: Sudan: Dreitägige Waffenruhe vereinbart

25.04.2023 | 04:06 Uhr
Ankündigungen zur Waffenruhe gab es im Sudan zuletzt mehrfach - gehalten wurden sie nicht. Nun haben die USA vermittelt. Seit Mitternacht gilt eine dreitätige Vereinbarung.
Im von tagelangen Kämpfen erschütterten Sudan ist um Mitternacht eine Waffenruhe zwischen den beiden Konfliktparteien unter Vermittlung der USA in Kraft getreten. Berichte über größere Gefechte gab es in der Nacht zu Dienstag zunächst nicht, aufgrund jüngster Erfahrungen herrschte jedoch Skepsis, ob die Feuerpause wirklich hält.
Der UN-Sicherheitsrat will in einer Dringlichkeitssitzung erneut über die Lage im Sudan beraten - Diplomatenkreisen zufolge wahrscheinlich in öffentlicher Runde am Dienstagabend gegen 21 Uhr (MESZ).

Waffenruhe für 72 Stunden vereinbart

US-Außenminister Antony Blinken hatte am Montag darüber informiert, dass sich die sudanesischen Streitkräfte und die mit ihnen rivalisierenden paramilitärischen Einheiten (Rapid Support Forces, RSF) darauf geeinigt hätten, ab Mitternacht für 72 Stunden eine landesweite Waffenruhe einzuhalten.
Die RSF bestätigten die Feuerpause und kündigten die Einrichtung humanitärer Korridore an, um Zivilisten Zugang zu ärztlicher Versorgung und Schutzzonen zu ermöglichen sowie die Evakuierung ausländischer Diplomaten zu unterstützen.

US-Außenminister ruft zu "sofortiger und vollständiger" Einhaltung auf

Die US-Regierung fordere beide Seiten nachdrücklich auf, sich "sofort und vollständig" an diese Absprache zu halten, so Blinken. Bereits zuvor hatte es von den Konfliktparteien ähnliche Ankündigungen gegeben, die Waffenruhe wurde jedoch nicht eingehalten.
Blinken erklärte weiter, um auf ein dauerhaftes Ende der Kämpfe hinzuarbeiten, wollten sich die USA mit regionalen und internationalen Partnern und sudanesischen Akteuren abstimmen.
Es solle ein Ausschuss eingerichtet werden, der Verhandlungen über ein Ende der Kämpfe, deren Abschluss und Umsetzung überwachen solle. Grundsätzlich sei das Ziel, dass wieder eine zivile Regierung in dem nordostafrikanischen Land die Macht übernehme.

Die sudanesische Armee und die RSF-Miliz

Wie stark sind die beiden Truppen?

Das Forschungsinstitut IISS schätzt die Stärke der Armee auf 100.000 und die der paramilitärischen Miliz Rapid Support Forces (RSF) auf 40.000 Mann. Andere Experten gehen von 100.000 Paramilitärs aus, halten jedoch die Armee ebenfalls für zahlenmäßig stärker. Bei den Kämpfen zeichnet sich bislang noch keine Überlegenheit einer der beiden Seiten ab.

Der Konflikt entzündete sich am Streit darüber, wie die Miliz in die regulären Truppen integriert werden soll. Armeechef Al-Burhan wollte die Eingliederung binnen zwei Jahren abschließen und den Paramilitärs die Rekrutierungskriterien der Armee auferlegen. Milizenchef Daglo forderte zehn Jahre Zeit für die Integration und dass seine Leute ihre Ränge behalten. Der RSF-Miliz gehören tausende Kämpfer an, die an Kriegsverbrechen in Darfur unter der Herrschaft von Ex-Diktator Omar al-Baschir beteiligt gewesen sein sollen.

Welche militärischen Ziele haben sie?

Bisher kämpften die beiden Truppen gemeinsam gegen Aufständische in entlegenen Provinzen. Jetzt bekriegen sie sich auf dem für sie unbekannten Terrain der Hauptstadt Khartum gegenseitig. "Weder die Armee noch die RSF haben einen großen Anreiz, sich zurückzuziehen", sagt Aly Verjee von der afrikanischen Organisation Rift Valley Institute.

