Analyse

: Ramaphosa bleibt, alles andere ändert sich

von Verena Garrett, Johannesburg
19.06.2024 | 12:10 Uhr
Nach zwei Wochen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen beginnt für Südafrika eine neue Ära. Der ANC bleibt an der Macht, aber es ist ein anderes Land.

Für Südafrika ist 2024 ein Schicksalsjahr: 30 Jahre nach dem Ende der Apartheid stehen wegweisende Wahlen an. ZDF-Korrespondentin Verena Garrett zeigt, wie es um das Land steht.

30.05.2024 | 29:30 min
Südafrika muss Neuland betreten. Zum ersten Mal seit dreißig Jahren erhielt der African National Congress (ANC) keine absolute Mehrheit bei der Parlamentswahl im Mai. Die Partei von Nelson Mandela benötigte Koalitionspartner, um das Land zu regieren. Viel versprochen, zu wenig gehalten - der Frust der Menschen über die Regierungspartei ANC war groß.
In den vergangenen zwei Wochen waren die Politiker des Landes gezwungen, zusammenzufinden. Oder es zumindest zu versuchen. Die Verhandlungen fanden im Geheimen statt. Worum es in den Gesprächen ging, was die Knackpunkte waren, welche Kompromisse gemacht wurden - zunächst drang davon nichts an die Öffentlichkeit. Nur, dass die Gespräche schwierig waren.
Zwei Wochen für eine junge Demokratie, die auf nationaler Ebene keinerlei Erfahrung mit Koalitionsbildung hat. Eine denkbar kurze Zeit, um Gemeinsamkeiten zu finden.

In Südafrika hat das Parlament Präsident Ramaphosa für eine zweite Amtszeit bestätigt. Seine Partei ANC regiert künftig in einer Mehrparteienkoalition.

15.06.2024 | 00:19 min

Südafrikas Regierung der nationalen Einheit

Die Lösungsidee der Parteien: ein Kabinett der nationalen Einheit. Gemeinsam mit dem ANC sollen die zentristisch-liberale Democratic Alliance (DA), die nationalistische Zulu-Partei Inkatha Freedom Party (IFP), sowie mehrere kleine Gruppierungen das Land regieren.
Präsident Südafrikas bleibt Cyril Ramaphosa. Er wurde im Amt bestätigt. Seine Hauptaufgabe wird es sein, seine Position zu sichern.

Regierender ANC vor großen Herausforderungen

Eine Regierung der nationalen Einheit heißt auch, dass sich die Rolle und die Identität der Parteien in Zukunft ändern wird, ändern muss.
Der ANC kann nicht mehr mit der Arroganz einer Mehrheitspartei auftreten. Er wird lernen müssen, Kompromisse zu schließen. Und wird auch dem Versprechen treu bleiben müssen, Reformen anzugehen und die Korruption auszurotten. Darauf werden die anderen Koalitionsmitglieder achten.
Die Democratic Alliance (DA) wird sich von einer Oppositionspartei zu einer Regierungspartei umdefinieren müssen. Bislang konnte sie auf nationaler Ebene immer Kritik von außen üben.
Inwiefern eine Zusammenarbeit der beiden größten Koalitionsparteien überhaupt möglich ist, wird sich zeigen müssen, sagt Politikexpertin und Soziologin Tessa Dooms.
Die DA wird für den ANC absolut lebenswichtig werden. Sowohl was die Kabinettsbeschlüsse angeht, als auch in Bezug auf die Legislative und alle Gesetze, die verabschiedet werden. Ohne einander wird es nicht gehen.
Tessa Dooms, Politikexpertin

Trotz des Ukraine-Kriegs stehen viele Länder an Russlands Seite. Die ZDF-Korrespondenten wollen herausfinden, warum. Eine Spurensuche in China, Brasilien, Südafrika und Thailand.

22.02.2023 | 62:37 min

Widersacher Jacob Zuma und seine Partei

Für die neue Regierung bedeutet insbesondere die Oppositionspartei des ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma, uMkhonto weSizwe (MK), mögliches Konfliktpotential. Aus dem Stand wurde sie bei der Parlamentswahl drittstärkste Kraft im Land.

Wer ist Jacob Zuma?

Jacob Zuma ist wohl der umstrittenste Politiker in der Geschichte des demokratischen Südafrika. Während seiner Präsidentschaft von 2009 bis 2018 blühte die Korruption wie nie zuvor, seine Regierungszeit ging als "State Capture" (Staatsvereinnahmung) in die Geschichte ein. Mit seinen Vertrauten in Regierung und Wirtschaft hatte Zuma den Staat systematisch ausgeplündert, bis er vom heutigen Präsidenten Ramaphosa aus dem Amt gedrängt wurde und zurücktrat.

 

Jacob Zumas Inhaftierung im Jahr 2021 löste im Osten des Landes heftige Unruhen aus, mehr als 300 Menschen starben. Noch bis Dezember 2023 blieb Zuma ein treues Mitglied der heutigen südafrikanischen Regierungspartei African National Congress (ANC). Dann erklärte er, er werde bei den Wahlen 2024 die neue Partei MK statt dem ANC unterstützen.

Zuma will nicht mit Ramaphosa zusammenarbeiten

Südafrikas ehemaliger Präsident Zuma verabscheut seinen Nachfolger offen, und seine Partei hat erklärt, sie werde nicht mit "dem ANC von Ramaphosa" zusammenarbeiten. Zuma wird mit der ständigen Drohung von Aufständen und Unruhen wie ein Damoklesschwert über Cyril Ramaphosa und dem ANC schweben.
Rechtzeitig vor der ersten Sitzung des Parlaments wurde eine umfassende Einigung erzielt. Kleinigkeiten, Details werden noch zu klären sein. Fest steht: die politische Landschaft Südafrikas wird nie wieder dieselbe sein. Jede politische Partei muss einen Weg finden, sich inmitten der politischen Neuausrichtung neu zu definieren.

Neue politische Landschaft in Südafrika

Es ist ein Moment der großen Möglichkeiten. Aber er birgt auch die Gefahr einer Zukunft voller Enttäuschung. "Es ist in vielerlei Hinsicht eine Übergangswahl. Es ist eine Wahl, bei der wir testen, wie eine Zukunft jenseits der Dominanz des ANC in unserer Politik aussieht", so Politikexpertin Dooms.
Es gibt einige Risiken: die Politik des ANC sah in der Theorie immer gut aus, aber in der Umsetzung nicht. Und jetzt müssen wir sehen, ob sich der Politikstil des ANC ändern wird. Denn das sollte er.
Tessa Dooms, Politikexpertin

In Johannesburg findet zum 15. Mal ein Gipfel der BRICS-Staaten statt. Weltweit gewinnt das Bündnis an Einfluss, weshalb auch weitere Staaten diesem beitreten wollen.

22.08.2023 | 01:39 min
Als Cyril Ramaphosa vor fünf Jahren zum Präsidenten des Landes gewählt wurde, ritt er auf der Welle eines Aufbruchs. Der ist nicht so eingetreten, wie Viele es erwartet hatten. Ganz im Gegenteil. Vielleicht aber hat die komplette Veränderung der politischen Landschaft wirklich das Potenzial der Neugestaltung für Südafrika.
Verena Garrett leitet das ZDF-Studio Johannesburg.

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