: "Bombardierungen finden überall statt"

02.11.2023 | 18:47 Uhr
Erst wenige Tage sind Abed Hassan und seine Mutter im Gazastreifen, als es zum Hamas-Angriff kommt. Jetzt ist der Rückweg unmöglich. Der Berliner versucht, stark zu bleiben.

Abed Hassan wollte nur seine Verwandten besuchen. Jetzt sitzt er in Gaza-Stadt fest und berichtet von täglichen Einschlägen und ständig kreisenden Militärdrohnen.

02.11.2023 | 15:51 min
Der 27-jährige Abed Hassan aus Berlin wollte nur seine Verwandten besuchen, als die Terrororganisation Hamas einen Angriff gegen Israel startete und über 200 Geiseln verschleppte. Israel reagierte mit eigenen Angriffen und einer Bodenoffensive. Seitdem sitzt der Berliner mit seiner Mutter im Gazastreifen fest, er berichtet im ZDF-Interview von der Lage vor Ort.

Deutscher berichtet aus Gaza-Stadt

"Ich war einkaufen und dann ist eine Granate unmittelbar vor mit eingeschlagen", sagt Abed Hassan im Interview mit ZDFheute live. Artilleriefeuer, Drohnenflüge und Panzergranaten seien rund um die Uhr zu hören - in der Nacht besonders stark.
"Gestern Abend haben wir einen Einschlag gehabt, ich schätze 250 Meter Luftlinie von uns entfernt, bei dem auch die Splitter bei uns angekommen sind", erzählt Hassan. "Sie haben meine Cousine knapp verfehlt." Dies sei in der aktuellen Lage aber nicht außergewöhnlich gewesen. "Die Bombardierungen finden in jedem Viertel, überall statt", berichtet er.

Hassan: Familienwohnung zerstört

Die Wohneinheiten, in der er sonst mit seiner Familie wohnt, seien mittlerweile verlassen "und auch zum größten Teil zerstört", berichtet Abed Hassan aus Gaza-Stadt. Dorthin ist er mit seiner Mutter geflohen, als die Angriffe Israels begonnen haben - zu seiner Tante. Alle anderen seines Viertels seien in UN-Schulen untergebracht worden, sagt er.
Unsere eigene Wohnung ist zum Teil zerstört. Die Türen sind herausgerissen, die Fenster sind aus den Rahmen gerissen und teilweise liegen Splitter in der ganzen Wohnung.
Abed Hassan, Deutscher im Gazastreifen
Abed Hassan ist zu seiner Tante nach Gaza-Stadt geflüchtet. Doch "die Bombardierungen finden in jedem Viertel statt", sagt er.Quelle: epa

Abed Hassan: In Gaza gibt es keine sicheren Orte

Selbst das Wirtschaftsviertel des Gazastreifens sei bombardiert worden, so Hassan. Dabei gingen die Menschen im Gazastreifen bewusst in Viertel wie diese, so sagt er, da sie sich dort sicher fühlen würden. "Aber wir haben Nachbarn, die tatsächlich da hingegangen sind am zweiten Tag und dann dort verstorben sind."
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich wüsste einen Ort, wo es sicher ist, weil es in Gaza nicht wirklich sichere Orte gibt.
Abed Hassan, Deutscher im Gazastreifen
Bunker oder andere Schutzräume gäbe es im Gazastreifen nicht. Lediglich die Schulen sowie Krankenhäuser würden als einigermaßen sicher erachtet, sagt Abed Hassan.

Das Rabin Medical Center "hat sich stark darauf vorbereitet, viele Verletzte aufnehmen zu können“, so Neurologe Dr. Felix Benninger aus Israel. Er berichtet über tägliche "Übungen für den Notfall".

02.11.2023 | 05:56 min

In Gaza: "Es fehlt an Grundnahrungsmitteln"

"Seit Beginn des Krieges ist der Strom komplett abgeschaltet und das Wasser ist abgeschaltet", sagt Hassan zur Lage im Gazastreifen. Nur noch Brunnenbesitzer hätten Wasser, so der 27-Jährige. Seine Familie darf das ungefilterte Brunnen-Grundwasser von den Nachbarn trinken. Andere hätten diese Möglichkeiten nicht und müssten auf Reserven zurückgreifen. "Trinkwasser aus Flaschen zu kaufen, ist nahezu unmöglich".
ZDFheute Infografik
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Strom werde mit Gas erzeugt, so Hassan. "Das ist allerdings auch mittlerweile sehr rar, genau wie Benzin und Diesel". Um Gas zu sparen, werde auch sehr wenig gekocht, so Hassan. "Ich persönlich esse gerade einmal am Tag", sagt er und berichtet: "Es ist auch sehr schwierig, Brot zu kaufen. Die meisten Bäckereien sind außer Betrieb, wurden bombardiert oder haben selbst kein Mehl mehr, um Brot zu backen."
Es fehlt eigentlich an den Grundnahrungsmitteln, es fehlt an Strom, es fehlt an Wasser.
Abed Hassan, Deutscher im Gazastreifen
Seine Familie sei "in einer sehr priviligierten Situation", da sie sich noch kaufen könnten, was "existiert". "Allerdings wird das, was auf dem Markt da ist ... es verschwindet langsam", erzählt Hassan.

Am Grenzübergang in Rafah hoffen etwa 7.000 Ausländer auf eine Ausreise nach Ägypten, darunter auch wenige hundert Deutsche. Etwa 400 Menschen konnten das Land bereits verlassen.

02.11.2023 | 01:36 min

Im Gazastreifen auf die Flucht warten

Abed Hassan will seine Familie nicht belasten. "Ich versuche, meine Familie zu beruhigen", sagt Abed Hassan, obwohl es in dieser Lage schwierig sei, "einen Überblick zu behalten" - auch wegen der immer wieder gekappten Internetverbindung. Er selbst will die Ruhe bewahren und trotzdem: "Es passiert zu viel Leid, es sterben zu viele Menschen. Ich bekomme von zu vielen Verwandten mit, die ihr Leben verloren haben."
Ich bin grundsätzlich eine Person, die versucht, Sachen rational zu sehen und einfach mit der Angst so umzugehen. Aber ich habe vor allem extrem viel Angst um meine Verwandten. Und vor allem um meine Mutter, die hier ist.
Abed Hassan, Deutscher im Gazastreifen
Abed Hassan ist dankbar, dass es ihm und seiner Familie bisher den Umständen entsprechend gut geht. Sie warteten nun auf Informationen von den ägyptischen Behörden und der dortigen deutschen Vertretung, die eine Ausreise für Ausländer im Gazastreifen möglich machen sollen.

Wegen der prekären humanitären Lage im Gazastreifen plädieren immer mehr Länder für eine Feuerpause. Das israelische Militär soll derweil Gaza-Stadt erreicht haben.

02.11.2023 | 01:34 min

Mit Instagram nach Deutschland berichten

Einfach an die Grenze fahren, möchte er nicht: "Ich will nicht in Kauf nehmen, dass ich irgendwo hinfahre und mich in Gefahr begebe, um am Ende dann warten zu müssen oder nicht die Möglichkeit zu bekommen, rauszukönnen."
Wir warten ab, bis sich die Lage verbessert und es für uns einen Weg raus gibt.
Abed Hassan, Deutscher im Gazastreifen
Bis dahin versucht er, über Instagram Videos und Bilder nach Deutschland zu senden, um über seine Lage zu informieren. Doch: "Es ist an solchen Tagen schwierig, überhaupt Sachen aufzunehmen oder Sachen nach Deutschland zu befördern."
Quelle: ZDF

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