: Was weiß Scholz über Nord-Stream-Sabotage?

von David Gebhard, Julia Klaus, Felix Klauser
29.08.2023 | 20:36 Uhr
Nach Recherchen von ZDF frontal und "Spiegel" führen Spuren der Nord-Stream-Täter in die Ukraine. Die Opposition fordert mehr Aufklärung - was sagt Bundeskanzler Scholz?

Soll Deutschland die Ukraine weiter mit Panzern oder gar Kampfjets unterstützen, wenn sich nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler die Spuren in Richtung Ukraine verdichten?

29.08.2023 | 07:14 min
Deutsche Ermittler haben kaum noch Zweifel, dass die Gas-Pipelines von Nord Stream von Tätern mit Ukraine-Bezug gesprengt wurden. Das haben Recherchen von ZDF frontal und "Spiegel" vergangene Woche gezeigt. Demnach sollen die Röhren vor einem Jahr mithilfe der Segelyacht "Andromeda" zerstört worden sein. Die Crew soll vor und nach der Sabotage in der Ukraine gewesen sein, darauf weisen elektronische Daten hin, die Ermittler auswerten konnten.
Sehen Sie hier die ZDF-frontal-Dokumentation in voller Länge:

Wer steckt hinter den Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines? Für deutsche Ermittler verdichten sich die Spuren in Richtung Ukraine - eine Spurensuche auf der Ostsee.

25.08.2023 | 36:08 min
Was sagt Bundeskanzler Olaf Scholz zu den Hinweisen? Bei einem Termin in München vergangene Woche bleibt er gegenüber ZDF frontal schmallippig:
Zu diesen Fragen gibt es keine neuen Erkenntnisse. Fragen Sie den Generalbundesanwalt.
Olaf Scholz (SPD), Bundeskanzler
Die Ermittlungen zum größten Anschlag auf Europas Infrastruktur in der jüngeren Geschichte führt die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe. Offiziell läuft das Verfahren gegen "Unbekannt". Interviews zu den Ermittlungen lehnt die Bundesanwaltschaft ab.
Kanzler Scholz ist bei manch anderem Termin redseliger. Vor Bürgerinnen und Bürgern in Brandenburg hatte er Mitte August versichert: Die Amerikaner seien es jedenfalls wohl nicht gewesen. Warum die Zurückhaltung bei den Spuren in Richtung Ukraine? Fürchtet die Bundesregierung, dass Zweifel an der Unterstützung für Kiew aufkommen könnten, wenn tatsächlich Ukrainer für den Anschlag verantwortlich wären?
Gegenüber ZDF frontal äußern sich auch jene, die Waffenlieferungen ohnehin kritisch sehen. Die Chefin der Linkspartei etwa:
Es wirkt von außen nicht so, als hätte die Bundesregierung das größte Interesse an der Aufklärung. Sollte der ukrainische Staat, die ukrainische Regierung davon gewusst haben, dann wäre das natürlich schon ein absoluter Hammer!
Janine Wissler, Vorsitzende Linkspartei

Sendehinweis frontal

Quelle: ZDF
Sehen Sie mehr zum Thema bei frontal, um 21 Uhr im ZDF und in der ZDF-Mediathek.
Die AfD war immer gegen Waffenlieferungen an die Ukraine, trotz des russischen Angriffskriegs und der Attacken auf die Zivilbevölkerung. Ihr Vorsitzender geht nun einen Schritt weiter:
Wenn sich das bewahrheiten sollte, dann muss man die Ukraine als feindlichen Staat ansehen. Deshalb darf die Ukraine - wenn sich das bestätigen sollte - mit weiteren Hilfsgeldern nicht weiter bedient und belohnt werden.
Tino Chrupalla, AfD-Vorsitzender
Der Grüne Anton Hofreiter hält die AfD für "eine Truppe, die überwiegend aus Landesverrätern besteht und das Narrativ von Moskau verbreitet", wie er ZDF frontal sagte. Und:
Ich bin der Meinung, dass der Anschlag und die Unterstützung der Ukraine nicht miteinander vermengt werden sollten. Es ist unser eigenes Interesse, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt.
Anton Hofreiter, Bündnis 90/Die Grünen

Recherchen von ZDF frontal und dem Spiegel legen nahe, dass mithilfe eines Segelboots die Nord Stream Pipelines gesprengt wurden. Zudem zeigen Hinweise in Richtung Ukraine.

25.08.2023 | 02:18 min

Gesprengte Röhren von Nord Stream reparieren?

Der sächsische Ministerpräsident, Michael Kretschmer von der CDU, war und ist skeptisch gegenüber massiver militärischer Unterstützung der Ukraine. Angesprochen auf die jüngsten Recherchen zu Nord Stream nutzt er die Gelegenheit, eine andere Forderung aufzuwärmen: "Wir wollen die Täter wissen und noch viel wichtiger ist, dass wir in Anbetracht der aktuellen Energielage diese Pipeline sichern."
Nord Stream 1 ist durch eine Straftat zerstört worden. Es war eine Infrastruktur, die wichtig war. Wir können sie in den nächsten zehn, fünfzehn Jahren wieder brauchen.
Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident Sachsen
Soll russisches Gas also wieder fließen, sobald der Krieg vorbei ist - als wäre nichts gewesen? Kretschmers Parteikollege Norbert Röttgen widerspricht dem deutlich - und hält an der Hilfe für das angegriffene Land fest:
Nord Stream war immer falsch. Es geht nicht darum, darüber zu sinnieren, eine Pipeline zu reparieren. Es geht darum, die Ukraine mit dem zu unterstützen, was sie braucht.
Norbert Röttgen (CDU)

Wie fest steht die Unterstützung für die Ukraine?

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), mitten im Wahlkampf in Hessen, hatte vergangene Woche auf die Recherche reagiert: Sie hoffe auf eine Anklage der Täter. Ihr Parteikollege Boris Pistorius, der als Bundesverteidigungsminister die Waffenlieferungen stets verteidigt, betont auch gegenüber ZDF frontal, er habe "nicht eine Sekunde Zweifel, dass wir die Ukraine unterstützen - und zwar so lange es notwendig ist". Doch Pistorius (SPD) weiß, dass diese Zweifel in der Bevölkerung wachsen können.
Für die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper sprechen sich laut aktuellem ARD-Deutschlandtrend nur 36 Prozent aus - im Osten sind deutlich mehr Menschen dagegen als im Westen. Wie schnell die generelle Unterstützung für Kiew abflauen könnte - darüber möchte der Bundeskanzler öffentlich nicht nachdenken.
Dass über die Konsequenzen intern diskutiert werden dürfte, darauf deutet ein kleines Wort hin: "noch". Gefragt, welche Folgen eine ukrainische Täterschaft für deutsche Waffenlieferungen hätte, sagte Pistorius dem ZDF:
Im Moment stellt sich die Frage noch nicht. Ich kenne die Berichterstattung, kenne aber keinerlei Fakten aus dem Ermittlungsverfahren selbst. Deswegen stellt sich die Frage erst dann, wenn klar feststeht, wer's ausgelöst hat.
Boris Pistorius (SPD), Bundesverteidigungsminister
Der Druck auf die Bundesregierung wächst. Öffentlich verspricht sie im Fall Nord Stream Aufklärung und Transparenz. Doch seit einem Jahr hüllt sie sich in Schweigen, sobald nach Spuren gefragt wird, die in die Ukraine deuten.
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