: Wie Europa und die Welt aufrüsten

von Marcel Burkhardt
10.03.2024 | 23:02 Uhr
Der Konflikt mit Russland führt zu massivem Aufrüsten in Europa. Größter Profiteur: die USA. Russlands Waffenexporte haben sich indes halbiert - nicht nur wegen des Ukraine-Kriegs.

Der Ukraine-Krieg hat den weltweiten Rüstungsmarkt verändert. Die Waffenimporte nach Europa haben sich nach Angaben des Instituts Sipri in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt.

11.03.2024 | 00:27 min
Das Gefühl einer Bedrohung durch Russland wächst bei vielen europäischen Regierungen nicht erst seit dem Überfall auf die Ukraine 2022, sondern bereits seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014. Damit versetzte Russlands Machthaber Wladimir Putin seine westlichen Nachbarn in Alarmbereitschaft - und seitdem besteht der Trend zu einem massiven Aufrüsten in Europa, wie ein aktueller Bericht des Stockholm International Peace Research Institute (Sipri) zeigt.

Aufrüstung: Europas Großwaffenimporte stark gestiegen

Demnach stiegen die Großwaffenimporte der europäischen Staaten zwischen 2019 und 2023 im Vergleich zum vorangegangenen Fünfjahres-Zeitraum um 94 Prozent.
Laut Sipri-Forscher Pieter Wezeman ist Russlands Aggressionskurs der "wichtigste Grund" dafür, dass europäische Staaten schwere Rüstungsgüter wie Kampfflugzeuge, Panzer und Luftverteidigungssysteme kaufen.
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Waffenkauf im großen Stil zur "Beziehungspflege"

Hinzukommen zusätzliche "Bedrohungswahrnehmungen", ausgelöst etwa durch die "äußerst prekäre Sicherheitslage im Nahen Osten" oder die zunehmende Instabilität in der Sahelzone, wie Pieter Wezeman darlegt.
Den größten Gewinn aus dem europäischen Aufrüstungstrend ziehen US-Waffenproduzenten:
Mehr als die Hälfte der Waffenimporte europäischer Staaten kommen aus den USA.
Dan Smith, Direktor des Stockholm International Peace Research Institute (Sipri)
Zu einer ganzen Reihe von Beweggründen der europäischen Nato-Staaten, Großwaffen aus den USA zu kaufen, zähle das Ziel, "die transatlantischen Beziehungen aufrechtzuerhalten", so Smith.

Im Verteidigungskampf gegen Russland mangelt es der Ukraine zunehmend an Munition und Waffen. Reporter Timm Kröger berichtet von der Front aus der Stadt Kupjansk.

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Die USA rüsten die Welt auf

Die USA bleiben der mit Abstand größte Waffenexporteur der Erde. Zwischen 2019 und 2023 lieferte die Großmacht schwere Waffen an insgesamt 107 Staaten. Sie steigerte ihre Verkäufe im Vergleich zum vorangegangenen Fünfjahres-Zeitraum um 17 Prozent. Im aktuellen Sipri-Bericht heißt es dazu:
Das Volumen der Waffenexporte der USA in den Jahren 2019-23 war um 282 Prozent höher als Frankreichs, des zweitgrößten Waffenexporteurs weltweit.
Auszug aus dem Sipri-Bericht
Frankreich steigerte seine Verkäufe um 47 Prozent und zog damit an Russland vorbei, dessen Exporte sich gleichzeitig halbierten.
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Gründe für stark gesunkene Waffenexporte Russlands

Die Gründe hierfür sind laut Sipri: Der hohe russische Waffenverschleiß im Krieg in der Ukraine, ein Rückgang der Aufträge aus China und Indien sowie geltende Sanktionen. Hinzu wirkt laut Pieter Wezeman in vielen Staaten der Druck der USA und ihrer Verbündeten, "keine russischen Waffen zu erwerben".
Die häufig beschriebene hohe Abhängigkeit der Europäer von US-Waffen hält Sipri-Forscher Pieter Wezeman für zu undifferenziert: "Technisch gesehen scheint Europa in der Lage zu sein, die meisten Arten von Waffen herzustellen, von Kampfflugzeugen bis zu Panzern, von U-Booten bis zu Luftverteidigungssystemen, von Sonaren bis zu Fregatten", sagt Pieter Wezeman.

Wie ist die globale Situation bei Waffentransfers?

Laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri ist das Volumen der globalen Waffentransfers zwischen 2019 und 2023 im Vergleich zum vorangegangenen Fünfjahres-Zeitraum marginal um 3,3 Prozent gesunken.

Die Folgen der aggressiven russischen Außenpolitik führten in Europa allerdings zu stark steigenden Importen von Großwaffen. Die von Russland angegriffene Ukraine ist der größte Waffenimporteur Europas und inzwischen viertgrößter Importeur der Erde. Noch weitaus mehr Großwaffen als die Europäer kaufen weiterhin Staaten in Asien und Ozeanien sowie Länder im Nahen Osten.

Was hat es mit dem Wettrüsten in Asien auf sich?

In Asien setzt sich Wettrüsten fort, berichten die Sipri-Forscher. Besonders besorgniserregend sei das schlechte Verhältnis des weltweit größten Waffenimporteurs Indien zu den rivalisierenden Nuklearmächten Pakistan und China.

Grenzstreitigkeiten dieser Länder und der Konflikt anderer Staaten mit China um Ansprüche im Südchinesischen Meer sowie die chinesisch-taiwanesischen Auseinandersetzungen sind einige Gründe für starkes Misstrauen und Aufrüsten in der Region.

Wer profitiert von der Aufrüstung im Nahen Osten?

Die USA sind global betrachtet der weitaus größte Profiteur im internationalen Handel mit Großwaffen. Zwischen 2019 und 2023 ging mit 38 Prozent der größte Anteil der US-Exporte in den Nahen Osten. Im Vergleich zum vorangegangenen Fünfjahres-Zeitraum ging das Volumen allerdings um 12 Prozentpunkte zurück.

Zu den größten US-Waffenimporteuren in der Region gehören Saudi-Arabien, Katar, Kuwait und Israel. Laut Sipri stammen 69 Prozent der israelischen Großwaffenimporte aus den USA, 30 Prozent kommen aus Deutschland.

Wird überall in der Welt aufgerüstet?

Anders als in Europa, Asien und im Nahen Osten ist das Volumen importierter Waffen in Afrika um 52 Prozent zurückgegangen. Hauptgrund dafür waren die starken laut Sipri Importrückgänge in Algerien (-77 Prozent) und Marokko (-46 Prozent).

Zusammengefasst betrachtet gingen auch in den Sub-Sahara-Staaten die Importe in den vergangenen fünf Jahren zurück. Gleiches gilt für den amerikanischen Doppelkontinent. Dort sanken die Importe von Großwaffen um 7,2 Prozent.

Enge Verflechtung zwischen Europa und USA

Neben den politischen und wirtschaftlichen Bemühungen "um eine enge Bindung der USA an Europa" lenkt Pieter Wezeman den Blick auch auf die engen Verflechtungen in militärischer Hinsicht.
"Beim F-35-Kampfjet etwa werden wichtige Komponenten von europäischen Nutzern des Flugzeugs hergestellt, was die USA bei ihren Waffen auch in gewisser Weise von Europa abhängig macht", sagt der Forscher.

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Europäer mit hohen Waffenexporten nach Asien

Diese "militärisch-industrielle Leistungsfähigkeit" spiegele sich auch in dem Fakt wider, welche Rolle europäische Staaten bei der Bewaffnung anderer Teile der Welt spielen: So exportieren Frankreich, Deutschland, Italien, Großbritannien und Spanien - alle unter den weltweit zehn größten Exporteuren - große Waffenmengen nach Asien und Ozeanien.
Wettrüsten und Argwohn zwischen konkurrierenden Staaten Asiens besorgt die Stockholmer Friedensforscher seit langem. Ein treibender Aspekt laut Sipri-Asienexperte Siemon Wezeman:
Viele Staaten in Asien und Ozeanien blicken seit über einem Jahrzehnt mit wachsendem Misstrauen auf Chinas zunehmende militärische Fähigkeiten und territoriale Ansprüche und Großmachtambitionen und -verhalten.
Siemon Wezeman, Sipri-Asienexperte
Diese Staaten, von Japan und Südkorea im Osten, über viele südostasiatische Staaten und Australien in der Mitte bis hin zu Indien im Westen, reagierten auf Chinas Politik mit eigener massiver Aufrüstung.
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In Asien und auch im Nahen Osten sehen die Sipri-Forscher eine gefährliche Rüstungsspirale. Die Statistik unterstreicht dies: Neun der zehn größten Waffenimporteure sind in diesen Weltregionen zu finden.
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