: Rechtsruck in Deutschland und seine Gründe

von Kristina Hofmann
10.06.2024 | 11:20 Uhr
Deutschland ist nach rechts gerückt: Bei den Europa- und Kommunalwahlen haben Union und AfD gewonnen. Doch so eindeutig ist die Lage nicht: Das Land bleibt zweigeteilt.

Die AfD jubelt, die Ampelparteien müssen mit teils großen Verlusten kämpfen. So sehen die Reaktionen der Parteien auf die Europawahl in Deutschland aus.

10.06.2024 | 02:13 min
Sie waren sich offensichtlich sehr sicher: Normalerweise stellen sich um 18 Uhr die Parteispitzen nicht mitten auf die Wahlparty. Wer will schon, dass die Kameras lange Gesichter aufnehmen. Alice Weidel und Tino Chrupalla, die beiden Vorsitzenden der AfD, hatten wohl genügend Hinweise, dass sie sich nach den Europa- und Kommunalwahlen nicht verstecken müssen. Freude, Jubel, Glückwünsche, das sollten die Kameras ruhig aufnehmen. Eine Machtdemonstration.
Ähnlich der Jubel bei der Union: "Ein guter Tag für Deutschland, ein guter Tag für die Union", sagt CDU-Chef Friedrich Merz in den langen Applaus seiner Partei hinein. Bei den Europawahlen und, so Merz nach 18 Uhr: "Ich gehe davon aus, dass wir auch bei den Kommunalwahlen gute Ergebnisse erzielen." Beide Wahlen seien eine "große Ermutigung und Ermunterung".
Mit dieser Prognose lag Merz schief, zumindest bei den Kommunalwahlen im Osten. Das Ergebnis wirft manche Frage in den Parteizentralen auf: Die CDU hat ein Ost-, die AfD ein Westproblem.

Die Union sei mit großem Abstand zurück auf Platz eins, freut sich der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz. Er sei sehr stolz und dankbar über dieses Ergebnis.

09.06.2024 | 01:39 min

Deutschland bleibt zweigeteilt

Die Union wird bei den Europawahlen mit 30 Prozent die stärkste Partei, die AfD mit 15,9 Prozent die zweitstärkste Kraft. Doch beim Blick auf die Deutschlandkarte sieht es umgekehrt aus: Die AfD dominiert in den fünf östlichen Bundesländern, außer in Berlin. Die CDU kann lediglich vier Wahlkreise gewinnen. Dafür ist in der alten Bundesrepublik fast alles Schwarz, bis auf neun grüne Landkreise und nur vier für die SPD.
Einst waren die östlichen Bundesländer fest in der Hand der Union. Die Zeiten sind vorbei. Die AfD erreicht in
  • Sachsen: 31,8 Prozent
  • Thüringen: 30,7 Prozent
  • Mecklenburg-Vorpommern: 28,3 Prozent
  • Brandenburg: 27,5 Prozent.
Die Union liegt immer sieben, acht, neun Prozent dahinter. Auch bei den Kommunalwahlen liegt die AfD in Sachsen und Brandenburg vorn. Die AfD gewinnt zwar keine Stichwahl bei der Landrats- und Bürgermeisterwahl in Thüringen. Dafür wird die AfD in der drittgrößten sächsischen Stadt Chemnitz stärkste Partei und liegt auch in Dresden vorn.

In allen Landkreisen und Städten in Sachsen hat die AfD die meisten Stimmen gewonnen. Was sind die Gründe, die die Bürger*innen dazu gebracht haben, die AfD so zu stärken?

10.06.2024 | 02:24 min
Im alten Westen ist es umgekehrt: Da kommt die AfD in den großen Flächenländern wie Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg auf 12 bis 14 Prozent, die Union dagegen auf mehr als 30 Prozent.
Für die Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen könnte die Ausgangslage für die AfD kaum besser sein. "Ein guter Start in das Wahljahr", sagte Chrupalla. Die Ampel-Parteien kratzen dort alle an der Fünf-Prozenthürde, Parlamente mit Fraktionen von CDU, AfD und BSW sind denkbar. Will die CDU einen AfD-Ministerpräsidenten verhindern, müsste sie, Stand heute, mit der Wagenknecht-Partei zusammengehen.

