: Gaza-General rechnet mit Politikern ab

von Anselm Stern, Tel Aviv
16.03.2024 | 14:12 Uhr
Brigade-General Dan Goldfus ist ein angesehener Soldat in Israel - sein Wort hat Gewicht. Jetzt bricht er mit einem Tabu: Er mischt sich in die politischen Debatten ein.
Ein israelischer hochrangiger Soldat rechnet mit der Politik Netanjahus ab. (Symbolbild)Quelle: dpa
In Kampf-Uniform steht Dan Goldfus an der Grenze zum Gazastreifen. Sein Auftrag: Er soll mit seinen Truppen die Hamas ausschalten. Wie üblich lobt er die "vielen Errungenschaften auf dem Schlachtfeld" - doch dann bricht er mit einem Tabu. Öffentlich kritisiert Goldfus den Streit der Politik in Israel und die Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu.
"Ihr" - gemeint ist die gesamte Politik - "müsst unserer würdig sein. Ihr müsst der Soldaten würdig sein, die ihr Leben verloren haben", sagt Goldfus.

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Offene Einmischung in die politische Debatte

Offen und direkt prangert er die politische Kultur, den politischen Streit - auch innerhalb der Netanjahu-Regierung - an:
Von Herzen bitte ich euch zusammenzuhalten, vereint, das Extreme beiseite zu schieben und das Miteinander anzunehmen.
Dan Goldfus, israelischer Brigade-General
Besondere Kritik übte der General an der Regierung in Sachen Militärdienst. Er fordert vehement, dass künftig auch Ultraorthodoxe in der Armee dienen: "Sie müssen", sagt Goldfus. Ultraorthodoxe Juden sind in Israel vom Wehrdienst befreit, weil sie sich dem Studium der heiligen jüdischen Texte widmen.
Reaktionen des Regierungschefs oder des Verteidigungsministers auf die Goldfus-Aussagen gab es zunächst nicht. Doch der Topgeneral wurde ganz offenbar zum Rapport bestellt. Die Armee erklärte, Goldfus' Worte seien nicht gebilligt worden. Generalstabschef Halevi habe den General zu einem "Klärungsgespräch" geladen, schreibt die "Times of Israel".

7. Oktober 2023: Was geschah auf dem Nova-Festival?

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Es ist ein Tabubruch - Soldaten, auch Generälen, ist es eigentlich so gar nicht gestattet, politische Aussagen in der Öffentlichkeit zu treffen, sich in die politischen Debatten einzuschalten.

"Skandalös" oder "hörenswert"?

Nahum Barnea, angesehener Journalist und Kommentator für die große Tageszeitung "Yedioth Ahronoth", schreibt: "Die Rede, die der Kommandeur der 98. Division gehalten hat, war geradezu skandalös." Sie zeuge von einem Kontrollverlust, von einem Problem, unter dem die IDF (Israelische Armee) seit dem 7. Oktober leide:
Bei allem Respekt vor den Gefühlen des geschätzten Offiziers, die Kämpfe in Gaza geben ihm weder das Recht noch die Autorität, eine politische Position zu äußern.
Nahum Barnea, israelischer Journalist
Die "Jerusalem Post" dagegen kommentiert: Angesichts der zunehmenden Politisierung des Gaza-Krieges seien die "außergewöhnlichen Äußerungen des Kommandeurs erneut hörenswert."

Die UN hat den Terroranschlag der Hamas auf sexualisierte Gewalt untersucht.

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Massiver Druck aus dem In- und Ausland

Fest steht: der Vorgang zeigt, wie groß der Druck ist - wie sehr der Druck weiter steigt in Israel. Die tiefe Spaltung des Landes, die Debatte um den richtigen Weg im Gaza-Krieg, im Kampf darum, so viele Geiseln wie möglich aus der Hamas-Terror-Gefangenschaft zu befreien, wird immer härter. Der Regierungschef kämpft politisch im Inland - und massiv auch im Ausland.
Der mächtigste, der wichtigste Verbündete in Washington äußert immer deutlicher, immer schärfer Kritik an Netanjahus Regierung. Offen forderte der demokratische Mehrheitsführer im US-Senat, Chuck Schumer, Neuwahlen in Israel. Mit weit rechts stehenden Extremisten sei Netanjahu eine Koalition eingegangen und daher allzu bereit gewesen, die hohe Zahl ziviler Opfer im Gazastreifen zu dulden, sagte Schumer. Das drücke die Unterstützung für Israel weltweit auf ein historisches Tief.

Die USA haben damit begonnen, Hilfslieferungen mit Lebensmitteln aus der Luft abzuwerfen.

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Und der wahlkämpfende US-Präsident Joe Biden signalisierte kurz danach Unterstützung für Schumers Brand-Rede: "Er hat eine gute Rede gehalten", sagte Biden am Freitag im Oval Office. "Ich denke, dass er ernsthafte Besorgnis ausgedrückt hat, die nicht nur von ihm, sondern vielen Amerikanern gehegt wird."
Von außen und innen - starker Gegenwind für Israels Premierminister Benjamin Netanjahu.

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