: Virologe: Ende der Maskenpflicht zu früh

von Julia Klaus
06.12.2022 | 12:58 Uhr
Sachsen-Anhalt und Bayern kippen als erste Bundesländer die Maskenpflicht. Auch die Isolationspflicht ist vielerorts abgeschafft. Ein Virologe hält den Zeitpunkt für falsch.
Erste Bundesländer verzichten auf eine Maskenpflicht in Bus und Bahn. Quelle: imago
Wer in Busse und Regionalbahnen in Bayern und Sachsen-Anhalt einsteigt, muss bald keine Maske mehr tragen. Beide Bundesländer verkündeten das Ende der Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr.
  • In Sachsen-Anhalt fällt die Maskenpflicht im ÖPNV schon ab Donnerstag (8. Dezember).
  • In Bayern ist das Tragen eines Mundschutzes dort ab Samstag (10. Dezember) freiwillig.
Bayern liegt damit bei den Lockerungen vorn. Denn seit Mitte November gilt dort auch die Isolationspflicht nicht mehr. Wer sich mit dem Coronavirus ansteckt, kann sogar arbeiten gehen.
Auch in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Hessen und Rheinland-Pfalz ist die Isolationspflicht von mindestens fünf Tagen für positiv Getestete aufgehoben - das Saarland beschloss deren Ende für Samstag.
Im letzten Winter noch undenkbar, werden nun zentrale Maßnahmen gegen die Virus-Ausbreitung gekippt. Die Argumente liegen auf der Hand: Die Zahl der schweren Corona-Fälle ist dank Impfung und Durchseuchung in einem Bereich, der die Kliniken nicht mehr überlastet. Man stehe am Übergang zur Endemie, sagte jüngst der Epidemiologe Hajo Zeeb - also dem Zustand, in dem ein Erreger heimisch wird.
Und: Die Zahl der Neuinfektionen ist derzeit auf einem Plateau angekommen - wobei viele Fälle auch nicht mehr auffallen, weil Schnelltests nun Geld kosten.
ZDFheute Infografik
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Virologe: Ende für "Wellenbrecher" Maskenpflicht zu früh

Der Frankfurter Virologe Martin Stürmer findet es dennoch falsch, dass "Wellenbrecher" wie die Maskenpflicht nun fallen. Zu ZDFheute sagt er:
Die Maskenpflicht im ÖPNV ist ein wichtiger Wellenbrecher gegen Infektionen. Es ist zu früh, die Masken- und die Isolationspflicht jetzt aufzugeben.
Martin Stürmer, Virologe
Zum einen stelle Longcovid viele Betroffene noch vor große Probleme. Zum anderen geht es Stürmer neben dem Coronavirus auch um andere Atemwegserkrankungen, die sich gerade ausbreiten, darunter eine heftige Grippewelle und auch das RS-Virus, das vor allem Kinder betrifft. Kinderstationen sind derzeit so überfüllt, dass viele abgewiesen werden müssen.

Immunsystem nach zweieinhalb Corona-Jahren

Es sei absehbar gewesen, so Stürmer, dass sich mit weniger Corona-Regeln auch andere Krankheiten wieder stärker ausbreiten.
Wir haben die Wellen fast drei Jahre lang mit Maßnahmen unterdrückt - das Virus jetzt in Kombination mit den anderen Krankheiten mitten im Winter durchlaufen zu lassen, ist die falsche Entscheidung.
Martin Stürmer, Virologe
Wie haben sich Corona-Regeln wie das Abstandsgebot und die Maskenpflicht auf unser Immunsystem ausgewirkt? Der Arzt und Medizinjournalist Christoph Specht erklärt im ZDF: "Zweieinhalb Jahre lang gab es keine Influenza, mit der sich das Immunsystem hätte auseinander setzen können. (...) Viele andere Erreger waren quasi nicht da." Das Immunsystem sei dann sehr ökonomisch und sage sich: Das Virus scheint hier nicht mehr die große Rolle zu spielen, wir fahren das mal zurück, so Specht.
Und die nächste Infektion, die dann kommt, kann in der Tat schwerer ausfallen.
Christoph Specht, Medizin-Journalist

Maskenpflicht als Parteipolitik

Die Ampel-Politiker reagierten auf das Masken-Aus erwartungsgemäß: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kritisierte die Entscheidung Bayerns. "Ich bin einfach davon nicht überzeugt", sagte er mit Blick auf die Pandemielage. FDP-Chef Christian Lindner begrüßte die Entscheidung dagegen, wie er auf Twitter schrieb:
Tweet von Christian Lindner
Die Corona-Politik scheint zur rein politischen Entscheidung verkommen zu sein. Lauterbach sprach kürzlich von einem "Überbietungswettbewerb" bei den Öffnungen. Mit Blick auf Bayern und weiteren unionsgeführten Ländern, die die Isolationspflicht für Infizierte aufgehoben haben, sagte er am Dienstag: "Ich habe den Eindruck, dass hier Parteipolitik auch eine Rolle spielt, und das sollte nicht sein."
Am Montag hatten sich Lauterbach und RKI-Chef Lothar Wieler auf der Gesundheitsminister*innenkonferenz dafür eingesetzt, die Masken- und Isolationspflicht beizubehalten. Doch die Länder konnten sich nicht auf einheitliche Regeln einigen. Am Dienstag nun lockerten einige - andere wie Baden-Württemberg, Hamburg und NRW wollen an den Masken im ÖPNV festhalten.
Dadurch entsteht in Deutschland erneut ein Flickenteppich an Regeln. Was dagegen erst einmal bleibt: Die Maskenpflicht in Fernzügen der Bahn. Denn das ist Sache des Bundes - und noch bis April 2023 geregelt.

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