: Bund lehnt Pflichtversicherung weiter ab

21.06.2024 | 10:11 Uhr
Bund und Länder können sich nicht auf eine Hochwasser-Versicherungspflicht einigen. Die von der Ampel vorgeschlagene Angebotspflicht reicht den Ministerpräsidenten nicht aus.

Eine Pflichtversicherung für Elementarschäden konnten die Länder beim Bund-Länder-Gipfel nicht durchsetzen. Der Bund will lediglich eine Angebots-Pflicht der Versicherer umsetzen.

21.06.2024 | 00:21 min
Die Bundesregierung gibt der Forderung der Länder nach einer bundesweit geltenden Pflichtversicherung gegen Hochwasser- und andere Elementarschäden nicht nach. Der federführend zuständige Bundesjustizminister, Marco Buschmann, begründete am Donnerstagabend die ablehnende Haltung der Regierung folgendermaßen:
Die aus dem Länderkreis geforderte Pflichtversicherung würde das Wohnen in Deutschland teurer machen, eine große Bürokratie nach sich ziehen und den Staat nicht aus der finanziellen Haftung nehmen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann
Bei dem Treffen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidenten sei aber vereinbart worden, zu der Frage weiter im Gespräch zu bleiben. "Uns verbindet, dass wir den Schutz vor Elementarschäden und ihren Folgen verbessern wollen, beim Weg sind wir uns nicht einig", sagte der FDP-Politiker.
Eine Verpflichtung der Versicherer, jedem Gebäudebesitzer eine Versicherung gegen Elementarschäden anzubieten, sei aus seiner Sicht eine bessere Lösung, für die er weiter werben wolle. Kanzler Scholz sagte nach dem Treffen mit den Ministerpräsidenten: "Alle müssen ein Angebot kriegen."

Asylverfahren in Drittstaaten, Bezahlkarte für Geflüchtete und Pflichtversicherung für Elementarschäden – das sind die Themen, die die Länderchefs mit Kanzler Scholz besprechen.

20.06.2024 | 01:38 min

Rhein: Angebotspflicht reicht nicht aus

Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Angebotspflicht reicht den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer allerdings nicht aus. "Freiwilligkeit wird das Problem der mangelnden Versicherungsabdeckung nicht lösen. Wir halten eine Pflichtversicherung weiter für richtig", sagte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) nach der Konferenz der Länderchefs. Sie würden jetzt in einen Arbeitsmodus gemeinsam mit der Bundesregierung einsteigen, um zu einer Lösung zu kommen.
Die Versicherungsquote, die nach Branchenangaben derzeit bei 54 Prozent liegt, steige trotz Katastrophen wie im Ahrtal nur um ein bis zwei Prozent pro Jahr an. "Das ist zu wenig und das geht deutlich zu langsam", sagte Rhein.
Und am Ende zahlt natürlich immer die Zeche der Steuerzahler, egal ob es ein Steuerzahler ist, der eine Versicherung hat oder der keine Versicherung hat. Und das ist aus unserer Sicht falsch.
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU)

Bei der Ministerpräsidentenkonferenz debattieren die Länder über eine Einführung einer Hochwasser-Pflichtversicherung. Worum es dabei geht, berichtet Shakuntala Banerjee.

20.06.2024 | 01:02 min

Grünen-Politiker Benner: Prämie nicht komplett an Mieter weiterreichen

Auch der Grünen-Rechtspolitiker Lukas Benner sprach sich für eine bundesweite Versicherungspflicht gegen Elementarschäden aus. Er sagte: "Mit der richtigen Ausgestaltung fördert sie Prävention und gewährleistet Planungssicherheit für Betroffene sowie eine solidarische Kostenverteilung."
Der Bundestagsabgeordnete sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Die Prämie sollte nicht komplett an die Mieter weitergereicht werden können." Da, wo aufgrund eines hohen Risikos extrem hohe Prämien gefordert würden, sollte man zwischen Bestandsgebäuden und Neubau differenzieren, um gerechte Lösungen zu finden.

Was sind Elementarschäden?

Das sind Schäden, die durch das Wirken der Natur hervorgerufen werden, also etwa Hagel, Sturm ab Windstärke acht, Überschwemmung, Erdbeben, Erdsenkung oder Schneedruck.

In Deutschland sind laut Gesamtverband der Versicherer (GDV) etwas mehr als 50 Prozent aller Privathäuser gegen Elementarschäden wie Hochwasser und Überschwemmung versichert - eine zu geringe Quote, denn: "Starkregen kann überall auftreten und Schäden verursachen", warnt der GDV. Die Quoten sind je nach Bundesland sehr unterschiedlich - in Baden-Württemberg sind 94 Prozent versichert, in Bremen nur 31 Prozent.

Welche Versicherung ist möglich?