Die Paramilitärs wollten den Konflikt in die Länge ziehen, um so den Vorteil der Armee durch ihre Luftwaffe zunichte zu machen, meint Verjee. Die Armee versuche mit ihren Kampfflugzeugen, die Miliz schnellstmöglich zu schwächen.

Wie könnte der Konflikt enden?

Die US-Menschenrechtsanwältin Jehanne Henry, die den Sudan seit Jahren beobachtet, beschreibt mehrere düstere Szenarien: Wenn die Armee gewinnt, "werden Al-Burhan und seine Kumpanen die Islamisten des alten Regimes wieder einsetzen" und den internationalen Druck ignorieren, wie sie es während des jahrzehntelangen internationalen Embargos gegen Al-Baschirs Herrschaft getan hätten. Bestenfalls würden sie einige verbündete Zivilisten ernennen, um den Schein zu wahren, sagt Henry.

Einen Sieg der Paramilitärs hält die Juristin für weniger wahrscheinlich. Die Miliz "könnte den Konflikt in die Länge ziehen, indem sie sich mit anderen bewaffneten Gruppen in entfernten Provinzen verbündet".

Gibt es Verbündete im Ausland?

Im Norden "unterstützt Ägypten, das gerne Kolonialmacht wäre, die Armee", sagt Henry. Kairo gehe es vor allem um das Nilwasser. Im Süden verfolge Äthiopien "eigene Interessen, auch als Gegengewicht zu Ägypten" - auch hier geht es um das Nilwasser - und könnte sich deshalb auf die Seite der RSF-Miliz stellen, sagt sie.

Die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen - möglicherweise auch mit Waffen - die Paramilitärs, da diese für die von Saudi-Arabien angeführte Koalition im Jemen kämpften. Über die Wüsten des Tschads und Libyens, die an Daglos Hochburg Darfur grenzen, könnten Munition und Söldner zur RSF gelangen.

Das Forschungszentrum International Crisis Group befürchtet, dass sich der Konflikt auf die Nachbarländer ausweitet, weil "ethnische Gruppen, deren Heimat über die Grenzen des Sudan hinausgeht, betroffen sein könnten".

Quelle: AFP

Kämpfe seit mehr als einer Woche

Im Sudan waren vor mehr als einer Woche schwere Kämpfe zwischen den zwei mächtigsten Generälen des Landes und ihren Einheiten ausgebrochen. Die zwei Männer führten das Land im Nordosten Afrikas mit rund 46 Millionen Einwohnern seit zwei gemeinsamen Militärcoups 2019 und 2021.
De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, kämpft mit dem Militär gegen seinen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, den Anführer der mächtigen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF). Eigentlich hätten die RSF der Armee unterstellt und die Macht im Land wieder an eine zivile Regierung übertragen werden sollen.

Bundeswehr hat Koordinierung der Evakuierungsflüge übernommen

Die Waffenruhe könnte weitere Evakuierungseinsätze der Bundeswehr ermöglichen. Wie ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in der Nacht zum Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin mitteilte, hat Deutschland die Abstimmung von Evakuierungsflügen aus dem Sudan von Frankreich übernommen. Die Bundeswehr sei nun zuständig für die Koordination der Flugbewegungen zum Aufnahmeflugplatz.

Die erste Militärmaschine der Bundeswehr mit Evakuierten aus dem Sudan ist am Morgen in Berlin gelandet. An Bord, 101 Deutsche, ihre Familien und Angehörige weiterer Partnerstaaten.

24.04.2023 | 01:39 min
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte zuvor gesagt, dass sich noch weitere Deutsche vor Ort befinden. Man arbeite mit Hochdruck daran, sie zu erreichen. 
Am Dienstag flog die Bundeswehr rund 100 weitere Menschen aus dem umkämpften Sudan aus. Sie seien in einem nunmehr fünften Militärtransporter gewesen, der in Jordanien landete, sagte ein Sprecher. Die Gesamtzahl der Evakuierten liege damit bei etwa 500 Menschen, darunter Deutsche und Bürger anderer Staaten.
Die Bundeswehr hatte am Sonntag begonnen, die ersten Deutschen aus dem Sudan auszufliegen. Wie das funktioniert:
Quelle: dpa, AFP, Reuters

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