Die AfD habe bei der Europawahl 50 Prozent neue Wähler hinzugewonnen. Das sei ein guter Start ins Wahljahr, meint der Co-Vorsitzende der AfD, Tino Chrupalla.

09.06.2024 | 02:30 min

Wie viel Schuld hat die Ampel?

Fragt sich, warum die beiden Parteien dominieren. Offensichtlich haben die Korruptions- und Spionagevorwürfe gegen die Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron der AfD nicht geschadet. Auch nicht die Kritik an der Parteispitze, wie sie mit den Fällen umgegangen ist - obwohl es lauten Unmut und Austritte aus der Fraktion gab.
Fragt man die CDU, ist die Sache eindeutig. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte am Montag im ZDF:
Die Ampel hat maßgeblichen Anteil daran, dass die AfD so stark geworden ist.
Carsten Linnemann (CDU)
Das Heizungsgesetz zum Beispiel, die ewige Diskussion um den Haushalt, Streit bei nahezu jedem Thema habe zu dem schlechten Ergebnis geführt. CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn sagte, die Politik der Ampel, habe die "extreme Rechte" gestärkt. Die drei Parteien müssten nicht ihre Politik besser erklären, sondern eine andere Politik machen. "Wie viele Vollklatschen braucht es noch?"

"Die Ampel hat den entscheidenden und maßgeblichen Anteil daran, dass die AfD so stark geworden ist", so CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zum Ausgang der Europawahl, Scholz solle die Vertrauensfrage stellen.

10.06.2024 | 05:14 min
Möglich auch: Die Diskussion um die Folgen nach dem Mannheimer Messer-Attentat eines afghanischen Flüchtlings auf einen Polizisten, der an seinen schweren Verletzungen starb. Ob das Abschiebeverbot nach Afghanistan aufgehoben werden soll und ob es trotz der markigen Ankündigung von Kanzler Olaf Scholz überhaupt umsetzbar ist, hat vor allem die Grünen gespalten und den Endspurt des Wahlkampfes dominiert.

Die Europawahl hat Verluste für die Ampelparteien mit sich gebracht. Welche Folgen der Wahlausgang für den Kanzler hat, erklärt ZDF-Korrespondentin Diana Zimmermann.

10.06.2024 | 01:40 min

AfD-Wähler wählen AfD, nicht Protest

Bislang galt die AfD auch als Sammelbecken für alle Protestwähler und Unzufriedenen. Laut den ZDF-Wahlumfragen glauben 66 Prozent der Befragten, dass die AfD-Wählerinnen und Wähler den anderen Parteien einen Denkzettel verpassen wollten. Die Anhänger der AfD selbst bestätigen das nicht: 70 Prozent sagen, sie wählen die Partei wegen ihrer Politik.
Auch in der Union entscheidet diese Frage eher die Perspektive: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der bei den Landtagswahlen im Herbst sein Amt an die AfD verlieren könnte, sagte am Montag: "Die Europawahl ist eine Protestwahl gewesen." Soll heißen: In Sachsen ist die AfD nicht seinetwegen so stark geworden.
Man müsse aber aufhören, so Kretschmer, vor Rechtspopulisten ständig nur zu warnen.
Es muss wieder darum gehen, dass jeder über seine Inhalte redet.
Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident in Sachsen
Dann werde man Rechtspopulisten wieder zurückholen. Denn die Migration- und Energiepolitik der Ampel sei besonders schlecht gewesen.
Allerdings: Profitiert hat die AfD laut der ARD-Statistik zur Wählerwanderung von allen Parteien. 570.000 Stimmen kamen von der Union, und genau so viele von der SPD.

Trotz ihres Wahlsiegs müssten die europäischen Konservativen um eine demokratische Mehrheit zittern, kommentiert Anne Gellinek, die stellvertretende Chefredakteurin des ZDF.

09.06.2024 | 01:37 min

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