: Wie ISPK, Taliban und Russland zusammenhängen

von Nesar Fayzi
06.04.2024 | 19:16 Uhr
Der ISPK hat einen brutalen Anschlag auf Russland verübt. Die Terrorgruppe will ihre Angriffe ausweiten, die Taliban lehnen den ISPK entschieden ab. Wie alles zusammenhängt.
Die Hintergründe des Anschlags in Moskau sind kompliziert. Mehr zur Bedeutung der ISPK und der Verbindung zu den Taliban.Quelle: phoenix
Der jüngste Angriff der Terrororganisation ISPK auf ein Konzert in der Moskauer Crocus City Hall hat die russische Gesellschaft hart getroffen. Die traurige Bilanz: 140 Todesopfer, Hunderte Verletzte. Trotz vorausgegangener Warnungen der USA konnte das Konzert stattfinden und die Angreifer ihren brutalen Plan in die Tat umsetzen.
Welche Rolle spielt der ISPK für Afghanistan, seinen Hauptsitz, und die dort herrschenden Taliban? Und welche Beziehung besteht zwischen Russland und den Machthabern in Kabul?

Der russische Präsident Wladimir Putin hat "radikale Islamisten" für das Massaker an mehr als 130 Menschen in einer Konzerthalle am Rande Moskaus verantwortlich gemacht.

25.03.2024 | 03:00 min

Warum Putin ISPK zunächst nicht als Täter definierte

Nach Berichten der russischen Nachrichtenagentur Interfax wurden elf Personen im Zusammenhang mit dem Anschlag festgenommen, darunter vier, die direkt an dem bewaffneten Überfall beteiligt sein sollten.
Obwohl sich der ISPK zu dem Anschlag bekannt hatte, versuchte der russische Präsident Putin unmittelbar danach die Verantwortung in Richtung Ukraine zu schieben und damit die eigene Schwäche, das Nicht-Verhindern des Terrors zu beschwichtigen. Terrorismusforscher Peter Neumann sagte vor einigen Tagen im ZDF heute journal: "Er [Putin] versucht zum einen von seinem eigenen Versäumnis abzulenken, der Tatsache, dass er diesen Anschlag nicht verhindern konnte, obwohl sogar die Amerikaner davor gewarnt hatten." Weiter:
Und er versucht gleichzeitig das umzulenken in eine für ihn positive Richtung, das heißt für seine eigene Sache, für seinen eigenen Aggressionskrieg gegen die Ukraine.
Peter Neumann, Terrorismusforscher
Sehen Sie hier das Interview in voller Länge:

Nach dem Terroranschlag bei Moskau versuche der Präsident Putin durch Propaganda "von seinem eigenen Versäumnis abzulenken“, sagt Terrorismusforscher Peter Neumann.

25.03.2024 | 04:20 min

Was ist der ISPK?

Der sogenannte Islamische Staat Khorasan (ISPK), ist ein Ableger der Terrororganisation IS und benannt nach einer historischen östlichen Region in der iranischen Hochebene. Sie liegt zwischen West- und Zentralasien, umfasst den Westen Afghanistans, den Nordosten Irans, die östlichen Hälften Turkmenistans und Usbekistans, den Westen Tadschikistans und Teile Kirgisistans und Kasachstans. Er entstand Ende 2014 im Osten Afghanistans und machte sich schnell einen Namen für extreme Brutalität.

Reaktion der Taliban auf ISPK: US-Propaganda

Auch die Taliban legen solche Vorfälle und die Aktivität des ISPK entsprechend eigener Interessen aus. Der Sprecher der Taliban, Zabihullah Mujahid, äußerte sich in einem lokalen Fernsehsender. Er hat Behauptungen über verstärkte ISPK-Aktivitäten als reine US-Propaganda abgetan. Und deutete an, dass solche Geschichten darauf abzielen, die Taliban und ihre Verbündeten in ein negatives Licht zu rücken. Dabei haben Taliban und ISPK eine Gemeinsamkeit: die Ablehnung der USA.
Das zeigt, wie kompliziert die Situation in Afghanistan teilweise ist, wenn sich verschiedene Gruppen gegenseitig der Verbreitung falscher Informationen beschuldigen. Die Taliban versuchen, die Menschen davon zu überzeugen, dass die Berichte über ihre Verbindungen zum ISPK Teil einer größeren Propagandaaktion der USA und ihrer Verbündeten sind.
Das soll helfen, von internen Problemen abzulenken, und soll den Anschein erwecken, man sei als legitime Regierung in der Lage, Afghanistan sicher und stabil zu halten.

Anschlagswarnungen in europäischen Städten häufen sich. Die Verdächtigen sollen zu einem Ableger des sogenannten Islamischen Staates gehören. ZDFheute live zur Bedrohungslage in Deutschland.

