW empfiehlt:
Ein Wechsel lohnt sich daher wieder und jetzt ist ein guter Zeitpunkt dafür.
Amelie Vogler, Verbraucherzentrale NRW

Viele Energieanbieter werben gerade mit neuen Sparangeboten. Worauf Sie bei der Tarifsuche achten sollten.

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Vor allem Gaskunden, die sich in einem relativ teuren Grundversorgungstarif befinden, sollten jetzt unbedingt ihren Vertrag und die Preise prüfen. "Aus der Grundversorgung kann man jederzeit mit einer Frist von zwei Wochen wechseln", so Amelie Vogler.

Vorsicht bei Lockangeboten von Gasanbietern

Bei einer Preisänderung habe man immer ein Sonderkündigungsrecht. Vorsicht sei aber bei ganz besonders günstigen Lockangeboten geboten: "Im Zweifel hilft eine Internetrecherche darüber, ob ein Anbieter möglicherweise bereits Probleme bereitet hat."
Ob die Preise weiter und unter das Niveau der im Sommer 2021 fallen, ist ungewiss. Die ICIS-Analysten erwarten, "dass das europäische Angebot im dritten Quartal 2023 komfortabel bleibt, während das vierte Quartal 2023 eine große Herausforderung darstellt."
Wer also noch vor dem Winter einen günstigeren Gasvertrag abschließen kann, sollte dies tun. Allzu viel Luft nach unten scheint es derzeit nämlich nicht zu geben.
Ralph Goldmann ist Reporter im ZDF-Landesstudio Nordrhein-Westfalen.

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