: Warum Brüssel Glyphosat weiter zulassen will

von Florian Neuhann, Brüssel
20.09.2023 | 15:30 Uhr
Glyphosat noch mal zehn Jahre zulassen: Das schlägt die EU-Kommission vor. Die Bundesregierung ist dagegen - steht mit ihrem Widerstand aber allein da.
Glyphosat: EU-Kommission schlägt weitere zehn Jahre Zulassung vorQuelle: dpa
Es regnet, wie so oft in Brüssel, als sich am Montag dieser Woche gut 50 Menschen auf dem Place du Luxembourg vor dem EU-Parlament versammeln. Eine Koalition aus NGOs hat aufgerufen zur Demo gegen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln - die Demonstranten wollen, dass die EU Pestizide wie Glyphosat verbietet. Sie verweisen dabei vor allem auf eine Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO: Die hatte Glyphosat 2015 als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft.
Am Mittwoch wird bekannt, dass die EU-Kommission dieser Meinung nicht folgt. Sie schlägt vor, die Zulassung des Pflanzenschutzmittels, die Ende des Jahres auslaufen würde, um zehn Jahre zu verlängern. Den entsprechenden Verordnungsentwurf legt die Brüsseler Behörde am Freitag dem entscheidenden Gremium der Mitgliedstaaten vor.
Der Einsatz von Glyphosat soll laut EU-Kommission künftig jedoch an Bedingungen geknüpft sein. So sollen Landwirte einen mindestens fünf Meter breiten Pufferstreifen einhalten, wenn sie das Mittel auf ihren Feldern einsetzen. 

EU-Behörden sehen "keinen Anlass zu Bedenken"

Bei Glyphosat handele es sich um die am meisten untersuchte Substanz überhaupt, erläutert ein hochrangiger Beamter der EU-Kommission am Vormittag in Brüssel. Allein das Dossier für die Wiederzulassung umfasse 180.000 Seiten und insgesamt 2.400 Studien.

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Vor allem verlässt die Brüsseler Behörde sich aber auf die Einschätzung ihrer eigenen Agenturen, der Europäischen Chemikalienagentur und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit. Beide hatten umfangreiche Risikobewertungen durchgeführt. Ihr Urteil war eindeutig: Es gebe "keine kritischen Problembereiche", "keinen Anlass zu Bedenken" - weder für Mensch oder Tier noch für die Umwelt. Vor allem gebe es keinen Beleg dafür, dass Glyphosat krebserregend sei.

Kritik aus Reihen der Grünen, Zustimmung aus Reihen der CDU

In der europäischen Politik wird der Vorschlag der EU-Kommission heute völlig unterschiedlich bewertet. Auf der einen Seite schimpft die EU-Parlamentarierin der Grünen, Jutta Paulus: "Die EU-Kommission setzt die Gesundheit von Millionen von EU-Bürgerinnen und Bürgern für weitere zehn Jahre aufs Spiel."

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Auf der anderen Seite sagt der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese ZDFheute: Es sei angesichts der wissenschaftlichen Analysen der Europäischen Agenturen grundsätzlich richtig, Glyphosat weiter zu verwenden. Und: "Ein Glyphosat-Verbot jetzt würde Nahrungsmittel weiter verteuern - in der jetzigen Phase hoher Inflation wäre das sicherlich falsch", so Liese.

Diplomaten: Bislang nur Deutschland gegen Verlängerung

Nun müssen die Mitgliedstaaten über den Vorschlag der EU-Kommission abstimmen - voraussichtlich im Oktober. Um die Zulassung noch zu stoppen, bräuchte es eine qualifizierte Mehrheit der Staaten.
Doch bislang hat sich nur ein Mitgliedstaat gegen die weitere Zulassung ausgesprochen - es ist, wie aus Diplomatenkreisen zu hören ist: Deutschland. Doch die Bundesregierung dürfte mit ihrem Widerstand am Ende wohl überstimmt werden.
Florian Neuhann ist Korrespondent im ZDF-Auslandsstudio Brüssel in Belgien und berichtet über EU-Themen.

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