27.12.2023 | 27:40 min

Afghanistan: US-Abzug begünstigte Ausbreitung von Terroristen

Afghanistans Instabilität hat das Land schon lange zu einem fruchtbaren Boden für terroristische Organisationen wie den ISPK gemacht. Dazukommt: Durch den plötzlichen Abzug der US-Streitkräfte aus Afghanistan 2021, die einen beachtlichen Teil ihres militärischen Equipments zurückließen, konnte sich der ISPK relativ leicht bewaffnen.
Die Kombination aus leichtem Zugang zu Waffen und Technologie, schwierigem Terrain, schwacher Regierungsführung und durchlässigen Grenzen schafft ein Umfeld, in dem solche Gruppen meist ungestraft operieren und nur schwer entdeckt bzw. bekämpft werden können.

Der Abzug aus Afghanistan wird für den Westen zur Demütigung. Am Ende geht es nur noch darum, möglichst viele einheimische Helfer vor den Taliban in Sicherheit zu bringen.

03.10.2021 | 49:35 min
Der ISPK besteht aus ganz unterschiedlichen Kämpfern und zieht Rekruten aus verschiedenen Ethnien weltweit an. Die strategischen Grenzen Afghanistans zu Tadschikistan, Usbekistan, Turkmenistan, Pakistan und China ermöglichen es der Terrororganisation, ihre Präsenz in der Region zu verstärken und dort gezielt nach neuen Kämpfern zu suchen.

Unterschied zwischen Taliban und ISPK

Taliban: Historisch gesehen haben sich die Taliban in erster Linie auf Afghanistan konzentriert und nur in begrenztem Maße mit militanten Gruppen außerhalb der Region zusammengearbeitet, obwohl sie einigen ausländischen dschihadistischen Organisationen Zuflucht gewährt haben. Sie haben sich auch an Friedensverhandlungen mit der afghanischen Regierung und internationalen Akteuren beteiligt.

ISPK: Die Terrorgruppe verfolgt eine aggressivere und expansivere Agenda, strebt ein globales Kalifat an und ist in Konflikte außerhalb des Irak und Syriens verwickelt. Aufgrund ideologischer und strategischer Differenzen ist er nicht nur mit den Regierungen im Nahen Osten, sondern auch mit anderen dschihadistischen Gruppen, einschließlich Al-Qaida und ihren Zweigorganisationen, aneinandergeraten.

Die Taliban betrachten den ISPK …

… als externe Bedrohung für ihre Kontrolle in Afghanistan und wollen verhindern, dass der ISPK im Land Fuß fasst. Ideologisch gesehen gibt es einige Ähnlichkeiten zwischen den Taliban und dem ISPK, ihre Mitglieder sind mehrheitlich sunnitisch. Auch wollen beide ihre Macht in Afghanistan stabilisieren und ihren Einfluss ausweiten. Der ISPK agiert aber um einiges radikaler als die Taliban. Besonders auf schiitische Ethnien verübt die Terrorgruppe immer wieder Anschläge, zum Beispiel auf die Gruppe der Hazara in Afghanistan. 

Welche Rolle spielt Russland für die Taliban?

Russland und die Taliban pflegen eine pragmatische Beziehung, die auf gemeinsamen Interessen beruht. Vor allem seitdem die Taliban ihre Haltung gegenüber Amerika deutlich gemacht haben, versucht auch Russland, die Beziehung zu ihnen zu verbessern. Trotz der Spannungen aus der Vergangenheit, resultierend aus der sowjetischen Intervention in Afghanistan 1979 bis 1989. Russland erhofft sich, seine Rolle in der Region zu stärken, denn viele der Nachbarstaaten Afghanistans gelten als Partner Putins.

Zwei Jahre regieren die islamistischen Taliban wieder in Afghanistan. ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf ist es gelungen, in das weitgehend isolierte Land zu reisen.

09.08.2023 | 28:50 min

Anschlagsversuche in Deutschland vereitelt

Der ISPK hat kürzlich das Herzstück der Taliban in Kandahar angegriffen. Außerdem zeigen Anschläge in Kerman, Iran und Moskau, dass sie auch andere Ziele als Afghanistan im Visier haben. Auch in Europa, darunter Deutschland, gab es Anschlagsversuche, die allerdings vereitelt werden konnten.
Post von US-Senator Graham
US-Senator Lindsey Graham äußerste sich auf X: "Wir sollten ISPK in Afghanistan hart angreifen und ihre Operationen stoppen, bevor es zu spät ist. Wir müssen jetzt die operative Kontrolle erlangen, bevor es zu spät ist."
Scheinbar hat ISPK das Gefühl, sich immer stärker ausweiten zu können, rekrutiert immer mehr Menschen, sammelt Ressourcen und verschärft die Sicherheitslage weltweit.

Thema

Mehr zum Anschlag in Moskau

Mehr zu Russland