: Wo die deutsche Energiewende ihre Grenze hat

von Tobias Käufer
24.04.2023 | 10:04 Uhr
Erneuerbare Energien statt fossiler Brennstoffe: Was gut klingt, ist noch keine Realität. In Lateinamerika werden die Widersprüche der deutschen Energiepolitik besonders deutlich.
Mit grünem Wasserstoff sollen Energieimporte diversifiziert werden. (Symbolbild)Quelle: dpa/Julian Stratenschulte
Eines der Schlüsselländer für die grüne Wasserstoffstrategie der deutschen Bundesregierung in Lateinamerika ist Brasilien. Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) reiste vor einigen Wochen in das größte südamerikanische Land, um vor Ort für die Strategie zu werben - und bei der neuen brasilianischen Regierung um den linksgerichteten Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva neue Partner zu finden.

Industrieunternehmen, die CO2 freisetzen, müssen für ihre Emissionen künftig einen höheren Preis zahlen.

18.04.2023 | 03:25 min

Habeck setzt auf grünen Wasserstoff aus Brasilien

Die Ausgangsvoraussetzungen seien gut, sagt Ansgar Pinkowski, Direktor Energiewende und Nachhaltigkeit von der Deutsch-Brasilianischen Industrie- und Handelskammer in Rio de Janeiro. "Brasilien hat aufgrund seiner geographischen und natürlichen Voraussetzungen beste Bedingungen für die Produktion von grünem Wasserstoff."
Schon jetzt ist der Anteil der erneuerbaren Energien in Brasilien vergleichsweise sehr hoch.
Ansgar Pinkowski, Deutsch-Brasilianische Industrie- und Handelskammer
Aber eben noch nicht hoch genug, denn die Produktion von grünem Wasserstoff ist nach aktuellem Stand der Technik energieintensiv. Soll das Konzept gelingen, müsste Brasilien weiter in den Ausbau der Sonnen- und Windenergie, oder die in Teilen umstrittene Wasserkraft investieren, damit der Wasserstoff auch wirklich grün produziert werden kann.

Grüner Wasserstoff

Erneuerbare Energie in Deutschland wird auch in Zukunft für die erforderlichen Mengen bei weitem nicht ausreichen. Deutschland wird demnach weiter auf Energieimporte angewiesen sein. Wasserstoff ermöglicht es, grüne Energie aus sonnen- und windreichen Weltregionen zu importieren. Grüner Wasserstoff wird – etwa durch Elektrolyse – klimaneutral aus erneuerbarem Strom erzeugt. Das Gas ist farblos und nicht wirklich "grün". Die Farbe bezieht sich auf die Herstellungsart. Grauer Wasserstoff etwa wird aus Erdgas, Kohle oder Öl hergestellt.   

Einsatz von grünem Wasserstoff

Das klimafreundliche Gas wird vor allem die Stahl-, Chemie- und Zementindustrie künftig als Brennstoff brauchen, um Erdgas oder Kohle zu ersetzen. Es kann auch gespeichert und etwa bei Flauten oder in Dunkelphasen zur Stromerzeugung genutzt werden. Auch Busse, Bahnen, Lkw oder Flugzeuge können damit laufen. In der Regel wandelt eine Brennstoffzelle das Gas in Strom um, der dann einen E-Motor antreibt. Als Abgas entsteht dabei Wasserdampf.

Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung

Es könnte allerdings auch ganz anders kommen, denn im Nationalen Energieplan ist der Bau von bis zu acht neuen Atomkraftwerken vorgesehen. Ob es tatsächlich dazu kommt, ist unklar. Die neue Regierung hat gerade erst den Zeitplan für die Suche nach möglichen Standorten verlängert. Die Technik dazu könnte aus China oder Russland kommen.

Mehr kolumbianische Kohle in deutschen Kohlekraftwerken

In Kolumbien hatte sich die seit Mitte letzten Jahres im Amt befindliche neue Regierung um Linkspolitiker Gustavo Petro vorgenommen, aus der Kohle- und Erdölexploration auszusteigen.
Doch dann kam Berlin: Weil die Deutschen im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine kein Erdgas mehr aus Russland beziehen und zudem aus der Atomenergie aussteigen, laufen in Deutschland nun die Kohlekraftwerke zur Stromerzeugung auf Hochtouren. Und die Kohle dazu kommt verstärkt aus Kolumbien.
Statt der angestrebten und im Wahlkampf versprochenen Dekarbonisierung droht nun ein ganz anderes Szenario.

Die Atomkraft hat zuletzt kaum noch zum Strommix beigetragen. Wie das früher aussah und wie die erneuerbaren Energien die Kernenergie überholten.

15.04.2023 | 00:28 min

Doppelmoral deutscher Energiewende?

Laut "Global Energy Monitor" könnte in Kolumbien nun der Startschuss für drei große neue Minen mit einer Förderkapazität von bis zu 32 Millionen Tonnen gegeben werden. Konsequenz für das Klima: Der Bergbausektor des Landes könnte laut der Organisation zusätzlich 216.000 Tonnen Methan pro Jahr emittieren.
Das entspräche einer Verdopplung bestehender Emissionen, die offiziell gemeldet werden. Was Deutschland wegen seines angestrebten Ausstiegs aus der Kohleförderung nicht mehr aus der Erde holt, kommt nun aus Kolumbien. Eine überzeugende Werbung für die deutsche Energiewende ist das erst einmal nicht.

Länder wie Uruguay können in Sachen Erneuerbare Vorbild sein

Einige Länder sind unterdessen bei der Produktion aus erneuerbaren Energien ohnehin viel weiter als Deutschland. Selbst unter dem wegen seiner Amazonas-Abholzungszahlen international umstrittenen rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro stieg in Brasilien der Anteil der erneuerbaren Energien laut Gesellschaft für Internationalen Zusammenarbeit (GIZ) von 46,1 Prozent (2019) auf 48,4 Prozent (2020).
Uruguay liefert derweil Zahlen, von denen die deutsche Politik derzeit nur träumen kann. Die Stromerzeugung des Landes gelang laut einem Bericht des Energieministeriums zu 91 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen.
Wasserkraft mit einem Anteil von 39 Prozent, Windkraft (32 Prozent) und Biomasse (17 Prozent) bilden dabei die wichtigsten Stromquellen. Die Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen ging von 15 auf neun Prozent zurück.

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