: Wie Populisten uns manipulieren

von Christian Scharun
10.03.2024 | 06:27 Uhr
Populismus begegnet uns zunehmend häufiger. Um einer Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken, ist daher eine Analyse populistischer Rhetorik das Gebot der Stunde.

Populistische Positionen verzeichnen momentan einen merklichen Zulauf, ihre Urheber feiern weltweit Wahlsiege. Viele Menschen sehen deshalb auch in Deutschland die Demokratie in Gefahr. Der Populismus ist jedoch kein Phänomen, das allein rechtskonservative Politiker für sich reklamieren - die rhetorischen Techniken von Populisten ähneln sich unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung.

Dr. Christian Scharun ...

... ist wissenschaftlicher Autor in der Redaktion von MAITHINK X. Wissenschaftliche Inhalte kommuniziert er auf unterhaltsame Art und Weise auch bei Science Slams sowie auf YouTube und anderen sozialen Netzwerken. 2022 konnte er mit "FameLab Germany" einen der größten Wettbewerbe für Wissenschaftskommunikation gewinnen. Neben seiner Passion zur Wissenschaft selbst war Christian Scharun als Klimaforscher aktiv. Dabei beschäftigte er sich mit den Emissionen von Treibhausgasen und simulierte mit Klimamodellen ihren Beitrag zur globalen Erwärmung.

Ursprung vom Begriff Populismus

Inflationär häufig findet der Begriff "Populismus" aktuell im politischen Kontext Verwendung, oft passt er jedoch nicht zur eigentlichen Definition des Wortes. Es geht auf den lateinischen Ausdruck "populus" für "das Volk" zurück und bezeichnet eine Politikvorstellung, nach der einem moralisch reinen Volk die korrupte und parasitäre Elite gegenübersteht.
Heutzutage schwärmen Populisten oftmals von der Rückkehr zu einer romantisch überhöhten Vergangenheit, aus der nun unerwünschte kulturelle, religiöse, soziale oder sprachliche Feindbilder ausgeschlossen werden sollen. Aus einem "Wir sind das Volk" wird ein exkludierendes "Nur wir sind das Volk". Populismus richtet sich also nicht nur gegen eine abgegrenzte Elite, sondern schließt auch Diversität und Vielfalt aus.

Terra-X-Kolumne auf ZDFheute

In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

Populismus in vielen gesellschaftlichen Debatten

Populistische Führungsfiguren gibt es quer durch das politische Spektrum. Egal ob sie Hubert Aiwanger (Freie Wähler) oder Friedrich Merz (CDU), Sarah Wagenknecht (BSW) oder Alice Weidel (AfD) heißen, meist versprechen sie radikale Lösungen für komplexe Probleme.
Gezielte Tabubrüche und Provokationen gehören dabei ebenso zur populistischen Agitation wie das Schüren von Angst und Hass. Was wiederum zur Emotionalisierung jedweder Debatte führt, obwohl ihr eine sachliche Betrachtung und Abkühlung wohler täte. Doch auch die radikalen Forderungen und unspezifischen Protestaktionen gegen die vermeintliche politische und gesellschaftliche Elite von Gruppierungen aus dem politisch linken Spektrum, wie der "Letzten Generation", weisen populistische Züge auf.

Die Tricks der populistischen Rhetorik

"Familien in Deutschland müssen besser unterstützt werden." Dieser Aussage würden viele Menschen sicher erst einmal zustimmen. Auf den Wahlplakaten einer rechtspopulistischen Partei wie der AfD folgt den Forderungen nach einer "Bekämpfung der Kriminalität" und dem "Schutz für unsere Frauen und Kinder" jedoch meist eine xenophobe Wendung.
Dass der Verfasser dieser Aussagen nur das traditionelle Familienbild, bestehend aus Mann, Frau und Kindern, unterstützen will, dass der Mann in einer Beziehung die dominante Figur darzustellen hat, dass andere Lebensmodelle grundsätzlich abgelehnt oder sogar verboten werden sollen und Familien in unserem Land nur dann zu schützen sind, wenn es weniger Ausländer in Deutschland gibt - alles das wird auf den Plakaten zwar impliziert, jedoch nicht direkt ausgesprochen.
Die Verwendung mehrdeutiger Begriffe, um Zuhörende beabsichtigt zu einem irreführenden Schluss zu führen, nennt man auch "kalkulierte Ambivalenz". Diese vorausberechnete Doppeldeutigkeit ist eine häufig benutzte populistische Rhetorik, die eine volksnahe Inszenierung der eigenen Person sowie die Mobilisierung kollektiver Ängste zum Ziel hat.

Wann werden rhetorische Tricks eine Gefahr für die Demokratie? Prof. Paula Diehl spricht über Populismus in Politik und Medien.

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Der Populismus-Werkzeugkasten

Die Palette der populistischen Techniken ist lang. Egal ob das Gegenüber auf eine schwierige Frage plump mit einer Gegenfrage zu einem komplett anderen Thema antwortet (Whataboutism) oder zwischen einer Vielzahl von unlogischen Fragen, Falschaussagen und Halbwahrheiten hin- und herspringt, ohne einem die Chance zu lassen, die Behauptungen zu entkräften (Gishgallopping).
Am Ende hat man meist keine Chance, einem Populisten mit sachlichen Argumenten zu begegnen, und es wäre vermutlich das Beste, sie einfach zu ignorieren. Ihre hohen Umfragewerte und die große mediale Reichweite fordern uns jedoch heraus, schnellstmöglich ein Mittel gegen diese zumeist rechtspopulistischen Akteure zu finden.
Die rhetorischen Methoden der Populistinnen und Populisten sind eine Absage an jeden sachlichen Dialog und alle Versuche einer Lösungsfindung für die Herausforderungen unserer Zeit. Stattdessen fungieren sie in einer immer tiefer gespaltenen Gesellschaft als verbale Waffe gegen Toleranz, Vielfalt, Respekt sowie unsere freiheitlich demokratische Grundordnung.

Rhetorische Tricks statt echter Inhalte: Oft verliert in der Politik Sachlichkeit gegen Zuspitzung. Wie wird Populismus eine Gefahr für die Demokratie?

18.02.2024 | 27:51 min

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