: Wird Macron für "grüne" Atomenergie kämpfen?

von Ulf Röller
23.03.2023 | 05:41 Uhr
Da gibt es das offizielle Programm. Große Themen, die beim heute startenden EU-Gipfel anstehen. Und dann gibt es die Themen, die die Teilnehmer des Gipfels wirklich bewegen.
Atomreaktoren im französischen CattenomQuelle: dpa
Die Tage vor einem Gipfel sind fiebrig. Brüssel kann verwirren. Sortieren wir uns. Da gibt es einmal die offizielle Agenda. Die EU-Kommission hat mehrere Vorschläge auf den Tisch gelegt, um Europas Ziel zu erreichen, bis 2050 klimaneutral zu sein. Sie tragen so klangvolle Namen wie Net-Zero-Industrial-Act.

Es geht um viel Geld in Brüssel

Im Grunde geht es hier um gigantische Investitionen in grüne Technologien. Ein Beispiel: Bis 2030 sollen mindestens 40 Prozent der Technologien für eine klimafreundliche Wirtschaft in der EU hergestellt werden. Ein ehrgeiziger Plan. Damit der gelingt, will die EU die Investitionen in die sogenannten Grünen-Technologien verdreifachen. Wir reden von vielen Hundert Milliarden.
Die Pläne der EU für die Zukunft der Industrie:
Dieses Investitionsprogramm soll nicht nur eine Antwort auf die Klimakrise sein, sondern auch auf ein riesiges Investitionspaket, dass die USA gerade geschnürt haben. Achtung, jetzt kommt noch so ein Name: den Inflation Reduction Act. Amerika will in den nächsten Jahren die gigantische Summe von 737 Milliarden Dollar für den Aufbau einer Grünen-Industrie ausgeben.

Angst vor Erfolgen der USA

So sehr sich die EU darüber freut, dass der Mann, der im Weißen Haus sitzt, nicht mehr die Klimakatastrophe leugnet, so sehr ist sie besorgt darüber, dass die USA im Kampf um die Zukunftstechnologien Europa abhängen könnten.
Deshalb sind sie die 27 Mitgliedstaaten einig, dass die EU sich gegen den großen Bruder aus Amerika positionieren muss. Aber sie sind sich nicht einig, welche EU-Länder von den vielen Milliarden, die Europa investieren will, profitieren.

Macrons Nebenschauplatz

Und jetzt kommen wir zum inoffiziellen Teil des Gipfels. Der ist schwer vorherzusagen. Eine Rolle könnte der französische Präsident Emmanuel Macron spielen. Der kämpft für Atomenergie. Denn rund 70 Prozent des französischen Stroms stammt aus Kraftwerken.

Beim EU-Gipfel in Brüssel kamen auch Themen zur Sprache, die eigentlich nicht auf der Tagesordnung standen.

23.03.2023 | 03:17 min
Die EU aber eigentlich will erneuerbare Energien besonders fördern. Um an die Fördergelder heranzukommen, wendet Macron einen Trick an. Er spricht bei der Atomenergie von grüner Energie, weil der Strom emissionsfrei, sprich ohne CO2-Abgase produziert wird. Die Gleichung des Präsidenten lautet: Grün gleich gut, gleich EU-Mittel, gleich Geld für Paris.
Aus den Kreisen der französischen Delegation heißt es, Macron wolle für eine vorurteilsfreie Haltung gegenüber Atomenergie kämpfen. Ob er es bereits auf diesem Gipfel macht, weiß niemand. Aber Macron steht innenpolitisch mächtig unter Druck. Er braucht Erfolge.

Ampel-Streit dringt bis nach Brüssel

Noch ein anderer steht mächtig unter Druck. Der deutsche Bundeskanzler - Olaf Scholz. Das Klima in der Koalition ist noch schlechter als das globale. Und es strahlt bis auf den Gipfel.
Bei Scholz geht es um den Verbrennungsmotor. Eigentlich war das Aus des Verbrennungsmotors ab 2035 in der EU besiegelt. Doch nun bestehen die Liberalen auf Nachverhandlungen. Der Verbrennungsmotor soll auch nach 2035 zugelassen werden, wenn diese Autos mit E-Fuels betankt werden können. E-Fuels gelten als emissionsfrei. Deshalb sieht die FDP keinen Grund, den Verbrennungsmotoren generell zu verbieten.
Was Bundesverkehrsminister Volker Wissing zum Verbrenner-Aus sagt, sehen Sie hier:
In Europa ist man erstaunt. Die Bundesregierung hat dem Kompromiss zugestimmt, wie alle anderen 26 auch. Und nun will sie ihn noch einmal aufschnüren. Die Verlässlichkeit der Ampel-Koalition wird in Europa hinterfragt. Deutschlands Ruf leidet. Die Enttäuschung über das Verhalten ist groß.
Wie gesagt, darüber wird offiziell nicht gesprochen. Weder über Macrons Atomtrick noch über Scholz Verbrennungsmotor-Problem. Aber die Sorge in Europa wächst, dass die Krisen in Berlin und Paris Brüssel schwächen.

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