: So will Russland die Gegenoffensive abwehren

von Christian Mölling, András Rácz
15.04.2023 | 10:18 Uhr
Während Russland in Bachmut unerbittlichen Druck macht, bereitet der Kreml die Abwehr der ukrainischen Gegenoffensive vor. Auch auf der Krim trifft Moskau dazu Vorbereitungen.
Die ukrainische Armee scheint sich schrittweise aus Bachmut zurückzuziehen.Quelle: dpa
Die russischen Streitkräfte erzielten weitere Erfolge in Bachmut. Die Kräfte der Gruppe Wagner im Zentrum, unterstützt von Eliteeinheiten des VDV (Luftlandeeinheiten) an den Flanken, haben weitere Fortschritte im belagerten Bachmut erzielt. Die Truppen der Söldnergruppe Wagner rücken ungeachtet extrem hoher Verluste weiter vor.
Offensichtlich hat die vollständige Einnahme der Stadt sowohl für die Wagner-Gruppe von Jewgeni Prigoschin als auch für die russische Armee jetzt höchste Priorität. Die Russen besetzten den größten Teil des Stadtzentrums, einschließlich eines Bahnhofs im nördlichen Teil der Stadt, sowie eine Reihe anderer öffentlicher Gebäude.

Ukraine zieht sich wohl aus Teilen Bachmuts zurück

Es gibt visuelle Hinweise darauf, dass die russischen Streitkräfte nun sowohl thermobarische- als auch Brandmunition einsetzen. So sollen verbliebene ukrainische Verteidiger aus Bachmut vertrieben werden.

Dr. Christian Mölling ...

Quelle: DGAP
... ist Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin und leitet dort das Programm Sicherheit, Verteidigung und Rüstung. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.

Dr. András Rácz ...

Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.
Bislang ist es den ukrainischen Soldaten in der Stadt gelungen, eine Einkesselung zu vermeiden - stattdessen ziehen sie sich offenbar allmählich und kämpfend zurück. Sollte Russland jedoch den derzeitigen Druck aufrechterhalten, dürfte der Sturz von Bachmut in höchstens ein paar Wochen erfolgen.
Parallel zum Vormarsch in Bachmut verstärkten die Russen auch ihre Bemühungen um Awdijiwka und versuchten, die Stadt einzukesseln. Die ukrainischen Verteidiger können ihre Stellungen bisher halten, aber die einzige verbliebene Versorgungslinie, die in die Stadt führt, ist bereits in Reichweite der russischen Mörser und Panzerabwehrraketen. Die russischen Streitkräfte führten auch in der Umgebung von Marjinka eine Reihe von Angriffen durch.

Russland bereitet sich auf ukrainische Gegenoffensive vor

Neben ihren Angriffen im Donbass haben die Russen ihre intensiven Befestigungsarbeiten in den Regionen Saporischschja und Luhansk fortgesetzt, offenbar in Vorbereitung auf die bevorstehende ukrainische Gegenoffensive. Satellitenbildern zufolge wurden Hunderte von Kilometern an Gräben und Panzerabwehrgräben ausgehoben, die von langen Reihen sogenannter "Drachenzähne" aus Beton gestützt werden, um die Bewegungsfreiheit der angreifenden Fahrzeuge weiter einzuschränken. Auch die umfangreichen Minenräumungsarbeiten werden fortgesetzt.
Die Tatsache, dass Russland nicht nur das Frontgebiet, sondern auch den nördlichen Teil der Krim befestigen, deutet darauf hin, dass die russische Militärführung kein volles Vertrauen in die Stärke der in der Region Saporischschja vorbereiteten Festungsanlagen hat.

Regnerisches Wetter beeinflusst russische und ukrainische Pläne

Die vergangenen Wochen waren von extrem schlechtem, stark regnerischem Wetter geprägt. Das hat zwar die russischen Attacken im Angriffskrieg gegen die Ukraine verlangsamt, stellt aber auch eine ernsthafte Herausforderung für die Ukraine dar, denn die unbefestigten Straßen, die sowohl nach Bachmut als auch nach Awdijiwka führen, haben sich in Schlamm-Meere verwandelt, die den Transport von Versorgungsgütern behindern.
Das Wetter wird den Beginn der lang erwarteten Gegenoffensive der Ukraine wahrscheinlich weiter verzögern. Solange der Boden nicht trocken und sehr fest ist, kann die ukrainische Militärführung die Gegenoffensive nicht starten, ohne zu riskieren, dass die Panzer aus westlicher Produktion, die etwa 1,5 Mal schwerer sind als die eigenen Panzer, im Schlamm stecken bleiben.

Weitere Waffenlieferungen für Kiew

Die Ukraine erhält weitere Artilleriesysteme. Dänemark hat die Ausbildung ukrainischer Soldaten an den in Frankreich hergestellten Panzerhaubitzen des Typs CEASAR abgeschlossen und wird seine 19 Geschütze in die Ukraine schicken. Finnland hat eine unbekannte Anzahl ehemaliger sowjetischer 152-mm-Giatsint-B-Feldgeschütze an die Ukraine geliefert, wie aus den Unterlagen hervorgeht.
Vor allem aber haben die Vereinigten Staaten und Südkorea ein Abkommen unterzeichnet, wonach Seoul 500.000 Stück 155-mm-Munition an Washington verleiht. Diese ungewöhnliche Vereinbarung ermöglicht es den USA, weitere 155-mm-Granaten in die Ukraine zu schicken, ohne ihre eigenen Bestände weiter zu verringern, und sie steht auch im Einklang mit dem südkoreanischen Verbot, Waffen in Konfliktgebiete zu liefern.
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