: Sepsis - warum sie oft zu spät erkannt wird

von Susanne Seidl
13.09.2023 | 08:02 Uhr
Jährlich erkranken 300.000 Menschen in Deutschland an einer Blutvergiftung, 75.000 davon sterben. Bessere Aufklärung könnte helfen. Denn die Symptome einer Sepsis sind irreführend.

Eine Sepsis ist ein medizinischer Notfall, der sofort ärztlich behandelt werden muss. Oft wird angenommen, sie enstehe nur durch eine entzündete Wunde. Dabei kann jede Infektion eine Blutvergiftung auslösen.

13.09.2023 | 05:55 min
"Jeder Arzt, jede Ärztin und alle Pflegenden müssen die Sepsis auf dem Zettel haben, um sie rechtzeitig zu erkennen", sagt Intensivmediziner Matthias Gründling von der Universitätsmedizin Greifswald. Laut Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. ist sie die dritthäufigste Todesursache in Deutschland.
Gründling und sein Team haben eine "Kitteltaschenkarte" entwickelt, die das Krankenhauspersonal daran erinnert, bei unklaren Krankheitsbildern auch an eine mögliche Sepsis zu denken. Die Karte ist Teil der Kampagne "Deutschland erkennt Sepsis", mit der unter anderem das Aktionsbündnis Patientensicherheit aufklären will.

Arzt und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht erklärt, wodurch eine Sepsis ausgelöst wird und wie man sich schützen kann.

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Irreführende Symptome bei einer Sepsis

Neben hohem Fieber und Schüttelfrost kommen bei einer Sepsis unter anderem starke Schmerzen und Herzrasen dazu. Alles Anzeichen, die anfangs auch auf eine Grippe hinweisen.
Aber wenn die Angehörigen sagen, mein Mann/meine Frau ist ganz anders als sonst, so kenne ich ihn/sie gar nicht, dann sollte das ein großes Achtungszeichen sein.
Priv.-Doz. Dr. Matthias Gründling, Intensivmediziner
Gründling rät, dann die Notfallnummer 112 zu rufen, denn die Sepsis sei ein Notfall wie ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall.

Typische Anzeichen einer Sepsis

Die Symptome einer Blutvergiftung sind oft vielfältig und uneindeutig:

  • Sehr starkes Krankheitsgefühl
  • Hohes Fieber
  • Schüttelfrost
  • Erhöhter Puls
  • Niedriger oder abfallender Blutdruck
  • Orientierungslosigkeit / Bewusstseinsstörung
  • Atemnot
  • Zu wenige / zu viele weiße Blutkörperchen im Blut

Der berühmte rote Strich am Arm …

… der zum Herzen führt, weist nicht auf eine Sepsis hin, sondern auf eine Entzündung der Lymphbahnen. Auch dann sollte der Betroffene rasch zum Arzt, denn im schlimmsten Fall kann sich daraus ebenfalls eine Sepsis entwickeln, muss aber nicht.

Was passiert bei einer Sepsis im Körper?

Normalerweise wehren Zellen des Immunsystems alle Krankheitserreger ab. Bei einer Sepsis gerät die Reaktion des Körpers auf eine Infektion jedoch außer Kontrolle.

Die Abwehrzellen greifen den gesamten Körper an, der Blutdruck fällt ab, der Blutkreislauf bricht zusammen und weitere Organe wie Niere, Lunge oder Leber können versagen. Amputationen können die schwerwiegende Folge sein.

Immunzellen sind weiße Blutkörperchen. Sie werden im Knochenmark gebildet. Neben den Makrophagen, den Fresszellen, sind die Lymphozyten die wichtigste Gruppe der Immunzellen.

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Ursachen einer Sepsis

Die Ursachen für eine Sepsis liegen immer in einer Infektion. Auslösende Erreger sind vor allem Bakterien. Aber auch Viren, Pilze oder Parasiten können eine Sepsis verursachen.
Sie entwickelt sich aus einer anfangs begrenzten Infektion: häufig aus einer Lungenentzündung, einem Harnwegsinfekt, einer Infektion im Bauchraum oder einer Hirnhautentzündung (Meningitis).

Nina ist 33, als sich nach einem Krankenhausaufenthalt ihr Leben für immer verändert. Die zweifache Mutter erleidet eine lebensbedrohliche Sepsis mit bleibenden Schäden.

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Auch medizinische Eingriffe wie eine Darmspiegelung oder eine Hüft-OP können zu einer Sepsis führen. Und natürlich eine einfache Schnittverletzung. Grundsätzlich kann jede Infektion zu einer Sepsis führen, wenn sie nicht durch das Immunsystem in Schach gehalten oder wirksam mit Medikamenten behandelt wird.

Sepsis: Wer besonders gefährdet ist

Von einer Sepsis sind häufig Menschen mit einem schwachen Immunsystem wie Schwangere, Frühgeborene und ältere Menschen betroffen. Ein erhöhtes Risiko für eine Sepsis haben:

  • Säuglinge unter einem Jahr
  • ältere Menschen ab ca. 60 bis 65 Jahren

Außerdem gefährdet sind Menschen mit:

  • chronischen Erkrankungen (wie etwa der Lunge, der Leber, der Nieren oder des Herzens)
  • Diabetes
  • Krebs
  • geschwächtem Immunsystem
  • fehlender Milz

Quelle:

infektionsschutz.de

Wie man einer Sepsis vorbeugen kann

Schützen kann sich jeder mit Impfungen gegen Grippe und - je nach Alter - gegen Pneumokokken, die eine Lungenentzündung verursachen können.
Regelmäßiges Händewaschen, eine gute Lebensmittelhygiene sowie eine sterile Versorgung von Wunden können das Eindringen von Krankheitserregern in den Körper verhindern.

Aufklärung kann Leben retten

Dem Team der Unimedizin Greifswald um Matthias Gründling ist es mit Schulungen und einem Sepsis-Qualitätsmanagement in den vergangenen zehn Jahren gelungen, die Sterberate der Sepsis-Patienten stark zu reduzieren.
Das medizinische Personal auf allen Stationen im Uniklinikum ist inzwischen für die Problematik sensibilisiert. Schon beim kleinsten Verdacht wird dem Patienten Blut abgenommen, um es frühzeitig auf eine mögliche Sepsis zu analysieren. Das spart Zeit und gibt den behandelnden Medizinern die Möglichkeit, schneller zu reagieren und damit Leben zu retten.
Susanne Seidl ist Reporterin im ZDF-Landesstudio Mecklenburg-Vorpommern.

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