Sturm- und Hagelschäden und Schäden nach Blitzeinschlag sind über die Gebäudeversicherung und die Hausratversicherung abgesichert. Für andere Schäden ist die Elementarschadenversicherung erforderlich, die in Kombination mit der Gebäude- oder Hausratversicherung abgeschlossen werden kann oder als Erweiterung.

Bestimmte Schäden werden damit aber nicht abgedeckt, warnt der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) - etwa Schäden durch Grundwasser, das nicht an die Oberfläche gelangt. Das Auto können Besitzer mit einer Teilkaskoversicherung gegen Elementarschäden absichern, wie das Verbraucherportal Finanztip rät. 

Was zahlt eine Versicherung?

Hauseigentümern mit Elementarschadenversicherung in der Gebäudeversicherung zahlt die Versicherung Reparaturen im und am Haus und Kosten für Trockenlegung oder Sanierung. Ist ein Haus nicht mehr bewohnbar, übernimmt die Versicherung auch Abriss und Neubau, erklärt der GDV. 

Wie rechnen die Versicherer?

Ein Versicherungsunternehmen entscheidet nach dem Schadensverlauf der vergangenen Jahre oder Jahrzehnte, ob er einer Hauseigentümerin oder einem -eigentümer eine Police verkauft. Viele Versicherer richten sich nach dem "Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen" (Zürs) mit vier Klassen. In Klasse eins ist ein Hochwasser statistisch gesehen seltener als alle 200 Jahre - in Klasse vier dagegen kommt es statistisch einmal in zehn Jahren oder öfter vor.

Auch ein Bach im näheren Umkreis beeinflusst die Einstufung. Eigentümer eines Hauses in Gefährdungsklasse vier haben laut vzbv nur eine Chance auf Elementarschutz, wenn sie "extrem hohe Versicherungsbeiträge" zahlen. Laut Finanztip betrug der Aufschlag für eine Elementarabsicherung Ende 2022 zwischen acht und 580 Prozent. Eine Versicherung kann den Versicherungsschutz auch verweigern. 

Was wären die Vorteile einer Pflichtversicherung?

Hochwasser, Überschwemmungen und Überflutungen werden wegen des Klimawandels in Zukunft immer häufiger sein - seit der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 fordern deshalb schon Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eine Pflichtversicherung für alle privaten Wohnungseigentümer unabhängig von der Gefährdungsklasse.

Menschen in sicheren Regionen würden so Versicherungen für Menschen in Risikoregionen günstiger machen. NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) sagte dazu kürzlich im WDR, aktuell würden die Kosten von Naturkatastrophen vom Steuerzahler getragen - "die Bürger werden sowieso indirekt zur Kasse gebeten".

Und die Nachteile?

Die FDP argumentiert, eine solche Pflicht würde die Wohnkosten für alle erhöhen, weil Eigentümer die Kosten auf Mieterinnen und Mieter abwälzen würden. Der Eigentümerverband Haus & Grund betont, eine Pflichtversicherung verhindere keinen einzigen Schadensfall. 

Was schlagen die Versicherer vor?

Der GDV legte 2021 nach der Ahrtal-Katastrophe ein "Gesamtpaket" vor. Die Versicherer schlagen eine Kombination aus weiterhin freiwilliger Versicherung, Beteiligung des Staates im Katastrophenfall und mehr staatlichen Investitionen in Schutzmaßnahmen vor.

Bereits abgeschlossene Gebäudeversicherungen würden zu einem Stichtag automatisch auch den Elementarschutz enthalten - sofern die Kunden nicht widersprechen. Dieses Paket wäre laut Verband schneller umzusetzen als eine Pflichtversicherung, mit weniger "Eingriffen in einen funktionierenden Markt für Naturgefahrenversicherungen".

Quelle: AFP

Länder fordern gesetzliche Regelung für Pflichtversicherung

Die Länder fordern den Bund schon länger auf, eine gesetzliche Regelung zur Einführung einer bundesweiten Pflichtversicherung für Elementarschäden zu schaffen, die auch Sturmflutschäden umfassen soll. Nach den Vorstellungen der Länder sollen die Unternehmen jedem Hauseigentümer, der sich gegen Elementarschäden versichern will, einen Vertrag anbieten müssen.
Bisher finden Hausbesitzer für Gebäude in stark hochwassergefährdeten Gebieten teils keine Versicherung, die das hohe Risiko übernehmen will. Nur etwa die Hälfte der in Deutschland stehenden privaten Gebäude ist elementarversichert.

"Die Häufung solcher Wetterextremereignisse ist sehr wohl mit dem Klimawandel in Verbindung zu bringen", sagt ZDF-Meteorologin Katja Horneffer zur Hochwasserlage in Süddeutschland.

03.06.2024 | 03:34 min
Quelle: dpa, Reuters

Thema

Mehr zu den Themen