: Welche Folgen hat das Extremistentreffen?

11.01.2024 | 18:30 Uhr
Nahe Potsdam besprachen AfD-Politiker mit Rechtsextremisten Pläne zur "Remigration“. Die Debatte um ein Verbotsverfahren ist neu entfacht worden. ZDFheute live ordnet ein.

Das Geheimtreffen nahe Potsdam

AfD-Vertreter, reiche Geldgeber und einschlägig bekannte Rechtsextremisten – an einem Geheimtreffen in Brandenburg nahmen viele Menschen teil. Dabei wurde laut einer "Correctiv"-Recherche Ende November 2023 offenbar die Vertreibung von Millionen aus Deutschland diskutiert. Im Zentrum stand ein Vortrag von Martin Sellner. Der 35-jährige Österreicher ist seit vielen Jahren in der rechtsextremen Szene aktiv und bestens vernetzt. Zwischen 2015 und 2023 war er Sprecher der Identitären Bewegung Österreich. Zuletzt hatte Sellner dabei vor allem ein Thema im Fokus, das er unter dem Kampagnenbegriff "Remigration" bewirbt: Wie Migration nicht nur begrenzt und gesteuert, sondern umgekehrt werden kann. Auch deutsche Staatsbürger, die seinem Bild nicht entsprechen, will Sellner umsiedeln – offenbar nach Nordafrika.
Die anwesenden Gäste, auch jene von der AfD, brachten bei dem Treffen wohl keine Einwände gegen die Pläne vor. Von Seiten der Partei nahmen den Recherchen zufolge mehrere Politiker teil, unter anderem der persönliche Referent von Parteichefin Alice Weidel, Roland Hartwig, die Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy und der Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund. Die AfD reagierte umgehend auf die Veröffentlichung des Berichts und die Teilnahme des persönlichen Referenten Weidels. Hartwig habe bei dem Treffen „lediglich auf Einladung ein Social-Media-Projekt vorgestellt“, teilte die Partei am Mittwoch mit. Sachsens Innenminister Armin Schuster von der CDU verurteilte das Geheimtreffen scharf – er fühle sich an den "dunkelsten Teil unserer jüngeren Geschichte erinnert", sagte er dem MDR. Auch Bundeskanzler Scholz sprach auf der Plattform X, vormals Twitter, von einem "Fall für unseren Verfassungsschutz und die Justiz". Die Enthüllungsgeschichte befeuert erneut die Debatte über einen Antrag für ein Verbot der AfD, den Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung stellen müssten. Die Hürden für ein Parteienverbot in Deutschland sind hoch – ein NPD-Verbotsverfahren war 2017 vor dem Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen an der Bedeutungslosigkeit der Partei gescheitert. Laut Experten liegt bei der AfD der zentrale Unterschied darin, dass es sich um eine Partei handelt, die in der Lage ist, an ihren völkischen Zielen wirkungsvoll zu arbeiten. In Wahlumfragen fährt die AfD aktuell Rekordwerte ein.
Welche Folgen hat das Treffen für die AfD? Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Verbotsverfahren durchgeführt werden kann? Und wie radikal ist das völkische Netzwerk der AfD? Darüber spricht Philip Wortmann bei ZDFheute live mit Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl und Verfassungsrechtler Prof. Dr. Christian Waldhoff.

Wer an dem Treffen teilnahm

Die Zusammenkunft in einem Hotel nahe Potsdam wurde laut den Recherchen von Gernot Mörig und Hans-Christian Limmer organsiert. Mörig, der ehemalige Bundesführer des rechtsextremen BHJ, dem "Bund Heimattreuer Jugend", wählte die Gäste aus und gab das Programm vor. Limmer, ein Investor aus dem Gastronomie-Bereich, lud gemeinsam mit Mörig ein, nahm jedoch selbst nicht am Treffen teil und distanzierte sich im Nachhinein von den Inhalten.
Die Idee der "Remigration" wurde vom Österreicher Martin Sellner, dem Taktgeber der rechtsextremen Identitären Bewegung, vorgestellt. Er fordert die staatliche Bekämpfung der Präsenz anderer Kulturen in Deutschland.
Man muss mit einer Machete durch das gesamte Aufenthaltsgesetz und diverse andere Gesetze gehen
Martin Sellner, Identitäre Bewegung
Nach "Correctiv"-Angaben waren auch zwei Mitglieder der Werteunion anwesend. Simone Baum, Vorstand der Werteunion NRW, und Michaela Schneider, ihre Stellvertreterin, äußerten sich bislang nicht zu dem Vorfall. Die CDU-NRW distanzierte sich von allen Parteimitgliedern, die an dem Treffen in Potsdam teilnahmen. Die Werteunion ist ein Verein, der beansprucht, den konservativen Markenkern von CDU und CSU zu vertreten. Ihr Vorsitzender, der umstrittene frühere Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, hatte zuletzt das Ziel formuliert, die Werteunion als eigenständige Partei auszugliedern. Zu den weiteren Anwesenden gehörten Alexander von Bismarck, ein Nachfahre des früheren Reichskanzlers, Silke Schröder, ein Vorstandsmitglied im Verein Deutsche Sprache, sowie Ulrich Vosgerau, Verfassungsrechtler und Privatdozent an der Universität zu Köln.
Die Zusammenkunft im Rahmen des "Düsseldorfer Forums" sorgte parteiübergreifend für Empörung. Die Debatte über einen Antrag für ein Verbot der AfD ist neu entfacht worden.
Mit Material von ZDF, dpa, afp