: Raynaud-Syndrom - Kälte mit Folgen

von Bianca Koch
16.02.2024 | 10:48 Uhr
Ein Griff in den Kühlschrank und die Finger werden weiß und taub. Sie wirken wie abgestorben, können später schmerzen. Was hinter dem Phänomen steckt und was man dagegen tun kann.

Heike Strobl hat das Raynaud-Syndrom. Ihre Finger reagieren auf Kälte wie abgestorben. Wie sich das im Alltag auswirkt und was sie dagegen unternimmt.

15.02.2024 | 05:23 min
Beim Raynaud-Syndrom kommt es zu einer anfallartigen Durchblutungsstörung der Finger. Weil sich diese ganz plötzlich weiß verfärben, spricht man auch von der Weißfinger- oder Leichenfingerkrankheit. Vor allem Kälte und plötzliche Temperaturwechsel lösen die Anfälle aus, ebenso Stress. Die Symptome können schlimmstenfalls Stunden anhalten. Meist klingen sie aber nach Minuten wieder ab.

Raynaud-Syndrom: Trikolore-Phänomen typisch

Während eines Raynaud-Anfalls ziehen sich die feinen Blutgefäße krampfartig zusammen, sodass weniger Blut in die Finger gelangt. Der Gefäßspezialist Markus Schäfer vom Marienkrankenhaus Kassel erklärt:
Das Zusammenspiel von gefäßerweiternden und -zusammenziehenden Faktoren funktioniert beim Raynaud-Syndrom nicht gut.
Markus Schäfer, Angiologe, Marienkrankenhaus Kassel
Dadurch werden die Finger zuerst weiß, dann taub und wirken wie abgestorben. Der Mangel an Sauerstoff führt schließlich zu einer bläulichen Verfärbung. Löst sich der Gefäßkrampf, werden die Finger wieder durchblutet und zunächst sehr rot. Man bezeichnet dies als "Trikolore-Phänomen". Das Berühren der Finger ist meist unangenehm. Sie können auch Schmerzen. "Manchmal sind auch die Zehen betroffen. Ganz selten auch Ohr, Nase oder sogar die Brustwarzen", so Schäfer.

Primäres und sekundäres Raynaud-Syndrom

Das primäre Raynaud-Syndrom tritt familiär gehäuft und vor allem bei Frauen auf. Die Ursachen sind unbekannt. Die Beschwerden beginnen häufig schon während der Pubertät. Die Weißfärbung ist an beiden Händen oft symmetrisch, der Daumen ist meist nicht betroffen.
Treten die Anfälle erst nach dem 35. Lebensjahr auf, weist dies auf ein sekundäres Raynaud-Syndrom hin. Die häufigste Ursache hierfür sind entzündlich-rheumatische Erkrankungen. Sie können auch die Blutgefäße angreifen.
Typischerweise ist bei diesen Patienten das Raynaud-Syndrom sehr ausgeprägt und kann sogar zu offenen Stellen im Bereich der Fingerkuppen führen.
Markus Schäfer, Angiologe, Marienkrankenhaus Kassel
Auch wenn Schmerzen im Vordergrund stehen, ist es wahrscheinlicher, dass ein sekundäres Raynaud-Syndrom vorliegt.

Ursachen eines sekundären Raynaud-Syndroms

  • Bestimmte Grunderkrankungen können zu einem sekundären Raynaud-Syndrom führen. Dazu gehören vor allem Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis, zum Beispiel Kollagenosen, also Erkrankungen des Bindegewebes wie die systemische Sklerose (Sklerodermie), aber auch eine rheumatoide Arthritis, Vaskulitiden (Entzündungen der Blutgefäße) sowie Multiple Sklerose und andere neurologische Krankheiten.
  • Daneben können bestimmte Medikamente, zum Beispiel Betablocker, manche Antidepressiva oder auch Migräne-Mittel, Zytostatika und Interferon, ein Raynaud-Syndrom auslösen. Ebenso Chemikalien wie Vinylchlorid und Arsen, wenn auch heute äußerst selten.
  • Äußere Einwirkungen, etwa chronische Vibrationen oder ständige Erschütterungen, die bei der Arbeit auf die Hände übertragen werden, sowie Hautschäden durch Erfrierungen können ebenfalls Ursache sein.
Angiologen, Experten für Gefäßerkrankungen, können mit verschiedenen Untersuchungen herausfinden, ob ein Raynaud-Syndrom vorliegt. Wichtig sind auch die genaue Anamnese, Laboruntersuchungen und das Abklären einer Grunderkrankung als Ursache für die Symptome.

Möglichkeiten zur Therapie bei Raynaud-Syndrom

Die primäre Form des Raynaud-Syndroms ist in der Regel gutartig. Offene Stellen oder Verschlüsse in den Fingern treten nicht auf. Die meisten Betroffenen benötigen daher auch keine besondere Behandlung. Um im Alltag zurecht zu kommen, genügt es, Kälte und plötzliche Temperaturwechsel zu meiden oder sich entsprechend zu schützen.
Bei starken Beschwerden können Medikamente, so genannte Kalziumantagonisten eingesetzt werden. Sie erweitern die Gefäße und werden normalerweise bei Bluthochdruck angewendet. Bei Raynaud-Betroffenen mit normalem Blutdruck können sie Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen oder Schwindel hervorrufen. Allerdings:
Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, wenn man dieses Medikament sehr einschleichend dosiert und über einen Zeitraum von vier Wochen aufdosiert.
Dr. Markus Schäfer, Angiologe, Marienkrankenhaus Kassel
Beim sekundären Raynaud-Syndrom steht die Therapie der Grunderkrankung im Vordergrund. Sind Medikamente der Auslöser, helfe es in der Regel schon, diese abzusetzen, sagt Schäfer.
In sehr schweren Fällen wird versucht, die Durchblutung der Finger mit speziellen Medikamenten zu verbessern. Ziel ist es, Nekrosen, also offene Stellen an den Fingerkuppen, schlimmstenfalls Gefäßverschlüsse zu verhindern.

Tipps für den Alltag

  • Schutz vor Kälte ist die wichtigste Maßnahme. Sind Temperaturen einstellig, sollten Betroffene Handschuhe anziehen. Fäustlinge eignen sich besser, da sich die Finger gegenseitig wärmen. Viele Betroffene haben gute Erfahrungen mit beheizbaren Handschuhen und Taschenwärmern gemacht.
  • Bei der Hausarbeit verhindern Gummihandschuhe, dass die Haut Wasser aufnimmt. Verdunstet Wasser auf der ungeschützten Haut entzieht dies dem Körper Wärme, was eine Raynaud-Attacke auslösen kann.
  • Handmassagen und Fingertraining mit einem Grip-Trainer oder Therapieball verbessern die Durchblutung der Fingermuskulatur.
  • Stress, Hektik und innere Anspannung wirken sich negativ auf die Blutgefäße aus. Beim Stressabbau helfen Entspannungstechniken wie autogenes Training oder Yoga.
  • Nikotin gilt als Auslöser von Durchblutungsstörungen. Betroffene sollten deshalb nicht rauchen.

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